Universität Bayreuth: Erstmalige Synthese einer Verbindung mit aromatischen Stickstoffringen

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Ein internationales Team mit Forscher*innen der Universität Bayreuth stellt in „Nature Chemistry“ eine möglicherweise bahnbrechende Entdeckung für die Stickstoffchemie vor: Erstmals ist es gelungen, eine Verbindung zu synthetisieren, die aromatische Ringe aus Stickstoffatomen enthält. Die Verbindung aus Stickstoff und Kalium wurde unter extrem hohen Drücken und Temperaturen hergestellt. Sie hat eine sehr komplexe Struktur, aber ihr Hauptbaustein ist ein Ring aus sechs Stickstoffatomen, der wegen seiner negativen Ladung als Hexazin-Anion bezeichnet wird. Die Anordnung der Stickstoffatome im Hexazin-Anion ähnelt der Anordnung der Kohlenstoffatome in Benzol, einer aromatischen Verbindung, die in der Natur allgegenwärtig ist.

Links: der aromatische [N₆]⁴⁻-Hexazinring. Rechts: die Kristallstruktur der Verbindung K₉N₅₆. © Dominique Laniel

Links: der aromatische [N₆]⁴⁻-Hexazinring. Rechts: die Kristallstruktur der Verbindung K₉N₅₆. © Dominique Laniel

Obwohl sich der Begriff „aromatisch“ ursprünglich auf den Geruch bezog, wird er heute in der Chemie nur noch für Verbindungen verwendet, die besondere elektronische, strukturelle oder chemische Eigenschaften aufweisen. Die einzigartige Stabilität dieser Verbindungen wird als Aromatizität bezeichnet. Aromatische Verbindungen spielen eine wichtige Rolle in der Chemie und Biologie sowie in zahlreichen Industriezweigen. Anfangs dachte man, dass nur Kohlenstoffringe aromatisch sind, aber inzwischen hat sich gezeigt, dass Ringe, die neben Kohlenstoffatomen auch andere Atome enthalten, und sogar Ringe, die aus anderen Atomen als Kohlenstoff bestehen, aromatisch sein können. Die Aromatizität von Stickstoff-Verbindungen beschränkte sich jedoch bisher auf das [N₅]⁻-Pentazolat-Anion.

Einer internationalen Kooperation, an der das Laboratorium für Kristallographie und das Bayerische Geoinstitut der Universität Bayreuth beteiligt waren, ist jetzt der Durchbruch zu neuen aromatischen Stickstoff-Verbindungen gelungen. Unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen wurde die Komplexverbindung K₉N₅₆ synthetisiert, die [N₆]⁴⁻-Hexazinringe enthält. Die Struktur von K₉N₅₆ besteht aus einer komplexen Anordnung von [N₆]⁴⁻- und [N₅]⁻-Ringen sowie neutralen Stickstoffdimeren. Die Forscher fanden heraus, dass die Struktur des [N₆]⁴⁻-Hexazinrings der nach dem Physikochemiker Erich Hückel benannten Regel für die Aromatizität chemischer Verbindungen entspricht: Die Verbindung ist zyklisch, sie ist planar – weil die sechs Stickstoffatome sich in derselben Ebene befinden -, und sie hat (4n + 2) π-Elektronen (10π-System).

„Dies ist das erste Mal, dass ein aus sechs Stickstoffatomen bestehender Ring synthetisiert wurde, der mit Hückels Regel für Aromatizität übereinstimmt. Für den aromatischen Charakter dieser Verbindung sprechen außerdem Berechnungen der elektronischen Ladungsdichte und Überlegungen zur Bindungslänge. Der neu synthetisierte [N₆]⁴⁻-Hexazinring hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit Benzol, der aromatischen Kohlenstoffverbindung, die in der Natur allgegenwärtig ist“, sagt Prof. Dr. Dr. h.c. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie. „Unsere Studie liefert ein eindrucksvolles Beispiel für eine Verbindung, die der üblichen Vermutung widerspricht, wonach eine einfache Struktur mit hoher Dichte einhergeht. Wir hoffen, dass die Synthese des aromatischen Hexazin-Anions zusammen mit der des aromatischen [N₅]⁻-Pentazol-Anions weitere Forschungen zur Stickstoffchemie und die Suche nach neuen technologischen Materialien auf Stickstoffbasis anregen wird“, ergänzt Prof. Dr. Dr. h.c. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut.

Die komplexe Verbindung K₉N₅₆ entstand unter ungewöhnlichen Bedingungen: Kaliumazid (KN₃) und molekularer Stickstoff (N₂) wurden bei einem Druck, der mehr als 400.000 Mal höher ist als der Druck der Erdatmosphäre, komprimiert und mit Hochleistungslasern auf 2.000 Grad Celsius erhitzt. Der nächste Schritt bestand darin, die Struktur dieser neuen Verbindung zu entschlüsseln. Hierfür wurden Proben an zwei Teilchenbeschleunigern, der Röntgenquelle PETRA III am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg und der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF-EBS) in Grenoble, einem intensiven Röntgenstrahl ausgesetzt.

„Wir waren sehr überrascht über die Anordnung der Atome in der Verbindung K₉N₅₆. Sie ist von einer Komplexität, die bei Festkörpern, die bei so hohen Drücken hergestellt werden, fast nie beobachtet wird. Wir haben festgestellt, dass sie aus einer sich wiederholenden Anordnung von 520 Atomen besteht: 72 K und 448 N. Obwohl wir sofort sehen konnten, dass die planaren [N₆]⁴⁻-Ringe die Grundvoraussetzungen für Aromatizität erfüllen, haben wir neueste Berechnungsmethoden angewandt, um dies zu überprüfen“, berichtet Dr. Dominique Laniel von der Universität Edinburgh, Erstautor der neuen Studie.

Die erforderlichen rechnerischen Analysen wurden von Dr. Florian Trybel und seinen Mitarbeitern an der Universität Linköping durchgeführt. Die Berechnungen bestätigten die Stabilität von K₉N₅₆ und lieferten weitere Erkenntnisse zur Aromatizität des [N₆]⁴⁻-Hexazinrings.

Veröffentlichung:

Dominique Laniel et al.: Aromatic hexazine [N₆]⁴⁻ anion featured in complex structure of the high-pressure potassium nitrogen compound K₉N₅₆. Nature Chemistry (2023), WWW: https://www.nature.com/articles/s41557-023-01148-7 DOI: https://doi.org/10.1038/s41557-023-01148-7