Lichtenfels: 60. Todestag Dr. Max Jüngling

v.l. Prof. Dr. Günter Dippold, Angelika Rottammer, Dr. Elisabeth Jüngling, Landrat Christian Meißner am Grab von Dr. Max Jüngling am Lichtenfelser Friedhof. Foto: (Landratsamt Lichtenfels/Andreas Grosch)
v.l. Prof. Dr. Günter Dippold, Angelika Rottammer, Dr. Elisabeth Jüngling, Landrat Christian Meißner am Grab von Dr. Max Jüngling am Lichtenfelser Friedhof.Foto: (Landratsamt Lichtenfels/Andreas Grosch)

Landrat Christian Meißner und Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold erinnern im Beisein der beiden Töchter von Dr. Max Jüngling an den ehemaligen Landrat und MdL.

Es gehört zur guten Tradition des Landkreises Lichtenfels, seinen verstorbenen Landräten stets ein ehrendes Andenken zu bewahren. Aus diesem Grund hat Herr Landrat Christian Meißner am 14.02.2023, am 60. Todestag von Dr. Max Jüngling, ein Bouquet am Grab niedergelegt. Bezirksheimatspfleger Professor Dr. Günther Dippold hat im Beisein der beiden noch lebenden Töchter am Grab von Landrat und MdL Dr. Max Jüngling auf dem Lichtenfels Friedhof das politische Leben des ersten gewählten Landrats des Landkreises Lichtenfels nach dem 2. Weltkrieg gewürdigt:

 

„Heute auf den Tag vor 60 Jahren, am Morgen, starb in seinem Münchner Quartier der Lichtenfelser Landrat und Landtagsabgeordnete Dr. Max Jüngling. Seiner gedenken wir heute.

Max Jüngling starb im 60. Lebensjahr. Im Mai 1903 in Lichtenfels geboren, studierte er Rechtswissenschaften in München, Berlin und Würzburg, wo er 1927 mit einer Arbeit über „Die katholischen Kirchenämter nach dem geltenden Bayerischen Staatskirchenrecht“, ein aktuelles Sujet: Bayern hatte erst drei Jahre zuvor ein neues Konkordat mit dem Hl. Stuhl geschlossen. Auch für den überzeugten Katholiken war es wohl das rechte Thema.

Nach dem Referendariat wäre Max Jüngling gern in den Staatsdienst eingetreten, doch der Bedarf war gering. Dem wenige Jahre älteren Thomas Dehler oder dem aus Hochstadt stammenden Johannes Neder, nach 1945 Chef des hiesigen Amtsgerichts, ging es ebenso. Eine lost generation.

Max Jüngling trat in die väterliche Anwaltskanzlei ein. Der Vater, Justizrat Alois Jüngling, der ihn überleben sollte, war einer der Köpfe der BVP in Lichtenfels, und auch der Sohn und Kollege war Anhänger der katholischen Milieupartei. Dies setzte die Partei nach 1933 dem Argwohn der NSDAP aus, deren Kreisleitung schräg gegenüber in der Kronacher Straße stand.

Die formale Mitgliedschaft von Max Jüngling in der NSV und im NS-Rechtswahrerbund war ein Kompromiss, den zu verweigern wohl das Aus für die Kanzlei bedeutet hätte. Zu einem Mitgliedantrag in der Partei verstand sich Max Jüngling erst spät, als seine Einberufung bevorstand; vollzogen wurde der Beitritt nie. So galt er nach dem Ende des Regimes zu Recht als unbelastet.

Als Soldat war er in Belgien und beim Überfall auf die Sowjetunion eingesetzt. Er wurde verwundet und diente in der Folge als Offizier in der Heeresverwaltung. Nach dem Krieg war er sieben Monate in alliierter Gefangenschaft, bis er, nicht zuletzt wegen „Herzschadens“, entlassen wurde. Daheim in Lichtenfels, stellte ihn Landrat Herbert von Bismarck am 4. Februar 1946 als juristischen Mitarbeiter ein. Ganze zehn Tage darauf, heute vor 77 Jahren, setzte die amerikanische Militärregierung Bismarck, einst Staatssekretär im preußischen Innenministerium, ab und Jüngling als seinen Nachfolger ein. Bezeichnend, dass er sein Amt um 17 Uhr antrat.

Jüngling aber wollte entweder wieder als Rechtsanwalt arbeiten oder in den Justizdienst treten. So bedang er sich aus, das Amt des Landrats solle für ihn eine „Zwischenlösung“ sein, „bis ein ständiger Landrat bestimmt ist“. Der schien im August 1946 gefunden, doch nahm der vom Kreistag Gewählte das Amt nicht an. So ließ sich Max Jüngling wieder in die Pflicht nehmen. Am 23. September 1946 wählte ihn der Kreistag zum Landrat, und in der Direktwahl durch das Volk wurde er 1948, 1952 und 1958 wiedergewählt.

Landrat sein, das hieß in den späten 40er und selbst noch zu Beginn der 50er Jahre: den Mangel verwalten. Denn bei den unterschiedlichsten Gütern herrschte Unterversorgung, und die Dörfer und Städte waren voller Heimatvertriebener. Im Landkreis lebten einer Statistik von 1950 zufolge 57 000 Menschen, 45 Prozent mehr als vor dem Krieg. Von den 57 000 waren 41 500 Einheimische, 13 000 Flüchtlinge, 2300 Evakuierte und 200 Ausländer.

Unermüdlich arbeitete Jüngling, stand Hilfesuchenden auch am Abend und selbst am späten Sonntagvormittag, nach dem Gottesdienst, zur Verfügung – und er erwartete dies auch von seinen Mitarbeitern.

