Aus der Eckentaler Leserpost: „Was läuft in unseren Kitas falsch?“

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Was läuft in Bayern falsch? In anderen Bundesländern klappt es doch auch.

Seit mehreren Jahren kämpfe ich für die Kleinsten der Nation. Für die Krippen- und Kindergartenkinder. Vergeblich. Ich schreibe Briefe an den Bundestag und ans bayerische Ministerium. Bisher bekam ich zwar eine Antwort, aber klar, die hat niemand geschrieben, der jemals im Kindergarten gearbeitet hat. Auf meine letzten Briefe kam nichts mehr. Vielleicht waren die ersten Zeilen zu direkt und man hatte keine Lust weiter zu lesen? Ich weiß es nicht. Kinder scheinen nicht mehr wichtig zu sein und dennoch gibt’s so viele, wie seit Jahren nicht mehr. Wenn ich überlege, dass 1997 kaum Stellen in KiTas ausgeschrieben wurden, dagegen explodiert die Jobbörse in den letzten Jahren. Stellen ohne Ende – jede zweite Einrichtung sucht nach gutem Personal. Die Stellen sind da, aber es gibt kaum noch jemand, der freiwillig für bestimmte Träger arbeiten will, weil es eben auch Unterschiede gibt.

Die Anforderungen werden seit Jahren immer mehr, der Lohn bleibt fast gleich. Ja, in den letzten 21 Jahren hat sich am Gehalt einiges getan, aber eben auch die Anforderungen werden mehr und die Kinderzahl in den Gruppen. Man denkt, dass man in 21 Jahren Krippen- und Kindergartenerfahrung so ziemlich alles erlebt hat, aber es kommt immer noch einer und setzt einen oben drauf. Während in anderen Bundesländern, Baden-Württemberg zum Beispiel, der Personalschlüssel deutlich besser ist, wird in Bayern nur ans Geld gedacht. Fast nahezu jede Kita-Konzeption beginnt mit den Worten „Das Kind im Mittelpunkt“. Ich stelle mir die Frage: Ist das tatsächlich so? Ich kann mir aufgrund meiner Berufserfahrung auch selbst die Antwort geben: In Bayern leider nicht. Es geht schlicht und einfach nur ums Geld. Je mehr Kinder aufgenommen werden, desto voller die Kassen. Ob die Unter-Drei-Jährigen dann eine bessere Betreuung in Kindergartengruppen haben, ist egal. Hauptsache die Kassen sind voll.

Aktuell habe ich in Eckental bei Nürnberg eine Kindergartengruppe mit 26 Kindern, ab März kommt das 27. Kind dazu. In dieser Gruppe befinden sich einige Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, 8 Wickelkinder, dementsprechend auch Kinder unter drei Jahren, ein Kind, das kaum die deutsche Sprache versteht. Der Vorkurs Deutsch vor dem Vorschulalter sei nicht so wichtig für die Kinder, wichtiger ist, dass die Kinder einen KiTa-Platz haben, so die Kommune. Zumal es aktuell keine freien Plätze für den Vorkurs Deutsch gibt. Was soll das? Wenn ich als Kind in ein fremdes Land komme, ist es wichtig, die Sprache zu verstehen, die dort gesprochen wird, egal wie alt das Kind ist.

Im Übrigen zahlen die Eltern, deren Kinder unter drei Jahren alt sind und schon die Kindergartengruppe besuchen, einen höheren Beitrag. Im Normalfall wird das so geregelt, dass sich dies in der Gruppengröße bemerkbar machen sollte. 1 U3-Kind hat somit einen höheren Betreuungsaufwand und die pädagogischen Fachkräfte sind mehr, bzw. es gibt weniger Kinder in der Gruppe. Auch ein Migrantenkind hat einen höheren Betreuungsschlüssel. Allerdings ist in unserer Kita nichts davon bemerkbar. Trotz alle dem sind es 27 Kinder in der Gruppe. Viel zu viele für diese Raumgröße. 2qm pro Kindergartenkind ist angemessen, schreibt die bayerische Regierung vor. Aber bei uns stehen noch Tische im Gruppenraum, damit alle Kinder frühstücken und Mittagessen können. Den Architekten, der das Haus vor gar nicht allzu langer Zeit geplant hat, würde ich gerne mal kennen lernen. Keine Mensa / kein Bistro? Wenn ich heutzutage eine Kita baue, sollte eine Mensa die Voraussetzung sein, damit die Kinder den Platz in der Gruppe zum kreativen Spielen nutzen können und nicht dass der Gruppenraum mit Tischen vollgestellt ist, damit 27 Kinder Platz zum Essen haben. Ich mache jetzt mal einen Vergleich, der zwar nicht ganz so korrekt ist, aber sind wir mal ehrlich: Wären die Kinder Hühner oder Schweine, wäre das Amt da und es gäbe drei Möglichkeiten: Größeren Raum für die Tiere schaffen, weniger Tiere rein oder eben die Schließung. Aber natürlich ist das bei so vielen Kindern auf so engem Raum kein Thema für Bayern, für die Kommune erst Recht nicht und auch für den Träger kein Problem. Die schaffen das schon.

