Bayreuther Klinikum arbeitet am Limit
Die Kapazitäten sind am Limit – die Betten sind voll, viele Stationszimmer oft leer. Kliniken, Ärzte, Pflegeheime, sie alle sehen sich derzeit einer wahren Flut an Erkrankungswellen ausgesetzt und die machen auch vor dem Personal nicht Halt. „Für das Pflegepersonal ist die derzeitige Situation eine enorme zusätzliche Belastung“, sagt Angela Dzyck, Pflegedirektorin der Klinikum Bayreuth GmbH. Und eine, die zutage fördert, wo es fehlt: An Fachpersonal in der Pflege. Denn das ist nicht nur aufgrund der derzeitigen Krankheitswellen stark gebeutelt. Es fehlt auch an Nachwuchs – und das nicht nur in den Kliniken.
Ein Krankenhaus ist keine Insel. Es ist das Bindeglied in einer Kette, die derzeit nur eingeschränkt funktioniert – trotz insgesamt großer Leistungsbereitschaft aller, betont Dzyck. Vorgelagert die ambulante Patientenversorgung, nachgelagert die Pflegeheime und anderen Pflegeeinrichtungen. In der Mitte: Das Krankenhaus als Ballungszentrum.
Daher dürfe man nicht nur die Situation im eigenen Haus betrachten, müsse es ganzheitlicher sehen, sagt Dzyck. Denn die Krankheitswellen bringen das System vor allem dort an die Grenzen, wo noch ein weiterer Faktor greift: „Alte und chronisch kranke Menschen treffen die derzeitigen Krankheitswellen doppelt. Sie sind oft über einen langen Zeitraum nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Der Pflegebedarf steigt enorm“, sagt Dzyck.
Die Erkrankungen
„Influenza, grippale Infekte, RS-Viren, Corona und nun auch Noroviren. Das ist der Cocktail, dem wir uns derzeit gegenübersehen“, sagt Privatdozent Dr. Thomas Bollinger, Pandemiebeauftragter der Klinikum Bayreuth GmbH. „Die Schutzmaßnahmen der Pandemie, insbesondere die Maskenpflicht, haben uns vergleichsweise gut durch die Coronazeit gebracht. Aber sie haben auch andere Krankheitswellen verhindert, die jetzt auf einen Schlag nachgeholt werden. Auch wenn im Rückblick betrachtet manche Regeln nicht sinnvoll waren oder früher hätten angepasst werden müssen, so sind wir in Deutschland doch im Rahmen des Möglichen gut durch die Pandemie gekommen. Jede Krise hat aber Nachwirkungen und diese spüren wir jetzt.“ Was sich sonst naturgemäß über das gesamte Jahr verteilt hat, tritt nun geballt zutage und lässt Patientenzahlen in die Höhe schnellen. Und das kommt noch dazu. Auch wenn derzeit kaum einer davon spricht: Patientinnen und Patienten mit Knochenbrüchen, onkologischen Erkrankungen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall bleiben deshalb nicht aus.
Die Situation im Haus
Das Patientenaufkommen in den Notaufnahmen ist ungewöhnlich hoch. Sowohl in den Haupthäusern, als auch in der Kinderklinik. „Es wird zunehmend schwieriger, die Patientinnen und Patienten aus den Notaufnahmen in die Klinik zu verlegen“, sagt Dzyck. Denn: Viele der derzeitig kursierenden Erkrankungen erfordern es, die Patientinnen und Patienten zu isolieren. „Das hohe Ansteckungspotenzial, das von den Patientinnen und Patienten ausgeht, erschwert es, hausintern flexibel zu reagieren, bindet zusätzlich Personal und reduziert Bettenkapazitäten.“
Das Haus ist voll, die Zimmer belegt. Und viele, das ist das nächste Problem, bleiben es. Weil Pflegepersonal auch andernorts fehlt: in den Heimen, in der Tagespflege, den mobilen Patientendiensten. So bleiben pflegeintensive Patientinnen und Patienten zunächst in der Klinik und binden hier weiterhin Kapazitäten.
Das Personal
Was die Situation zusätzlich erschwert: Die Erkrankungswellen machen auch vor dem Personal nicht halt. „Wir haben in der Pflege und im ärztlichen Dienst einen außergewöhnlich hohen Krankenstand“, sagt Angela Dzyck. „Unsere Pflegekräfte tun ihr Möglichstes. Ohne die Bereitschaft, für kranke Kolleginnen und Kollegen einzuspringen oder auf anderen Stationen auszuhelfen, wären wir bereits mehr als am Limit.“ Aber sie gibt zu: Die Belastung für die Pflegekräfte steigt dadurch enorm.
Die aktuelle Situation zeigt erneut, dass die Versorgung der Kranken und Pflegebedürftigen vor allem eines braucht: ausreichend Personal. Aber es fehlt allerorts an Nachwuchs. Schon vor Beginn der Pandemie haben sich immer weniger Menschen für einen Pflegeberuf entschieden. Zu wenig Wertschätzung war einer der genannten Gründe. Die Wertschätzung ist in der Pandemie gestiegen. Aber es wurde auch offensichtlich, welchen Belastungen Pflegekräfte in Extremsituationen ausgesetzt sein können. So sinken die Bewerberzahlen weiter. Angela Dzyck bedauert das, denn sie ist überzeugt: Die Pflege eröffnet großartige berufliche Möglichkeiten. Und ließe sich die Last auf mehr Schultern verteilen, wäre sie zu meistern. „Wir sind viele.“ Das sei das Argument, mit dem sich etwas bewegen ließe. Das gelte auch für die Pflege. „Je mehr qualifiziertes Personal wir haben, desto besser lassen sich Arbeitsabläufe und Arbeitsbedingungen zum Positiven verändern.“ Was es braucht, sind Menschen, die den Mut haben, diese Veränderungen mit in die Wege zu leiten.
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