Sonntagsgedanken: Krankheit
„Solange du arbeiten kannst und funktionierst, so lange bist du angesehen, aber wehe, du wirst einmal krank!“
So, liebe Freunde, sagte ein Kranker bei meinem Krankenbesuch zu mir. Und hat er damit nicht vielleicht sogar recht? Viele Menschen versuchen ihre Leiden, ihre Schmerzen oft zu verbergen, teils aus Angst, teils, weil sie diese Pein aus Liebe vor ihren Liebsten, ihren Partnern, Kindern, Enkeln usw. verbergen wollen, damit diese sich keine Sorgen machen müssen.
„Nur die Kranken brauchen einen Arzt“, so sagte einmal Jesus. Er wollte Menschen Heil an Leib und Seele schenken und hat deswegen Menschen um sich versammelt. ER wusste, dass viele Menschen Gemeinschaft brauchen, um neuen Mut zu schöpfen. Diejenige Gemeinschaft, die sich auf ihn zurückführt, die muss daher – vor allem anderen – ein Ort sein, an dem Menschen gesund werden können: für Menschen, die in ihrem Leben verwundet wurden, die Scheitern erlebt haben, die nun neue Orientierung und Hilfe zum Leben suchen. Doch ist unsere Gemeinschaft noch eine Gemeinschaft, die Heil schenkt? Ist aus der heilenden nicht eine heilige Kirche geworden? Was ist denn, wenn jemand gescheitert, wirklich verwundet ist, wenn die Ehe zerbrochen, das Kind unehelich auf die Welt gekommen, die berufliche Laufbahn jäh endete, sich jemand plötzlich auf der Straße wiederfand oder gar straffällig geworden ist oder war? So oft werden Menschen gebrandmarkt, man redet schlecht über sie, man zeigt mit dem Finger auf sie.
Ist es verwunderlich, dass die, auf die man mit Fingern zu zeigen begann, dass die, die in diese so christliche Gesellschaft so wenig zu passen schienen, dass diese am Ende aus ihr ausgezogen sind, dass die Mühseligen und Beladenen, die Kranken und Schuldbeladenen, die Jesus gerufen hatte, denen er Ruhe verschaffen wollte, dass diejenigen, sich am Ende von dieser Kirche alles versprachen, nur nicht die Heilung, ja nicht einmal die Linderung ihrer Schmerzen?
Eine Kirche, in der Gescheiterte keinen Platz mehr finden und in der sich Sünder nicht geborgen fühlen, die keinen Platz für Wiederverheiratete oder Alleinerziehende hat und in der die Priester, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, als Abgesprungene gleichsam gebrandmarkt werden, eine Kirche, die dem Abgeordneten und dem Manager eher nahesteht als dem Arbeiter, dem Arbeitslosen, dem Obdachlosen: So eine Kirche wäre alles andere, nur nicht Gemeinde Jesu Christi.
Jesus ist gekommen, um Sünder zu berufen, nicht die Gerechten, denn er wusste, dass nicht die Gesunden den Arzt brauchen, sondern die Kranken. Und diese Kranken sind auch wir!
In einer Kirche aber, die sich auf diesen Jesus Christus gründet, ist eine Krankheit keine Schande, in so einer Kirche ist Scheitern kein Beinbruch. In so einer Kirche brauche ich nämlich keinen Hehl daraus zu machen, dass auch ich diesen Arzt brauche.
Ich wünsche Ihnen allen einen guten Sonntag!
Klaus Weigand
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Infos zu Pfarrer Klaus Weigand
- Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
- Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
- Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
- Priesterweihe 1998
- Tätigkeiten:
- Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
- Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
- seit 2015 in Heroldsbach und Hausen
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