Lichtenfels: Dem Erbe der Zisterzienser auf der Spur
Heimatforscher Bernhard Christoph taucht in die Geschichte der historischen Wasserbauten des Klosters Langheim ein
Eine Exkursion in die Regionalgeschichte zum Welttag der Gästeführer am 21. Februar
„Die Zisterzienser haben über Jahrhunderte die Kulturlandschaft unserer Region geprägt“: Bernhard Christoph steht auf einer Anhöhe oberhalb von Klosterlangheim, lässt den Blick über die Senke schweifen, um im nächsten Atemzug genauer zu erläutern, welch enormen Einfluss die Mönche des ehemaligen Klosters Langheim in jeglicher Hinsicht hatten. Es ist ein sonnig-kalter Februartag und da die Bäume und Sträucher noch kein Laub haben, hat man eine gute Sicht auf die wenigen noch verbliebenen alten Klostergebäude und Kirchen.
„Hier war die Gärtnerei des Klosters und da hinter uns, der Steinbruch“, erklärt Bernhard Christoph weiter. Der Klosterlangheimer Heimatforscher und Hobbyarchäologe hat sich zum zertifizierten Wanderführer auf dem Zisterzienserweg weitergebildet. Ein Grund, sich zum „Welttag der Gästeführer“ am 21. Februar mit ihm auf den Weg zu machen und in die Klosterzeit Langheims einzutauchen. Ein weiterer ist, dass sich die Region selbst gemeinsam auf den Weg macht, um sich mit dem Projekt „Cisterian landscapes“ für das Europäische Kulturerbe-Siegel (EKS) zu bewerben.
Im Rahmen dessen werden ab heuer Bernhard Christoph und eine weitere zertifizierte Wanderführerin, Libuse Ernst aus Kösten, für die Stadt Lichtenfels und die Tourismusregion Obermain-Jura Themenführungen und Erlebnistouren zum Erbe der Zisterzienser im Landkreis Lichtenfels anbieten, lässt Regionalmanagerin Andrea Musiol von der Tourismusregion Obermain-Jura wissen.
Authentische Erlebnisse
„Gäste möchten vor allem authentische Erlebnisse. Das trifft für Natur und Gastronomie ebenso zu, wie für Informationen“, so Andrea Musiol. „Was kann authentischer sein, als Menschen, die fachkundig sind und Emotionen vermitteln und mit denen man das Gefühl bekommt, etwas Besonderes zu erleben und zu erfahren. Deshalb sind gut ausgebildete Gästeführer, die ihre Exkursionen mit Herz und Verstand unternehmen sehr wichtig.“
„Klosterlangheim beziehungsweise das ehemalige Kloster Langheim war ein ganz zentraler Ort am Obermain“, sagt Bernhard Christoph. Er wohnt mit seiner Familie seit vier Jahrzehnten hier. Sein Arbeitszimmer gleicht einer historischen Bibliothek – Bücher, Aufsätze, Fundstücke von der Steinzeit bis ins Mittelalter. Der Hobbyarchäologe und Heimatforscher hat ein besonderes Faible für historische Verkehrswege. Das rührt sicherlich auch von seinem Beruf her: Bis zu seinem Ruhestand war der 68-jährige Bauingenieur bei der Deutschen Bahn Fachbeauftragter für Tunnel und Erdbauwerke.
So etwas wie die Initialzündung für seine Heimatforscher-Leidenschaft war ein Film, den er in der vierten Klasse in der Schule gesehen hat vom Angriff der Schweden auf eine Stadt. „Das Interesse an der Geschichte hat mich seither nicht mehr losgelassen.“ Bernhard Christoph wollte immer mehr wissen über seine Heimat. In seiner Zeit als Student war er mit seiner Frau Rosi erstmals an Ausgrabungen beteiligt und kam so allmählich zum Fossiliensammeln. Das wurde für beide zur Leidenschaft – ebenso wie die Archäologie. Im Lauf der Jahre wurden sie zu Experten der Siedlungsgeschichte am Obermain. Bernhard Christoph konzipierte die Keltenwege am Obermain entscheidend mit und ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege.
Klar, dass er, nachdem die Familie 1986 nach Klosterlangheim gezogen war, auch die Geschichte des ehemaligen Klosters mit erforschte. Klosterlangheim zählte neben den Klöstern Ebrach, Michaelsberg und Banz zu den einflussreichsten des Hochstifts Bamberg. Während von letzteren die Bausubstanz noch gut erhalten ist, wurden Teile Langheims bei einem Großbrand 1802 zerstört. Nach der Auflösung im Rahmen der Säkularisation wurden viele Gebäude verkauft und teilweise abgerissen, die Steine für den Bau neuer Häuser und Kirchen in der Umgebung verwendet, erläutert Bernhard Christoph.
Einst sieben Kirchen und Kapellen
Erstes Ziel einer Gästeführung mit ihm ist das Heimatmuseum im Schatten des imposanten letzten erhaltenen Trakts des Konventbaus: Hier steht ein Modell, das die Dimension des einstigen Klosters Langheim ein wenig erahnen lässt. Welche Wirtschaftskraft der Orden hatte, zeige auch die Tatsache, dass der Bau der Basilika Vierzehnheiligen aus den laufenden Einnahmen finanziert werden konnte, stellt der Gästeführer heraus. Allein in Kloster Langheim selbst habe es einst sieben Kirchen und Kapellen gegeben. Mit diesem Wissen ausgestattet, lassen sich beim Streifzug durch den Ort viele Relikte aus der Klosterzeit leicht wiederentdecken.
