Ordination von Vikarin Michaela Wüst in Bamberg
Bei der Ordination von Vikarin Michaela Wüst am 12. März in der Kirche St. Stephan Bamberg hielt Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner folgende Predigt zu Lukas 9, 57-62:
Liebe Festgottesdienstgemeinde, besonders liebe Ordinandin Michaela Wüst,
das Evangelium dieses Sonntags scheint auf den ersten Blick kein erfreuliches Ordinationswort zu sein: Jesus konfrontiert drei Menschen mit der Radikalität der Nachfolge und eines Lebens mit ihm. Wir – als Hörer und Hörerinnen dieses Evangeliums – wissen hinterher nicht, sind die drei nun dem Impuls Jesu gefolgt oder haben sie sich abgewandt.
Ordinationen finden immer im März jeden Jahres statt und so habe ich schon oft über dieses Bibelwort gepredigt. Das Erstaunliche ist, Bibelworte erschließen sich uns – wenn wir uns mit ihnen beschäftigen – immer wieder überraschend neu. Diesmal wurde mir deutlich, dass wir in den Evangelien zwei unterschiedliche Grundtypen von Berufungen haben. Da werden zum Beispiel die Jünger Jakobus oder Simon Petrus in die Nachfolge gerufen oder auch Zachäus wird vom Baum runtergeholt und hört, dass Jesus bei ihm einkehren will. Bei keinem dieser Menschen, die Jesus beim Namen nennt und ruft, gibt es irgendein Zaudern. Sein Ruf ist unwiderstehlich. Die Menschen folgen und leben mit Jesus von diesem Moment an.
Den zweiten Typ von Berufungserzählungen haben wir in unserem heutigen Evangelium: Die Gesprächsgegenüber Jesu bleiben anonym und das Ergebnis des Gesprächs offen. Denn, wie gesagt: Man weiß hinterher nicht, ob sie nun in der Nachfolge Jesu leben werden oder nicht.
Bezüglich Ihrer Ordination, liebe Frau Wüst, sind wir eindeutig beim ersten Typ der Berufungsgeschichten. Es ist unzweifelhaft, Ihr Name ist genannt: Michaela Wüst; es geht um Sie und Jesus ruft Sie in die Nachfolge. Der letzte Satz der Fragen, die ich heute an Sie stelle, wird lauten: Bist du bereit, in der Nachfolge Jesu Christi jederzeit so zu leben und zu wirken, wie es deinem Auftrag entspricht?
Sie haben auf dem Weg bis hierher Weichenstellungen erlebt, die Sie bis zu diesem Punkt geführt haben – und es führt kein Weg zurück. Sie sind da und sie werden nachher auf alle Ihnen gestellten Fragen sagen: „Ja, ich bin bereit.“ Zumindest gehe ich doch stark davon aus, dass Sie so antworten werden. Interessanterweise sieht die Liturgie gerade bei dieser herausfordernden Frage des Rufs in die Nachfolge eine erweiterte Antwort vor: „Ja, dazu helfe mir Gott durch Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes.“ Das ist die einzig sinnvolle Antwort, denn stetes Leben in der Nachfolge Jesu Christi geht nur mit und durch Jesus Christus und die Kraft des Heiligen Geistes.
Sie gehen schon lange den Weg der Nachfolge Schritt für Schritt. Begonnen hat er mit Ihrem frommen Elternhaus, Ihrer Taufe, dem Besuch des Kindergottesdienstes in ihrer Kirchengemeinde Weingartsgreuth. Nach der Konfirmation hielten Sie selbst Kindergottesdienst. Die Gespräche im Kigo-Team, manchmal begleitet durch Vikare, brachten Sie weiter in den theologischen Fragen, die Sie beschäftigten. Ihre große Fähigkeit zur Kommunikation, zur Leitung und zur Verkündigung wurde schon in dieser Zeit gefestigt. Wer Ihnen als Jugendliche ein Bibelleseheft in die Hand drückte, wissen Sie nicht mehr; wichtig ist, dass es geschah. „Danke!“, sage ich diesem Unbekannten, denn so begannen Sie täglich Bibel zu lesen, und Sie erfuhren, wie die Worte der Bibel Sie im Leben stärken und leiten. Sie wurden Friseurin, anschließend Hausfrau und Mutter und dann Angestellte in einem Geschäft für kreative Tischdekoration.
Wichtiger als die berufliche Entwicklung war Ihre innere Berufung, ihre Begeisterung für die Bibel und ihre Auslegung. So absolvierten Sie die Ausbildung zur Lektorin und dann zur Prädikantin. In diese Zeit wachsender Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums fiel auch im Jahr 2014 die Einführung der ökumenischen Alltagsexerzitien im Kirchenkreis Bayreuth. Sie leiteten eine Gruppe, die sich bis heute in der Passionszeit trifft.
Wenn Sie nun als Pfarrerin in St. Stefan und vor allem in Philippus wirken werden, so werden Sie ganz bestimmt nicht die Regie über die Alltagsexerzitien den bisher verantwortlichen Ehrenamtlichen aus der Hand nehmen. Denn eine Ihrer großen Stärken ist ja gerade, dass Sie selbst so lange Ehrenamtliche waren und so auch die Perspektive Ehrenamtlicher einnehmen können. Ihre Grundhaltung war und wird auch in Zukunft sein: Pfarrer kommen und gehen – die Gemeinde bleibt. In dieser großen Bescheidenheit wollen und werden Sie Menschen stärken und zurüsten.
