Zettels Reflexionen: Wenn die Realität die Satire überholt
Was kann man dann noch tun? Verzweifeln? Aufgeben? Oder Dienst nach Vorschrift machen und Gott einen guten Mann sein lassen?
Ja, man könnte wirklich verzweifeln. Wohin man in die Welt schaut, wenig Gutes. Klimawandel, kriegerische Konflikte und alles, was damit zusammenhängt, die Zunahme von radikalen Ansichten und als ob das nicht genügen würde, Corona. Die einen nehmen es ernst, die anderen nicht.
Es scheint wirklich so zu sein, wie Heisenberg vor über 100 Jahren feststellte: Der Mensch steht vor einer Wand, die er selbst ist. Er ist konfrontiert mit – ja womit eigentlich? Seiner eigenen Selbstsüchtigkeit? Seinem Unverständnis, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind?
Oder alles zusammen? Wie aber wäre es, wenn es sich vollkommen anders verhält, viele Menschen das jedoch vor all der Miesepetrigkeit einfach nicht wahrnehmen oder auch wahrhaben wollen? Eins steht für mich fest: All die Schwierigkeiten und Herausforderungen, denen wir aktuell begegnen und zu begegnen haben, haben nur etwas mit uns selbst als Gesellschaft zu tun.
Das ist der Moment, in dem ich dann immer einwende, dass es eine Gesellschaft nicht gibt, sowenig wie es einen Strand gibt; sondern nur ganz ganz viele Sandkörner, die den Strand bilden – oder eben ganz viele Menschen, die eine Gesellschaft bilden.
Meine Logik ist einfach: Liegt es an der Gesellschaft, dann liegt es an mir. Auf einen anderen habe ich keinen Einfluss, es sei denn, er gibt mir etwas von seiner Macht im Zuge der freiwilligen Knechtschaft, wie es Étienne de La Boëtie genannt hat, weil er sich etwas von mir verspricht.
Wenn das aber nicht zutrifft und er sich mir nicht unterwirft und auch mich nicht zu unterwerfen sucht, dann, ja dann kommt es darauf an, was ich und was er macht.
Anders ausgedrückt: Es liegt an jedem Einzelnen. Also höre ich auf zu jammern und tue statt dessen das, was mir richtig erscheint. Kant hat uns das ins Stammbuch geschrieben: „Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich ein Gewissen hat, einen Arzt, der für mich Diät beurteilt, und so weiter, so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen.“
Nur hat er mir oder auch uns ins Stammbuch geschrieben, dass es nicht um das eigene Interesse geht, sondern das Ganze: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“
Er setzt also mein Interesse mit dem Interesse des Ganzen gleich. Nur, dass die Quantenmechaniker noch eins drauf setzen und davon ausgehen, dass es nur ein Bewusstsein gibt. Was den Kant´schen Gedanken noch einmal einen ordentlichen Schub gibt. Jedenfalls finde ich das.
Also das bedeutet, dass ich für das Ganze und das Ganze für mich steht. Sagt auch Krishnamurti. Sie erinnern sich? „You are the world!“ Das kann ich schon irgendwie verstehen, nur was mache ich damit? Vielleicht sollte ich mir selbst wie auch dem einzelnen Menschen einfach einmal mehr vertrauen; vertrauen, dass wir die Kurve schon och kriegen werden und die scheinbare oder auch offensichtliche Blockade im Denken überwinden.
Folge ich den Gedanken etwa von Gerd Scobel, die er in Denken durch NichtDenken beschreibt, dann bedeutet das, ich sollte meinen Geist aufräumen, aufhören, unzutreffenden Ansichten und Konzepten zu folgen und dann – aber erst dann – mit dem Nachdenken aufhören.
Was für eine Herausforderung für meinen Verstand. Aber der grinst komischerweise gerade.
Peter Zettel
ist pensionierter Anwalt. Seit ein paar Jahren ist er begeisterter Motorradfahrer – sein persönlicher Weg der Selbsterkenntnis. Er interessiert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt darüber in seinem Blog zettel.biz.
Alle bisher im Wiesentboten erschienen „Zettels Reflexionen„
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