Die Zisterzienser besiedelten von Burgund aus ganz Europa, errichteten Klöster in der Abgeschiedenheit sumpfiger Täler, erklärt Bernhard Christoph. Sie kultivierten die Landschaft und hinterließen Spuren in Glauben, Wissenschaft und Kultur. Europaweit weisen zisterziensische Klosterlandschaften Parallelen auf: Sie zeichnen sich aus durch ausgeklügelten Wasserbau zur Ver- und Entsorgung des Klosters und zur Energiegewinnung, umfangreiche Teichwirtschaft zur Fischversorgung während der Fastenzeiten, Grangien (spezialisierte Wirtschaftshöfe mit entsprechend großen Parzellen für Ackerbau und Viehzucht als ökonomische Basis der Klosterwirtschaft), große Wälder zur Bau- und Brennholzversorgung und Obst-, Wein- und Hopfenanbau.
In Klosterlangheim lasse sich das – obwohl vieles aus dem Ortsbild verschwunden ist – dennoch auch heute noch gut erkennen, so der Heimatforscher weiter beim Rundgang durch das Klosterdorf. So beispielsweise im Wald Richtung Eiserne Hand, wo der Boden durch die ehemaligen Steinbrüche zerklüftet ist, in der Anlage großer Blockfluren oder an den Wirtschaftshöfen. Auch Bildstöcke und Grenzmarkierungen zeugen heute noch davon. Die Zisterzienser betrieben hier zwei Ziegeleien, Bergwerke, Eisenhämmer, bauten eine Chaussee nach Vierzehnheiligen, legten Obstgärten und Fischweiher an, schufen Kanäle, Quellfassungen, Wasserdurchlässe und Brücken.
Mit Gummistiefeln durch die Kanäle
Diese Wasserbauten des Klosters Langheim stehen im Fokus seiner neuen Führungen, die in Zusammenarbeit mit der Stadt Lichtenfels entstanden sind. Die Exkursionen, so seine Idee, sollen etwa zwei bis drei Stunden dauern und sich über zwei bis drei Kilometer rund ums und durchs Dorf erstrecken. Jahrelang hat der Klosterlangheimer die Wasserbauten im Ort erforscht, Schächte und überbaute Gräben persönlich erkundet: „Man kann nicht immer aufrecht gehen. Und Gummistiefel sind von Vorteil“, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen, als er die Abdeckung eines Schachts im Ökonomiehof öffnet und mit einer Taschenlampe kurz hineinleuchtet.
Die Zisterzienser entwickelten in Klosterlangheim im Lauf der Jahrhunderte ein ausgeklügeltes System, um die Wasserkraft zum Antrieb dreier Mühlen zu nutzen und die Klosteranlage durch Kanäle wie vom Studentenweiher in den Tempelsgraben und die Schaffung von Teichen vor Hochwasser schützen. Die Weiher wiederum nutzten sie zur Fischzucht, informiert Christoph, so wie auch heute noch von privater Seite.
Gerne führt der Klosterlangheimer auch zu einem besonders schönen Relikt aus der Klosterzeit: die zweibogige Steinbrücke über die Leuchse an der Chaussee nach Vierzehnheiligen. Unweit davon findet sich eine weitere Besonderheit, erklärt der Heimatfortscher: durch eine Sperre konnte die Leuchse am Zusammenfluss mit dem Tempelsgraben am Ortsausgang Richtung Mistelfeld bei Bedarf umgeleitet und zur Wiesenbewässerung genutzt werden.
Die gesamte Geschichte des Klosters sei viel zu umfassend für eine einzige Führung, weiß Bernhard Christoph. Viel spannender sei es, im Rahmen von Themenführungen einzelne Aspekte der Zisterzienser-Kultur zu beleuchten. Bei den neuen Themenführungen soll die Kulturlandschaft der Zisterzienser erlebbar werden, unterstreicht Bernhard Christoph.
Für ihn als Insider ein Leichtes – und als Klosterlangheimer weiß er auch noch die ein oder andere Anekdote zu erzählen, was den Rundgang noch kurzweiliger macht. Im ehemaligen Ökonomiehof verweist der Heimatforscher darauf, wie problematisch dessen Lage bei Hochwasser einst war und dass hier rundum drei Mühlen angesiedelt waren, die alle aufgehoben sind, wenngleich die Gebäude noch bestehen: die Ochsen-, die Schneid- und die Mahlmühle.
Zisterzienser als Wegbereiter des Fortschritts
Die Zisterzienser seien in vielerlei Hinsicht Wegbereiter des Fortschritts und neuen Dingen gegenüber sehr aufgeschlossen gewesen, hebt Bernhard Christoph hervor. Und beim Blick auf die Photovoltaikanlage auf einem nahegelegenen Feld meint er: „Ich bin mir sicher, der Abt wäre einer der ersten gewesen, der solch eine Solaranlage hätte installieren lassen.“
Insofern wäre es spannend zu wissen, wie die Entwicklung weiterverlaufen wäre, wären die Klöster nicht säkularisiert worden, fragt sich vielleicht nicht nur der Heimatforscher.
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