Pilotprojekt in Bamberg: erste Busse in Deutschland fahren mit gebrauchten Speiseölen
- Lokaler Klimaschutz: Kraftstoff aus 100 Prozent hydrierten Pflanzenölen reduziert CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent
- Stadtwerke sparen 1,1 Millionen Liter Diesel pro Jahr
- Schnelle Übergangslösung bis zur kompletten Dekarbonisierung der Busflotte durch den E-Antrieb
Der Bus klingt wie jeder andere auch, er fährt wie jeder andere auch. Und er riecht auch nicht anders als sonst – obwohl es naheliegend wäre: Denn der Linienbus, der am Dienstagvormittag (18.04.) in Bamberg am Busdepot der Stadtwerke vom Hof fährt, wird nicht mehr mit konventionellem Dieselkraftstoff angetrieben, sondern mit hydrierten Pflanzenölen. Der Kraftstoff heißt HVO100 und hat die gleichen chemischen Eigenschaften wie Diesel. Entscheidend ist, dass er bilanziell rund 90 Prozent weniger CO2-Emissionen freisetzt und die Klimabilanz der vorhandenen Busflotte augenblicklich und ohne weitere Investitionen optimiert. Für die Stadtwerke ist das eine zweckmäßige Zwischenlösung für den Klimaschutz, bis sie ihre komplette Busflotte elektrisch und damit komplett emissionsfrei antreiben werden.
Die Bamberger sind die Ersten in ganz Deutschland, die den Treibstoff aus hydrierten gebrauchten Pflanzenölen in die Tanks von zunächst zwei Bussen lassen. Während der Pilotphase sollen die Motorleistungen beobachtet und die Abgase der Busse detailliert analysiert werden. Erst wenn sich der Kraftstoff bewährt, werden ab dem Sommer alle 57 konventionell betriebenen Busse der Stadtwerke ausschließlich mit HVO100 betankt. Auf diesem Weg sollen Jahr für Jahr 1.100.000 Liter konventioneller Dieselkraftstoffs gespart werden – und zusätzlich mehr als 2.600 Tonnen CO2 sowie ein Drittel der Feinstaubemissionen.
Für den Pilotbetrieb haben die Stadtwerke in ihrem Busdepot an der Bamberger Georgenstraße eine zweite Tankstelle eingerichtet, an der die ersten Fahrzeuge ausschließlich mit dem neuen Kraftstoff betankt werden. Zum Start des bundesweit einmaligen Projekts übernimmt Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke persönlich die Rolle des Tankwarts, Dr. Martin Schultz, der kaufmännische Werkleiter von Bosch in Bamberg, assistiert ihm gemeinsam mit Peter Scheuenstuhl, dem Leiter der Mobilitätssparte bei den Stadtwerken.
OB Starke freut sich, dass mit Bosch der größte Arbeitgeber in der Stadt hier als wichtigster Partner auftritt und viel Knowhow beisteuert: „So schaffen wir es, Arbeitsplätze vor Ort in der Automobilindustrie zu sichern, die sich in einem enormen Transformationsprozess befindet.“ Bosch in Bamberg unterstützt das Projekt der Stadtwerke in Bamberg, um künftig den regenerativen Kraftstoff HVO100 auch in Flottenfahrzeugen des Werkes einzusetzen. Damit macht Bosch einen großen Schritt, um die anspruchsvollen CO2-Reduktionsziele im eigenen Lieferverkehr zu erreichen. Gleichzeitig werden wichtige und wertvolle Erfahrungen im Rahmen des Projekts gesammelt, wie erneuerbare und synthetische Kraftstoffe im bestehenden Fuhrpark zum Klimaschutz beitragen können.
