Energiestammtisch der Grünen in Coburg Stadt und Land
Balkonkraftwerk, Solarpotentialkataster, Bürgerenergiegenossenschaft? Was auf den ersten Blick ein bisschen wie George Orwells „Schöne Neue Welt“ klingt, entpuppte sich beim 1. Energie-Stammtisch der Grünen KV Coburg Stadt und Land am 2.3. im Gasthof Grosch in Rödental als ein Blick in eine tatsächlich mögliche, schöne Welt, in der Energie regional, dezentral und vollständig erneuerbar ist. Prof. Dr. Susanne Esslinger, Direktkandidatin für die Landtagswahl 2023 für den Wahlkreis Coburg, führte als Moderatorin durch den kurzweiligen und informativen Abend, der von Kreistagskandidatin Karin Ritz (KV Coburg Land) initiiert wurde. Das Ziel des Abends war es, den zahlreich erschienenen Gästen Werkzeuge an die Hand zu geben, die es ermöglichen, die Energiewende kostengünstig und effizient zu Hause umzusetzen. Denn es ist höchste Zeit, dass Coburg die eigene Energiewende in Angriff nimmt: Wie Petra Wöhner, Vorstandssprecherin des KV Coburg der Grünen, mit Hilfe des Energie-Atlas Bayern zeigte, hat Coburg vor allem im Stadtbereich den Strommix noch kaum auf erneuerbare Energien ausgerichtet, während etwa die umliegenden Landkreise schon eine deutlich bessere Bilanz aufweisen können.
Doch der Energie-Atlas, ein kostenloses Angebot der Bayrischen Regierung, kann auch Landwirten und Landwirtinnen und auch allen Bürgern und Bürgerinnen schnelle Hilfestellung bei Fragen rund um Biomasse, Solar, Windenergie und Geothermie leisten. Mit dem Solarpotentialkataster der Stadt Coburg stellte Stadtrat Wolfram Haupt ein Online-Tool vor, das die Berechnung und Planung der eigenen Photovoltaikanlage auch den Laien ermöglicht. Die vielen Teilnehmenden an der Veranstaltung zeigten, dass das Interesse an erneuerbaren Energieträgern deutlich gestiegen ist. Doch das ist auch notwendig: Wie Stadtrat Michael Dorant in seinem Vortrag betonte, könne die Energiewende nur gelingen, wenn alle Beteiligten – Einzelpersonen, Kommunen, Unternehmen, Politik – schnell das ihnen Mögliche unternehmen. Er stellte vor, wie unproblematisch die Installation und Anmeldung eines Balkonkraftwerks – einer kleinen Photovoltaikanlage bis 600 Watt – ist.
Da die Stadt Coburg die Anschaffung mit bis zu 250 Euro bezuschusst, amortisiere sich so eine Anlage bei den aktuellen Strompreisen bereits in weniger als vier Jahren und sei damit eine kluge Investition in eine CO2-neutrale Energiegewinnung, die auch bei Mietswohnungen umsetzbar sei. Christian Lindner, Experte für Dekarbonisierung bei Siemens, erläuterte, dass für größere Photovoltaikprojekte aufgrund der verbesserten Technik mittlerweile auch nordseitig ausgerichtete Dächer unter Umständen gut geeignet sein können, und motivierte die Anwesenden dazu, Beratung in Anspruch zu nehmen und so auch kleinere Flächen mit Solarzellen belegen zu lassen. Spannend ist in beiden Fällen die Möglichkeit, den Ertrag der Solarzellen in Echtzeit am Handy einsehen zu können. Die Sonne scheint, der Speicher ist voll? Kein Problem im smarten Home: Neuere Waschmaschinen und Heizungen können auch aus der Ferne gestartet werden. Niemand will Strom verschwenden und daher führt die App spielerisch und automatisch zu einer besseren Nutzung der wertvollen Ressource. Denn am kostengünstigsten und liebsten wäscht man, wenn die Solarzellen auf dem Dach gerade Überschuss produzieren.
Für Bürger und Bürgerinnen, die keine eigene Solaranlage installieren können, gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, sich an der Bürgerenergiegenossenschaft zu beteiligen. Christian Gunsenheimer stellte das Konzept vor, bei dem man einzelne Anteile für je 500 Euro erwerben kann und damit die Energiewende vor Ort gemeinsam mit allen andere, die Anteile besitzen, befeuern kann. Einen Blick in die Zukunft warf abschließend Hilko ter Hell, der Winddrachen als eine mögliche Alternative zu Windrädern mit einer deutlich höheren Energieausbeute bei niedrigeren Kosten und geringeren Eingriffen in die Natur vorstellte. Da war es wieder – eine wirklich schöne, neue, klimaneutrale Welt ist denkbar, wenn alle schnell und nach ihren Möglichkeiten tätig werden, um fossile
Energieträger wie Kohle, Öl und Gas oder die riskante Atomenergie weitgehend abzulösen. Wir alle können ein Teil der Veränderung sein, autark Ökostrom generieren und uns Stück für Stück unabhängiger von Handelsbeziehungen mit Autokratien machen. Nur so kann das 1,5-Grad-Ziel der Bundesregierung wenigstens noch im Blick behalten werden. Nach Abschluss der Vorträge blieben viele Interessierte noch etwas sitzen – zum angeregten Fachsimpeln über Kilowattpeak und Anlagenkonfiguration mit den Experten und Expertinnen. Denn eines ist an diesem Stammtisch deutlich geworden: Die Begeisterung und der Ideenreichtum für den Ökostrom gibt Coburg Stadt und Land viel Potenzial für die Energiewende.
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