Jahresrückblick zum oberfränkischen Arbeitsmarkt 2022
Beschäftigungsrekord trotzt Krise – Licht und Schatten
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat im Bezirk der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg im Juni 2022 (aktuellster Stichtag) mit 247 576 Männern und Frauen trotz der andauernden Krise einen neuen historischen Höchststand seit Gründung der Bundesrepublik erreicht. Im Vorjahresvergleich legte die Zahl der Beschäftigten um 839 Personen oder 0,3 Prozent zu. Sie ist mittlerweile sogar um 2 465 Personen (+1,0 Prozent) größer als im Juni 2019, dem Jahr vor der Corona Krise. Seit dem Ende der Weltwirtschaftskrise in 2010 beläuft sich das Beschäftigtenwachstum bis dato auf 37 309 neugeschaffene Arbeitsplätze bzw. einem Plus von 17,7 Prozent. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer ist im vergangenen Jahr überproportional gestiegen (+9,5 Prozent bzw. +2 116). Der gesamte Beschäftigungsaufbau ging auf das Konto ausländischer Mitbürger, während die Zahl der beschäftigten Deutschen erstmals sogar um 1 273 (-0,6 Prozent) zurückging. Der Ausländeranteil an allen Beschäftigten liegt mit 24 281 Personen bei 9,8 Prozent. Der demografische Wandel macht sich von Jahr zu Jahr stärker bemerkbar. Gut jeder vierte Beschäftigte (23,2 Prozent bzw. 57 384) ist mindestens 55 Jahre alt und scheidet voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Nur jeder Zehnte (10,5 Prozent, 25 898) ist jünger als 25.
Wegen des Kriegs in der Ukraine kamen im vergangenen Jahr viele Geflüchtete von dort auch in den Raum des Agenturbezirks Bamberg-Coburg. Aufgrund ihrer häufig guten Qualifikation fanden bereits bis zum Stichtag Ende Juni 330 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Mit 657 Beschäftigten sind in der Region doppelt so viele beschäftigt, als ein Jahr zuvor. Davon sind 67,6 Prozent Frauen, 63,2 Prozent arbeiten Vollzeit, 91,3 Prozent sind jünger als 55 Jahre.
Nach Branchen gab es 2022 absolut betrachtet die stärkste Zunahme im Bereich Verkehr und Lager um 1 056 (+8,3 Prozent) sowie bei Immobilien und freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen um 645 (+5,2 Prozent). Das Gastgewerbe erholte sich zusehends nach zwei Jahren Pandemie wieder schrittweise mit den sukzessiven Lockerungen der Corona bedingten Einschränkungen (+536, +9,1 Prozent). Die öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Externe Organisationen (+516, +3,7 Prozent) sowie Erziehung und Unterricht (+349, +4,2 Prozent) verbuchten einen Beschäftigungszuwachs insbesondere zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise, die vergleichbar mit den Ausmaßen von 2015 ist.
Am ungünstigsten war dagegen die Beschäftigungsentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe. Dort belief sich der Personalabbau binnen Jahresfrist auf 1 535 Beschäftigte (2,0 Prozent). Die größten Arbeitsplatzverluste hatten dabei die Metall- und Elektroindustrie sowie Stahlindustrie (–1 022 oder –2,4 Prozent) sowie die Konsumgüterherstellung (-350, -2,3 Prozent). Der Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von KFZ nahm um 881 Beschäftigte ab (-2,6 Prozent). Den prozentual mit Abstand kräftigsten Rückgang um 10,1 Prozent (-383) verzeichnete aufgrund der andauernden Krise der volatile Bereich der Zeitarbeit.
Corona Krise mündet nahtlos in Energiekrise – Arbeitslosigkeit dennoch auf Erholungskurs
Mit durchschnittlich 11 081 arbeitslos gemeldeten Männern und Frauen hat sich die Arbeitslosigkeit 2022 gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Prozent verringert (-972 Personen). Obwohl seit Juni die Flüchtlinge aus der Ukraine von den Jobcentern betreut und daher in der Statistik miterfasst wurden (1 233 arbeitslose Ukrainer Höchststand im August), sank im Schnitt die Arbeitslosigkeit. Aufgrund der zunehmenden Lockerungen der wirtschaftlichen Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie ab Ende April, stellten die Betriebe in den Bereichen Tourismus, Hotel und Gaststätten, Veranstaltungswesen sowie der Einzelhandel wieder kräftig ein.
