Jens Haertel ist neuer Bereichsleiter Forsten am AELF Coburg-Kulmbach
Nach der Bestellung von Dr. Michael Schmidt als Behördenleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Bayreuth-Münchberg ist Jens Haertel seit 1. Januar 2023 neuer Bereichsleiter Forsten am AELF Coburg-Kulmbach. Zunächst war Herr Haertel von der Bayerischen Forstverwaltung an die Europäische Kommission (Generaldirektion Landwirtschaft) abgeordnet, bevor er seit Mai 2020 am Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Bonn vor allem waldrelevante Themen im internationalen und europäischen Kontext begleitete. Vor seiner Tätigkeit außerhalb Bayerns war er von 2018 bis 2019 als Abteilungsleiter Forsten am AELF Schwandorf tätig.
Herr Haertel, Sie kommen gebürtig aus Berlin. Wie passt das zusammen, die größte deutsche Stadt und der Beruf Förster?
Die Frage nach dieser Verbindung kommt tatsächlich öfter. Dabei ist der Zusammenhang sehr ausgeprägt: Berlin ist einer der größten kommunalen Waldbesitzer weltweit mit rund 30.000 Hektar Wald und einer eigenen Forstverwaltung mit vier Forstämtern. Bei über 3,6 Millionen Einwohnern ist man hier als Förster vor allem auch als Vermittler gefragt, weil sich viele Interessengruppen um den Wald bemühen.
Auch bei uns in der Region ist der Wald von großem öffentlichen Interesse. Wie sehen Sie die Rolle des Försters in diesem Zusammenhang?
Die Bedeutung des Waldes ist hier in der Region allgegenwertig. Dabei ist für mich vor allem die ausgeprägte generationsübergreifende Verbindung zwischen Wald und Gesellschaft im Amtsgebiet hervorzuheben. Aus diesem Grund sind die erheblichen Folgen des Klimawandels auf die Wälder der Region besonders schwerwiegend. Die Försterinnen und Förster leisten wesentliche Beiträge und Unterstützung, um zusammen mit den Waldbesitzenden den Waldschutz, die Waldpflege, den Waldumbau und somit zukunftsfähige und multifunktionale „Zukunftswälder“ für die Region sicherzustellen.
Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, Förster zu werden?
Im Gegensatz zu vielen Kolleginnen und Kollegen bei denen der Berufsweg Försterin und Förster zu werden, aufgrund des familiären Umfeldes schon früh feststand, war aus heutiger Sicht mein grundlegendes Interesse an einem naturnahen, abwechslungsreichen und zukunftsfähigen Berufsbild ausschlaggebend. Somit habe ich mich im Anschluss des Grundwehrdiensts dank praktischer Einblicke bei den Berliner Forsten dazu entschieden, ein klassisches forstwirtschaftliches Studium in Thüringen zu absolvieren. Schon damals hatte ich Berührungspunkte mit Franken, da ich sehr gern regelmäßig Kommilitonen in Unter- und Oberfranken besuchte. Während des Studiums in Thüringen habe ich mich neben den traditionellen forstwirtschaftlichen Themen frühzeitig für überregionale und auch internationale waldbezogene Themen interessiert.
Hieraus resultierte eine sehr spannende und prägende Auslandszeit in verschiedenen Ländern sowie in einem weiterführenden Studium in Kanada. Im Anschluss habe ich dann in Freiburg im Breisgau einen forstwissenschaftlichen Abschluss erlangt, wobei ich in dieser Zeit aufgrund meiner Abschlussarbeit in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten wieder sehr regelmäßig im Freistaat Bayern forstlich tätig war.
Und dann hatten Sie die Wahl: Orientieren Sie sich wieder eher international oder gehen Sie in den klassischen deutschen forstlichen Bereich?
Genau und ich entschied mich für das forstliche Referendariat in Bayern. Einerseits weil ich mich auf die sehr gute weiterführende und praxisorientierte Ausbildung aufbauend zum Studium freute. Andererseits weil ich neugierig war, die Vielfalt bayerischer Wälder von den Tiefen der Donauauen bis in die Höhenlagen der alpinen Bergwälder vertiefend kennenzulernen. Während dieser zweijährigen Referendariatszeit war ich vor allem in der bayerischen Rhön, im Spessart, und im Chiemgau tätig.
Im Anschluss des Staatsexamens durfte ich den Oberpfälzer Wald und das Oberpfälzer Hügelland beruflich kennen lernen, bevor ich dann auch im Rahmen der Bayerischen Forstverwaltung internationale Themen mitbegleiten durfte.
Welche Themen waren dies und wo waren Sie dann tätig?
Zunächst war ich im „Herzen Europas“ also in Brüssel bei der Europäischen Kommission tätig. In dieser Zeit war es sehr spannend mitzuverfolgen, inwieweit sich vielfältige Themen auch mit Waldbezug auf Ebene der Europäischen Union weiterentwickelten. Auch der Kontakt zu Bundesministerien, v.a. dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), vertiefte sich in dieser Zeit, sodass ich mich im Anschluss am BMEL für mehrere Jahre im Bereich internationale und europäische Waldpolitik aktiv einbringen durfte. Vor allem der grenzüberschreitende Erfahrungs- und Wissensaustausch zur Vermeidung von Waldschäden wie Borkenkäfern sowie die Anpassung der Wälder an den Klimawandel war hier eine meiner zentralen Tätigkeiten.
