Hoher Besuch in der Kurzgeschichten-Schreibwerkstatt in Plankenfels
Vom Kussweg bis zum Galgen
Bezirksheimatpfleger Günter Dippold und Theatersommer-Intendant Jan Burdinski statten der Kurzgeschichten-Schreibwerkstatt in Plankenfels einen Besuch ab. Als Gastredner lieferten sie den Hobby-Schriftstellern Hintergrund-Informationen zu ausgewählten Themen rund um die Neubürg.
„Dass es so viel Zärtlichkeit an der Hollfelder Stadtmauer gibt, hatte ich damals nicht vermutet“, erzählte Jan Burdinski. Der Theatersommer-Intendant war einer der Initiatoren, die vor etwa zehn Jahren den Kussweg wieder aufleben ließen. Auf dem schmalen Pfad, der an der Burgmauer entlang führt, hatten zahlreiche „junge Leute ihre ersten Kusserfahrungen gemacht“, so Burdinski. In Süddeutschland sei der Kussweg einzigartig. Bei seinem Besuch in der Schreibwerkstatt gab er zahlreiche Anekdoten zum Besten, um den Teilnehmern Inspiration zu liefern.
Seit März 2023 trifft sich in den Räumen der Rösterei-Gartencafé in der Genussschule in Plankenfels regelmäßig eine Gruppe von neun Hobby-Schriftstellern. Ihr Anliegen ist es, historische oder aktuelle Themen rund um die Neubürg auf kreative Weise umzusetzen, in Form von Kurzgeschichten. Veranstaltet wird das Literaturprojekt vom neu-gegründeten Heimatmacher-Verein mit der Vorsitzenden Marion Deinlein. Unterstützt wird es von der Integrierten Ländliche Entwicklung (ILE) „Rund um die Neubürg“. „Wir freuen uns, dass wir für unsere Schreibwerkstatt so hochkarätige Gastdozenten gewinnen konnten“, betonte Deinlein.
Damit die Kurzgeschichten rund um die Neubürg inhaltlich Hand und Fuß haben, stattete auch Bezirksheimatpfleger, Professor Günter Dippold, der Schreibwerkstatt einen Besuch ab. Dort beantwortete er Fragen, etwa die einer Teilnehmerin aus Plankenfels zur Unterbringung und den Arbeitsbedingungen italienischer Gastarbeiter. Sie hatte sich den Bau der örtlichen Eisenbahnbrücke um das Jahr 1903 als Thema ausgesucht. Dippold berichtete von notdürftig zusammengezimmerten Bretterbuden, in denen die Männer oft monatelang in klammen Verhältnissen hausen mussten. Ein gängiges Phänomen, das Bahnbauten begleitete, war Dippold zufolge der Sittenverfall, den die Geistlichen befürchteten. Aus Begegnungen von Gastarbeitern und einheimischen Frauen seien hier und da durchaus Kinder entstanden. Bahnbauten waren daher nicht selten Auslöser für Liebesgeschichten.
Im Gegensatz dazu beginnt die Kurzgeschichte einer Teilnehmerin aus Hutschdorf an einem frühmittelalterlichen Galgen. Zur Hinrichtung kommt es zwar nicht, doch waren Details zur Örtlichkeit gefragt. Die Geschichte spielt im Hummelgau, eine bäuerlich geprägte Hügellandschaft südwestlich von Bayreuth um die Gemeinden Mistelgau, Gesees und Hummeltal. Einer Theorie nach wird der Name Hummelgau abgeleitet vom Hundertschaftsgericht oder Centgericht, vermutlich eine räumliche Einheit, die einen Gerichtsbezirk bildete. Im Gemeindewappen von Gesees ist der Hummelhut abgebildet, der an die Funktion der Hummelbauern als Schöffen erinnert. Professor Dippold erklärte, dass die Quellenlage zur frühmittelalterlichen Justiz sehr spärlich sei. Generell gab es zwei Rechtsprinzipien. Entweder richteten die Herrschenden über die Beherrschten oder Gleiche über Gleiche, also Bauern über Bauern. Letzteres war auch die Funktionsweise eines Cent- oder Schöffengerichts. Verhandlungen genauso wie Hinrichtungen fanden außerhalb der Ortschaften statt, ohne Henker. „Der Beruf des Henkers war eine Erfindung der spätmittelalterlichen Justiz“, erklärte Dippold. Wahrscheinlich habe bei einem Schöffengericht, der jüngste Schöffe die Aufgabe übernehmen müssen.
Wie die Verurteilte im Hummelgau gerettet wird, ob ein italienischer Gastarbeiter in Plankenfels die große Liebe findet und, was ein Chatbot zum Hollfelder Kussweg zu sagen hat, können Einheimische Ende des Jahres in einem Buch nachlesen. Die Kurzgeschichten-Sammlung aus der Schreibwerkstatt wird im Winter erscheinen und unter anderem in der Genussschule in Plankenfels erhältlich sein. Weitere Themen sind unter anderem die Muthmannsreuther Bluttat durch Raubritter Thomas von Absberg, die Legende vom Irrglöcklein von St. Gangolf, die Unterbringung von Flüchtlingen auf Schloss Wiesentfels nach dem Zweiten Weltkrieg und der Tafelberg Neubürg als Kunst- und Veranstaltungsraum.
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