Die Arbeitslosenquote ist seit dem Vorjahr um 0,2 Prozentpunkte gesunken und betrug im Jahresdurchschnitt 3,2 Prozent. Vor zwei Jahren, zum Höhepunkt der Corona Krise, lag sie bei 3,6 Prozent. Die Jugendlichen profitierten überproportional von der höheren Einstellbereitschaft der Betriebe. Ihre Arbeitslosigkeit ging im Schnitt um 17,0 Prozent (-205) auf 1 003 zurück. Die der Personen ab 50 (-4,7 Prozent auf 4 931) sowie der schwerbehinderten Menschen (-1,5 Prozent auf 1 419) nahmen, wenn auch nicht so kräftig, ebenfalls ab. Der Gruppe der Langzeitarbeitslosen, die am stärksten von den Folgen der Corona Krise betroffen war, boten sich im Laufe des Jahres wieder zunehmend Chancen. Mit einem Abbau um 12,2 Prozent (-407) auf 2 932 gab es hier deutliche Fortschritte. Dennoch ist die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit in Verbindung mit der Fachkräftesicherung eine große Herausforderung der kommenden Jahre.
Die Zahl der arbeitslosen Ausländer hingegen erhöhte sich überproportional um über ein Fünftel (+21,0 Prozent, +437) auf 2 514. Im Schnitt hatte gut jeder vierte Arbeitslose (22,7 Prozent) einen ausländischen Pass.
Im Bereich des SGB III ging die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zu 2021 aufgrund des hohen Fachkräftebedarfs um 16,8 Prozent (-1 247 Personen) auf 6 169 zurück, während sie bei den Jobcentern aufgrund der vor Krieg und Zerstörung Schutzsuchenden aus der Ukraine um 5,9 Prozent (+275 Personen) auf 4 912 größer wurde.
Entlassungsrisiko weiter stabil – Top-Jobchancen für Fachkräfte
Im Jahr 2022 verloren 15 319 Männer und Frauen ihre Beschäftigung. Das waren trotz der teilweise sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine überschneidenden beiden Krisen (Corona- und Energiekrise) 2,0 Prozent (-310 Personen) weniger als im Vorjahr.
In den letzten zwölf Monaten fanden 12 353 Arbeitslose eine neue Beschäftigung. Das waren 13,4 Prozent oder 1 910 weniger als im Vorjahr. Das Minus liegt nicht etwa an mangelnder Einstellbereitschaft der Firmen, sondern am Mismatch. Es werden überwiegend Fachkräfte gesucht. Jedoch verfügt über die Hälfte der Arbeitslosen über keinen Berufsabschluss. Eine Ausbildung oder geförderte berufliche Qualifizierung nahmen 7 783 arbeitslose Personen auf, 674 oder 9,5 Prozent mehr als 2021. Da im Verlauf des Jahres die Corona bedingten Beschränkungen von
Präsenzunterricht (dauerten zwei Jahre seit März 2020 an) aufgehoben wurden, konnte die berufliche Weiterbildung wieder voll durchstarten.
Stellenmarkt – Bestand auf Höchststand seit Gründung der BRD
Im Jahresdurchschnitt hatte der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg 9 745 sozialversicherungspflichtige Stellenangebote im Bestand. Das waren über ein Viertel (+28,4 Prozent bzw. 2 155) mehr als im Vorjahr. Aufgrund der zügigen Erholung großer Teile der Wirtschaft mit dem Ende des letzten Lockdowns Ende April und des massiv gestiegenen Personalbedarfs der Firmen erreichte der Stellenpool seinen Höchststand seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland vor 73 Jahren. Ein nicht unerheblicher Teil der Stellen war neben einem Personalaufbau als Ersatz für in Rente gehende Mitarbeiter bestimmt.
Dem Arbeitgeberservice wurden im vergangenen Jahr insgesamt 20 070 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsangebote gemeldet. Das waren 1 055 weniger Stellen (-5,0 Prozent) als im Vorjahr. Der Stellenzugang nahm in der zweiten Jahreshälfte sukzessive durch die Folgen der Energiekrise leicht ab.
Erstmals seit Beginn der Corona Krise gab es in diesem Jahr wieder einen Anstieg der gemeldeten Ausbildungsstellen. Ihre Zahl hat mit insgesamt 5 339 Plätzen um 320 (+6,4 Prozent) seit 2021 zugenommen. Dennoch setzte sich die seit einem Jahrzehnt andauernde Entwicklung zum Bewerbermarkt mit einem weiteren Rückgang der Bewerber fort.