Das ist ja gerade auch im Frankenwald ein sehr aktuelles Arbeitsfeld.
Ja, im Frankenwald wie auch im Raum Coburg und Lichtenfels. Hier kann der europäische Austausch sehr hilfreich sein. Lassen Sie mich folgendes Beispiel anbringen: In unserem Nachbarland Tschechien vermehren sich Borkenkäfer seit 2015 in einem bislang noch nicht bekannten Ausmaß. Seit vielen Jahren arbeiten daher unsere Nachbarn daran, wie der Borkenkäferbefall verringert werden kann und mit welchen Techniken die großen Freiflächen wiederbewaldet werden können. Also Herausforderungen, die auch in unserer Region eine zentrale Rolle spielen. Da in Tschechien die rasante Borkenkäferentwicklung ca. 3 Jahre vor den erheblichen Kalamitäten im Frankenwald begonnen hat und zum Teil vergleichbare Rahmenbedingen existieren, birgt der Erfahrungsaustausch viel Potenzial; denn der Klimawandel kennt keine Ländergrenzen.
Können Sie konkrete Beispiele für den genannten Erfahrungsaustausch benennen?
Viele Waldflächen im Frankenwald sind in wenigen Jahren so erheblich vom Buchdrucker und Kupferstecher befallen worden, dass viele Waldbesitzer gezwungen waren, große Mengen Schadholz in kürzester Zeit aufzuarbeiten. Hiermit einher gehen vielfältige Fragestellungen, die auch in Tschechien einschlägig sind und waren. Zum Beispiel:
* Wie können befallene Fichten früh und effizient erkannt und aus dem Wald transportiert werden, bevor neue zahlreichere Käfergenerationen ausfliegen?
* Wie können leistungsfähige Transportketten und Forstwege aufrechterhalten werden, um erhebliche Mengen an Schadholz in kürzester Zeit abzutransportieren?
* Wie können forstliche Unternehmer und Arbeitskräfte akquiriert und bestmöglich eingesetzt werden, wenn sehr große Regionen gleichzeitig schlagkräftige Arbeitskräfte bedürfen?
* Wie können die entstandenen Kahlflächen – welche widrigste Bedingungen für Waldverjüngung aufweisen – effizient und klimaangepasst wieder aufgeforstet werden?
Diese Beispiele sind nicht abschließend, verdeutlichen allerdings, dass gemeinsame Herausforderungen am besten gemeinsam gelöst werden können.
Was ist Ihnen im Kontakt mit den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern wichtig?
Insbesondere im Kontext der vorherigen Ausführungen ist die weitere vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit und zwischen den Waldbesitzenden und Waldbesitzervereinigungen unersetzlich. Der gute Austausch hier in der Region zwischen Privatwald und Kommunalwald mitsamt ihren Zusammenschlüssen sowie den Staatsforsten und weiteren Partnern ist ein Grund dafür, dass die enormen Herausforderungen der vergangenen Jahre so schlagkräftig bewältigt werden konnten. Dieses vertrauensvolle Verhältnis zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen am Amt weiter zu pflegen und zu stärken ist eine wichtige und zielstiftende Aufgabe, der ich mich mit sehr großem Engagement widmen werde; für die Wälder und Waldbesitzenden der Region.
Nun sind Sie in der Genussregion Oberfranken angekommen – worauf freuen Sie sich besonders?
Da muss ich zunächst wieder beim Wald anfangen. Der Frankenwald war 2017 Waldgebiet des Jahres, ausgerufen vom Bund Deutscher Forstleute, unter dem Slogan „Der Frankenwald verbindet“. Diesen Slogan kann ich für den Frankenwald sowie für das gesamte Amtsgebiet meinen ersten Wochen nur ausdrücklich bestätigen.
Einerseits verbindet die Region Bayern und Thüringen und somit auch einen Aspekt meiner persönlichen Geschichte. Andererseits werden Vergangenheit und Zukunft miteinander verbunden: Der Frankenwald wird künftig anders aussehen als früher – aber genau das macht es gerade spannend, und es macht sehr viel Freude, ein Teil dieser Zukunft im Rahmen unseres Teams am Amt mitzugestalten.
Auch auf die Genussregion Oberfranken freue ich mich sehr: Meine Büronachbarin bei der Europäischen Kommission war zuständig für sogenannte „Geschützte geografische Angaben“ (g.g.A.). Das Kulmbacher Bier ist als „Bayerisches Bier“ als g.g.A. geschützt und darf somit nur aus bayerischen Sudkesseln stammen sowie nach dem Bayerischen Reinheitsgebot gebraut werden. Die Genussregion Oberfranken weist im Allgemeinen viele traditionelle Produkte auf. Das zeigt, dass hier eine hohe Wertschätzung für lokale und nachhaltige Produkte existiert. Da ich passionierter Jäger und Fliegenfischer bin, freue ich mich schon auf Wild und Fisch aus der Region. Die oberfränkische Freude daran, regionale Produkte zu genießen, kann ich mit sehr viel Sympathie begleiten. Das Schönste ist es doch, wenn man abends ein Stück Wild oder ähnliches genießen kann, das man selbst erlegt und zubereitet
hat.
Vielen Dank für das Interview!
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