Diese Fähigkeit, andere zu befähigen, ist für Hauptamtliche in der Kirche viel wichtiger als selbst alles zu managen. Keine Frage, Sie packen zu und machen auch viel selbst. Doch letztlich sind wir beim Thema unseres Bibelwortes: Wir Hauptamtliche in der Kirche sollen Menschen sein, die andere in die Nachfolge rufen und sie in dieser Nachfolge auch bestärken und ihnen Aufgaben zutrauen. Innere Beteiligung geschieht oft über äußere Beteiligung.
Zurück zu Ihrem eigenen Nachfolgeweg. Obwohl Sie im Jahr 2016 als Prädikantin zur öffentlichen Wortverkündigung in Wort und Sakrament berufen wurden, war es ein großer Schritt in die hauptamtliche Verkündigung zu gehen. Die Pfarrverwalterausbildung an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau ermöglicht Menschen ohne Abitur Theologie zu studieren. Alle Achtung Ihnen, Ihrem Mann Norbert und Ihren damals noch schulpflichtigen zwei Kindern Anna und Peter. Denn ohne Zusammenhalt der Familie sind solche vier Jahre Theologiestudium kaum zu bewältigen.
Das bestandene erste Pfarrverwalterexamen öffnete die Tür zum regulären Vorbereitungsdienst für den Pfarrberuf. Angelika Steinbauer in Steppach-Pommersfelden war eine bewährte Mentorin, die es gewiss genoss, eine – im Gemeindedienst schon erfahrene Frau – zweieinhalb Jahre lang weiter zu fördern.
Nun sind Sie nach Abschluss des Vikariates zwar zunächst im Status einer Pfarrverwalterin; aber niemand muss diese eher unromantische Bezeichnung wählen, zumal dies ein Übergangsstadium ist. Sie tun den regulären Dienst einer Pfarrerin und können auch so angesprochen werden.
Zurück zu unsrem Bibelwort und damit zu Berufungsgeschichten des zweiten Typs ohne Namensnennung und mit ungewissem Ausgang. Bewusst nennt dieser zweite Typ keine Namen. Warum? Weil wir alle gemeint sind – auch die namentlich Berufenen. Unabhängig davon, ob wir im pastoralen Dienst sind oder nicht, als Getaufte sind wir alle in die Nachfolge gerufen. Das bedeutet: Mitten im Alltag unseres Lebens soll sich für uns alle zeigen, ob wir Jesus nachfolgen oder nicht. Der Punkt, an den uns die drei kurzen Dialoge unseres Evangeliums führen, ist letztendlich die Frage an uns: Steht in deinem und in meinem Leben Jesus an erster Stelle?
An erster Stelle? Riecht das nicht nach fundamentalistischem Radikalismus? Radikal ist diese Frage schon, fundamentalistisch nein. Ich bin gewiss keine Fundamentalistin und doch ist für mich ganz klar: Jesus steht in meinem Leben an erster Stelle. Nicht mein Ehemann? Nein, nicht mein Ehemann. Mein Ehemann weiß das. Auch ich stehe für ihn nicht an erster Stelle, sondern Jesus Christus – und ich bin froh darüber. Dieses Wissen verbindet uns noch einmal mehr.
Kennen Sie das Kindergebet? „Ich bin klein, mein Herz mach rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Ich habe mich lange an diesem Gebet gestoßen, weil es so ausschließlich formuliert ist. Natürlich wohnt in einem Kinderherz die Mama und der Papa, das Brüderlein und die Freundin. Aber irgendwann wurde mir klar: Wenn Jesus im Herzen wohnt, dann wohnt mit ihm die ganze Welt drin, so wie er sie liebt. Dann wohnen auch die mir nahen Menschen drin, aber von ihm geliebt, auch wenn ich gerade verärgert über sie bin. Jesus zuerst – diese Prioritätensetzung ist der Weg in der Nachfolge Jesu, alle Menschen mit seinen Augen der Liebe zu sehen.
Der Kirchenkreis Bayreuth und die Erzdiözese Bamberg pflegen gemeinsam eine ökumenische Partnerschaft zu Chichester. So ist im Dekanatsbezirk Bamberg Stegaurach mit Arundel in der Diözese Chichester verbunden. Durch meine Reisen dorthin erfuhr ich, dass im 12. Jh. St. Richard als Bischof in Chichester wirkte. Eine eindrückliche Statue weist in Chichester auf ihn hin; und unter ihr steht ein Gebet von St. Richard. Es steht seit Jahren als Karte auf meinem Schreibtisch, weil es mir so wichtig ist. Es endet mit drei Bitten an Jesus, die im Rhythmus der englischen Sprache besonders eingängig sind:
May I know You more clearly,
Love You more dearly,
and follow You more nearly.
Diese drei Bitten machen deutlich, dass der Weg der Nachfolge ein Lernweg ist, auf dem wir Schritt für Schritt – manchmal im berühmten Pilgertanzschritt: zwei vor, einer zurück, zwei vor einer zurück – doch vorankommen, weil Jesus uns vorausgeht und uns mitnimmt.
Es mag sein, dass wir manchmal an diesem Ziel scheitern, auch ich. Das bleibt offen, denn wir sind fehlbare Menschen, denen es öfters an Liebe mangelt. Wir sind eben auf dem Weg. Darum schließe ich mit Richards Gebet – diesmal auf deutsch – für uns alle und besonders für Sie, liebe Michaela Wüst:
Barmherziger Erlöser, Freund und Bruder, hilf uns
Dich klarer erkennen
Dich tiefer lieben
Dir näher folgen. Amen.
Neueste Kommentare