Auf 100 Jugendliche kamen rein statistisch 212 gemeldete Lehrstellen. Es blieben 1 103 Ausbildungsplätze unbesetzt, 179 (+19,4 Prozent) mehr als im Vorjahr. 46 Bewerber waren noch auf Lehrstellensuche, 7 weniger als 2021.
Kaum Corona vorbei, kommt Putin herbei – Kurzarbeit, das Ass im Ärmel zur Job- und Firmensicherung
Im Januar zur Hochphase des bis April andauernden erneuten Lockdowns bezogen im Agenturbezirk insgesamt 905 Betriebe für 6 120 Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld. 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren in Kurzarbeit. Der durchschnittliche Arbeitsausfall lag damals pro Kurzarbeiter bei 36,2 Prozent. Auf Vollzeitstellen bemessen, konnten so 2 217 Arbeitsplätze gerettet werden (Kurzarbeit auf Vollzeitäquivalente gerechnet). Im Verlauf des Jahres verlagerten sich die Ursachen für die Kurzarbeit zunehmend auf Lieferengpässe und Rohstoffmangel sowie die Folgen der Energiekrise wegen des Ukraine Krieges. Corona spielte kaum noch eine Rolle. Die Kurzarbeiterquote sank allein bis August (aktuellster Wert) auf lediglich 0,3 Prozent.
„Das Kurzarbeitergeld hat sich während der zwei Jahre Corona Krise als Firmen und Jobretter im Dauereinsatz erfolgreich bewährt. Auch in der jetzigen Krise, bedingt durch die Folgen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine, gibt es unserer Wirtschaft Rückendeckung. Zwar verzeichnen wir noch keine spürbare steigende Inanspruchnahme, jedoch zeigen die zunehmenden Anfragen der Firmen, dass sie es als Ass im Ärmel für den Fall der Fälle zu schätzen wissen.“ – So das Fazit von Stefan Trebes, dem Leiter der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg.
Rückblick und Ausblick: Mit Demut und bescheidenem Optimismus ins neue Jahr
Resümee von Stefan Trebes, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg:
„Zwei Jahre Corona Krise, die das öffentliche Leben sehr stark bestimmte und beeinträchtigte, lagen noch nicht ganz hinter uns und der Arbeitsmarkt in der Region hatte die Situation im Großen und Ganzen erstaunlich gut überstanden. Da überfiel Russland im Frühjahr die Ukraine und löste eine Flüchtlingswelle aus, die noch größer war als die von 2015.
Es folgten eine Energiekrise, Materialengpässe sowie eine Hyperinflation, die wie ein Tsunami über uns schwappten. Und dennoch zeigte unser Arbeitsmarkt trotz all der Widrigkeiten der Krise scheinbar die kalte Schulter. Die Beschäftigung steht auf einem historischen Rekordwert. Es gab noch nie so viele Stellenangebote wie im letzten Jahr. Die Kurzarbeit nahm seit dem Frühling kontinuierlich ab. Sobald jedoch eine Firma schließen muss, klingeln bei unserem Arbeitgeberservice die Telefone. Die Konkurrenz wittert ihre Chance, jetzt an heiß begehrte Fachkräfte zu kommen, die auf dem Markt immer knapper werden.
Ich sehe drei große Herausforderungen bzw. Zukunftsthemen für 2023, damit unsere Region wettbewerbsfähig bleibt: Erstens, sich in Ausbildung noch mehr einbringen als bisher, denn die besten Fachkräfte bildet man selbst aus. Zweitens, Zuwanderung vom Ausland forcieren. Hierbei muss man jedoch bereit sein, Zeit, Geld und Geduld einzubringen. Und drittens, die eigenen Beschäftigten qualifizieren. Das erfordert jedoch Lernbereitschaft der Mitarbeiter und die Bereitwilligkeit der Betriebe in deren Zukunft und damit in die des Unternehmens zu investieren. Bei all diesen Themen gibt es umfangreiche Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten durch die Arbeitsagentur.
Für das kommende Jahr rechne ich mit einer Stagnation der Beschäftigung. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Der Saldo wird sich jedoch voraussichtlich ausgleichen. Auch wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter eintrüben sollte, werden viele Firmen an ihren Mitarbeitern festhalten, was die bisher gemachten Erfahrungen belegen.“
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