Zu HVO 100
Der „Klima-Diesel“ HVO100 („Hydrotreated Vegetable Oil“) setzt bilanziell rund 90 Prozent weniger CO2-Emissionen frei als traditioneller Diesel. Die Zahl „100“ gibt an, dass es sich um die reine Form hydrierter Pflanzenöle handelt. Der Biokraftstoff besteht ausschließlich aus biologischen Rest- und Abfallstoffen und ist frei von Palmöl. Der Hersteller garantiert den Stadtwerken, dass die Produktion nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- sowie Futtermittelerzeugung tritt und schädliche Anbaumethoden fördert. Die Betankung von HVO100 ist ohne aufwendige technische Umrüstungen an den Bussen möglich, der Dieselkraftstoff wird einfach durch klimafreundliches HVO ersetzt. In Deutschland sind HVO-Kraftstoffe nur als geringfügige Beimischung zugelassen. HVO100 ist derzeit nicht an öffentlichen Tankstellen erhältlich. Die Stadtwerke dürfen den Kraftstoff heute schon nutzen, weil sie es nur für Flottenfahrzeuge einsetzen und in einer eigenen Tankstelle betanken.
HVO100 ist aktuell etwas teurer als konventioneller Dieselkraftstoff, Fahrgäste der Stadtwerke Bamberg müssen deshalb aber nicht mit steigenden Ticketpreisen rechnen: Im Rahmen der Kfz-Steuerreform will die Bundesregierung E-Fuel-Fahrzeuge entlasten. Zudem streben die Stadtwerke eine Förderung des Klima-Vorzeigeprojekts an.
Informationen zum Bamberger ÖPNV
Der Bamberger ÖPNV befördert jährlich rund 10 Millionen Fahrgäste. Das Liniennetz der Stadtwerke Bamberg reicht von Bischberg im Westen bis Kremmeldorf östlich von Bamberg und von Gundelsheim im Norden bis Pettstadt im Süden. Es umfasst 29 Buslinien mit über 400 Haltestellen. Die 63 Fahrzeuge waren im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 2,7 Millionen Kilometer unterwegs. Auf dieser Strecke haben sie über 1,1 Millionen Liter Diesel verbraucht.
Bei der Modernisierung der Busflotte setzen die Stadtwerke Bamberg auf die reine Elektromobilität. Seit dem vergangenen Sommer sind auf Bambergs Straßen die ersten sechs Elektrobusse im Einsatz, die mit 100 Prozent Ökostrom betrieben werden. In den kommenden Jahren sollen alle Dieselbusse durch reine Elektrobusse ersetzt werden. In diese vollständige Dekarbonisierung werden die Stadtwerke einen hohen zweistelligen Millionenbetrag für Fahrzeuge, Ladeinfrastruktur und den Umbau der Buswerkstätten investieren.
STWB Stadtwerke Bamberg GmbH
Oberbürgermeister Andreas Starke, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Bamberg:
„Mit dem Pilotprojekt beweisen unsere Stadtwerke einmal mehr ihre Position als Treiber von Innovationen und Klimaschutz. Wir schalten hier entschlossen einen Gang nach oben und verbessern augenblicklich unsere Klimabilanz. Wenn wir die Automobilindustrie in ihrem Wandel nicht abwürgen wollen, müssen wir offen für neue Ideen und Brückentechnologien sein. Um eine solche handelt es sich beim HVO-Kraftstoff, dessen Alltagstauglichkeit wir nun durch den Pilotbetrieb in den Stadtwerke-Bussen testen möchten.“
Peter Scheuenstuhl, Leiter Mobilität und Bäder bei den Stadtwerken Bamberg:
„Unser Ziel ist ein CO2-freier öffentlicher Personennahverkehr. Hierfür treiben wir den Umbau unserer Fahrzeugflotte auf den emissionsfreien Elektroantrieb weiter voran. Auch aus finanziellen Gründen ist das nicht von heute auf morgen realisierbar. Der Einsatz von klimaschonenden Kraftstoffen aus hydrierten Pflanzenölen ist eine gute Zwischenlösung, mit der wir sofort tonnenweise CO2-Emissionen sparen.“
Dr. Martin Schultz, kaufmännischer Werkleiter von Bosch in Bamberg:
„Gemeinsam mit den Stadtwerken leisten wir hier in Bamberg Pionierarbeit. Wir freuen uns, mit dem Einsatz des innovativen HVO100-Kraftstoffes das Potenzial zur Verbesserung der Klimabilanz bei modernen Verbrennermotoren aufzuzeigen.“
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