Tourismus in der Fränkischen Schweiz, Folge 4: Die Romantiker kommen
Nachdem die Region durch die vielen mit Fossilien bestückten Höhlen in der Wissenschaftsszene bekannt war, kamen die Romantiker: vermögende Reisende, Schriftsteller, Maler, Zeichner und Studenten – auf der Suche nach dem Mittelalter.
Dem Landschaftsarchitekten Fürst Pückler, ist schon 1835 bei einem Besuch der Gegend aufgefallen: „Ich weiß nicht, warum man, wenn man von der hiesigen Gegend spricht, nur immer die Höhlen erwähnt, da doch diese mir weit weniger Ruf zu verdienen scheinen, als die weit und breit ihres Gleichen nicht findende, ganz altertümlich romantische Schönheit dieser Täler und besonders die, die auf einem verhältnismäßig geringen Raum fast unbegreiflich zusammengehäufte Menge teils noch erhaltener, teils zerstörter Schlösser und Burgen enthält.“
170 Burgen und Schlösser soll es einst im Mittelalter hier gegeben haben, beteuern Burgenforscher wie Hellmut Kunstmann und Gustav Voit. Es gab sie nicht alle auf einmal aber wenn, dann waren sie meist auf der Höhe eines Tales, das man mit den Waffen einer Burg beherrschen konnte, angesiedelt. Berühmt und noch heute zu besichtigen beispielsweise das einzige erhaltene „Geschwisterpaar“ unter den Burgen der Region: Rabenstein und Rabeneck. Beide hatten den Raben im Wappen und im Namen, weil sie demselben Herrn gehörten und beide hatten die gleiche Aufgabe: das Wiesent- beziehungsweise das Ahorntal als Grenzposten zu überwachen und zu sichern. Im 18. Jahrhundert gab es keine großen Kriege mehr, der 30 Jahre andauernde Schwedeneinfall war lange vorbei, wehrhafte Burgen baute man in wohnhafte Schlösser um (wie Schloss Greifenstein) und damit kam die Romantik in Form der Lyrik und bildenden Kunst ins Spiel; denn sie suchte Erfüllung unter anderem in der Verklärung des Mittelalters als märchenhaften Ort. Neben den beiden „Romantikern“ Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck durchstreiften Maler, Zeichner und Lithografen wie Carl Rotbart, Domenico Quaglio und Theodor Käppel auf der Suche nach „romantischen Ansichten“ die Region. Sie hatten (im Gegensatz zu Ludwig Richter, der sehr genau hinschaute und zeichnete) die Angewohnheit, Motive in der Weise zu „verfremden“, dass sie den Ansprüchen einer magischen, mystischen und übernatürlichen Welt gerecht wurden. Felsen zeichneten sie dramatisch überhöht, ja sie wuchsen förmlich in den Himmel. Burgen und Schlösser dominierten in Orten die Szene und taten ein Übriges, märchenhaft auf den Betrachter zu wirken. Tieck beschrieb seine Ansicht der Romantik in einem Brief an seinen Freund Bernhardi, 1793: „Sie kennen meine Vorliebe für das romantische Mittelalter; solche Ruinen sind immer äußerst ehrwürdig, für die Phantasie hat das Mittelalter sehr viel Anziehendes und der Verstand findet es immer kräftiger und vorzüglicher als unser schales Jahrhundert.“
Ludwig Tieck, „der König der Romantik“ und sein Studienkollege Heinrich Wackenroder, durchritten 1793 als Studenten der Erlanger Friedrich-Alexander-Universität die Fränkische Schweiz und beschrieben in zahlreichen Briefen ihre Erlebnisse und Eindrücke, die später unter dem Begriff der „Pfingstreise“, als “Schlüsselwerk der Frühromantik“ in die Literaturgeschichte einging. Wackenroder berichtete beispielsweise ziemlich sachlich: „Um Streitberg ist eine der schönsten Landschaften, die wir auf der ganzen Reise gesehen haben. Das Dorf liegt am Eingang eines Tales, das sich in mäßiger Breite zwischen bewaldeten Felsen, aus denen aber viele nackte Blöcke und Pfeiler hervorragen, in manchen Krümmungen durchwindet. Durch das Tal schlängelt sich die Wiesent, von kleinen Büschen eingefasst und von frischen Wiesen umgeben.“ Tieck, der Wackenroder ja begleitete, legte noch eine verklärte Note drauf und vertraute seinem Tagebuch an: „Hinter Ebermannstadt reitet man immer durch ein äußerst romantisches Tal, durch das sich die Wiesent in vielen Krümmungen schlängelt. Zu beiden Seiten hat man ziemlich hohe Berge, geradeaus ebenfalls Berge vor sich. Ich habe noch wenig so schöne Tage als diesen genossen; es ist eine Gegend, die zu tausend Schwärmereien einladet, etwas düster Melancholisches und dabei doch so überaus freundlich. Oh, die Natur ist doch an Schönheit unerschöpflich! Hier nur ist der wahre Genuss, eine schöne Gegend veredelt den Menschen, eine schlechte macht ihn kleinlaut und scheu, die erhabene stimmt ihn erhaben.“
200 Jahre später, im Jahr 1993 feierte der Gebietsausschuss Fränkische Schweiz mit großem Aufwand das „Romantikerjahr“ in Erinnerung an den Besuch der beiden Studenten Wackenroder und Tieck im Jahre 1793. Es gab Ausstellungen mit Zeichnungen von Ludwig Richter in Forchheim, Konzerte und Vorträge in der gesamten Region, einen Wanderführer „5 Tage auf den Spuren der Romantiker“, Denkmäler zur Erinnerung an das Jubiläum in Ebermannstadt, Waischenfeld und Muggendorf, Bücher, Gedenkmünzen und vieles mehr. Der Aufwand hat sich gelohnt, wie man hinterher feststellte: Mit 1,7 Millionen Übernachtungen gab es so viele Gästeübernachtungen wie in keinem Jahr davor oder danach – der Rekord gilt bis heute.
Reinhard Löwisch
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Über den Autor:
Reinhard Löwisch ist ein „Reisender wie er im Buch steht“. Als gelernter Zugbegleiter arbeitete er 14 Jahre am Hauptbahnhof Nürnberg und lernte dabei ganz Deutschland kennen. Von August 1992 bis Juli 2020 war er Mitarbeiter der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz. In den 28 Jahren seiner Dienstzeit, bekam er den Tourismus in der Region “hautnah“ mit und war bei allen Aktionen und Projekten ganz vorne mit dabei. Dabei hat er eine Menge an Erfahrungen gesammelt und seine Liebe zur Heimatkunde tat ein Übriges, um daraus die richtigen Schlüsse und Verknüpfungen zu ziehen. Dazwischen verbrachte der Autor vier Jahre als „Rucksacktourist“ in den USA und Südostasien. Alles zusammengenommen ein reicher Wissensschatz den er über Jahrzehnte angesammelt hat. Seine Erfahrungen in der Heimat hat er nun in einem Buch zusammengefasst, woraus wir in den folgenden Wochen einige Themen vorstellen werden.
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