1951 starb überraschend der Lichtenfelser Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Dr. Julian Wittmann. Der Jurist, aus der Oberpfalz stammend, hatte lange als Syndikus in der Burgkunstadter Schuhindustrie gearbeitet; dort wohnte er auch als Lichtenfelser Stadtoberhaupt.

Bis 1952 rückte, wenn ein Stimmkreis-Abgeordneter starb, kein Listenkandidat nach. Vielmehr fand eine Nachwahl im Stimmkreis statt. Dieser Lichtenfelser Wahl von 1951 kam besondere Bedeutung zu. Denn die meisten Stimmen bei der Landtagswahl von 1950 hatte die SPD erhalten, die allerdings ein Mandat weniger als die CSU erlangt hatte. Nun bestand durch Wittmanns Tod ein Patt. Lichtenfels entschied also darüber, wer stärkste Landtagsfraktion wurde.

Für die Lichtenfelser CSU, für die CSU überhaupt kam da, nach internem Ringen, nur ein Bewerber in Frage, nämlich der über Parteigrenzen hinweg angesehene Max Jüngling. Wieder ließ er sich in die Pflicht nehmen. Er kandidierte und gewann klar.

Als Landrat im Parlament war Jüngling durchaus keine Ausnahme. Prominente Kollegen waren etwa Bruno Merk von Günzburg oder Helmut Rothemund von Rehau. Erst seit 1970 sind Landratstätigkeit und Mandat unvereinbar.

Auch als Abgeordneter wurde Jüngling bei den folgenden Wahlen 1954, 1958 und 1962 bestätigt. Im Landtag gehörte er, naheliegend, dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen an.

Es ist bezeichnend für den Charakter eines Max Jüngling, dass er 1958 beim Kreistag beantragte (wie 1948 schon einmal), sein Gehalt als Landrat zu kürzen. Er bekomme immerhin auch Diäten. Und er bestand darauf, eine Zahlung an den Landkreis zu leisten, weil er doch für seine Abgeordnetenaufgaben kreiseigene Schreibmaschinen nutze.

Jüngling war Landrat und Parlamentarier rund um die Uhr, wie schon angesprochen. Wenn er aus München heimkam, so wird berichtet, habe sein erster Weg vom Bahnhof, am eigenen Haus vorbei, zum Landratsamt geführt. Meine Mutter, Jahrgang 1929, hat mir so manches Mal von der respektgebietenden Gestalt mit Aktentasche auf dem Weg ins Amt erzählt, und als Schneyerin hat sie es immer geschätzt, wie gut Jüngling mit seinem Parlamentskollegen und Landrats-Stellvertreter Nikolaus Stamm zusammengearbeitet habe. Es war wohl die Zeit, als Parteien klares Profil hatten, aber echte Persönlichkeiten gerade deshalb, nicht aufgrund von Gleichmacherei, über Parteigrenzen hinweg zusammenfanden.

Es ist nicht die Zeit, die Leistungen des Landrats und des Abgeordneten Jüngling zu würdigen. Aber erwähnen will ich schon, wenn ich als Historiker, als Bezirksheimatpfleger, als CHW-Vorsitzender hier stehe, wie stark sich der Jurist Jüngling eingesetzt hat für das historische Erbe. Als Landrat nahm er sich die Zeit, von 1949 bis 1953 die Lichtenfelser Gruppe des CHW zu leiten. Als Abgeordneter kämpfte er gegen „überhandnehmende Außenwerbung und störende Reklame“ und wollte Denkmalpflege durch vergünstigte Darlehen gefördert wissen. Der junge Kunsthistoriker Tilmann Breuer erarbeitete Anfang der 60er ein Denkmalinventar für den Landkreis Lichtenfels; als es 1962 erschien, bedankte sich der Generalkonservator im Vorwort ausdrücklich beim Landrat, „der selbst lebhaften persönlichen Anteil am Fortgang der Arbeiten nahm“ – in anderen Landkreis-Bänden findet man eine solche Formulierung nicht.

Max Jüngling – ein Mann mit Haltung, voller Einsatzbereitschaft, und das Lichtenfelser Tagblatt traf im Nachruf wohl den Punkt: „Aufopferung und Pflichterfüllung haben sein Leben geprägt“.

Warum nach Max Jüngling nicht längst eine Straße heißt, weiß ich nicht. Es wäre überfällig.“ Zitat Prof. Dr. Günter Dippold.

 

Landrat Christian Meißner fügte noch hinzu: „Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, was es seinerzeit bedeutete, all die Menschen unterzubringen, zu versorgen und all die Aufgaben zu erfüllen, die dazu nötig waren. Auch wenn wir heute im Landkreis 700 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen und weitere 700 Asylbewerber untergebracht haben, ist dies im Vergleich zur Situation, die nach 1945 herrschte, ein Luxusproblem. Wenn man sich vor Augen führt, wie wichtig die Wahl von Dr. Jüngling in den Bayerischen Landtag für die CSU war, bin ich als Lichtenfelser Landrat schon stolz darauf, dass von den Bürgerinnen und Bürgern des Landkreis Lichtenfels durch die Wahl von Dr. Max Jüngling auch eine wichtige Weichenstellung für die Landespolitik nach dem Krieg ausging.“

 

Die beiden Töchter von Dr. Max Jüngling, Dr. Elisabeth Jüngling und Angelika Rottammer, bedankten sich bei Landrat Christian Meißner für das Gedenken an ihren Vater und bei Bezirksheimatpfleger, Prof. Dr. Günter Dippold, für die Würdigung und den hochinteressanten Rückblick auf das politische Leben ihres Vaters.