Für mich stehen schon immer die Kinder an erster Stelle, ich liebe meinen Job, die Kinder mögen mich auch und ich bilde mich stetig weiter. Bayern schreit nach Fachkräften, immer und immer wieder und immer lauter. Ich habe ein Medienpädagogik-Fernstudium erfolgreich mit SEHR GUT absolviert, allerdings zählt das in Bayern nicht. Versteh einer die Logik. Da gibt`s jemand, der sich das Fernstudium selbst finanziert, lernt und somit weiterbildet mit einem superwichtigem Thema, was andere Länder schon längst verfolgen und es wird nicht anerkannt?! Warum? Weil`s Bayern ist und weil Bayern einfach schon immer seine eigene Suppe gekocht hat. Aber dann darf ich auch nicht schreien, dass Fachkräfte fehlen!

Ich habe in meiner Laufbahn schon oft auch alleine in der Gruppe gearbeitet, es ist aber in der heutigen Zeit, mit solchen Gruppenkonstellationen und dieser Gruppengröße einfach auch nicht mehr machbar. Die Kinder sind unsere Zukunft. Die 100€ vom Staat, die jede Familie für den Kindergartenbeitrag bekommt, sollte lieber in Qualität und Personal eingesetzt werden. Damit ist allen geholfen. Wenn ich heute Träger einer Kita bin, möchte ich mich abheben, abheben von dem, was alle machen. Ich möchte qualitativ-hochwertig arbeiten, kleine Kindergruppen und genügend Personal. Ich möchte mit den Kindern Projektthemen erarbeiten und Experimente machen, ich möchte sie spielerisch fördern und weg von den Arbeitsblättern im Kindergarten. Das ist Arbeit mit Kindern. Es sollte so viel Personal geben, dass auch Krankheitsausfälle gut gemeistert werden können. Da geht’s mir nicht darum, doppelt so viele Leute einzustellen. Wenn ich aber den Personalschlüssel in Baden Württemberg ansehe und unseren damit vergleiche, ist das einfach nur traurig. Auch die Vorbereitungszeit wird in anderen Bundesländern anders und besser umgesetzt. Traurig, dass es bei uns so läuft, wie es läuft und keiner den Mund aufmacht. Auch als Eltern würde ich mich beschweren – nicht beim Träger, sondern beim Landratsamt, bei der Stadt, beim Ministerium. Wenn niemand was sagt, geht es immer so weiter. Ich will auf Dauer so nicht mehr weiter arbeiten – zumindest in Bayern nicht.

Kinderschutzkonzepte müssen geschrieben werden. Keine Frage – die sind sehr wichtig. Ich stelle mir nur die Frage: Soll ich das Konzept so schreiben, wie es tatsächlich ist oder wie es eigentlich sein sollte? Ich sag immer: ich kann die Kinder verstehen, warum sie so sind, wie sie sind. Denn vielleicht wäre ich genauso, wenn ich in diesem Zeitalter aufwachsen würde. Der Staat sollte endlich überlegen, was wirklich wichtig ist. Meiner Meinung nach die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft. Kinder sollten, wenn sie schon so früh fremdbetreut werden (müssen), in eine Kita gehen, in der sie die bestmögliche Betreuung haben.

Nicole Dieterich,
Eckental