Region Bayreuth vor kritischer Situation in Rettungs- und Gesundheitswesen

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Der BRK-Kreisverband Bayreuth sieht die aktuelle Situation im Rettungs- und Gesundheitswesen der Region Bayreuth kritisch

Jeden Tag erreichen zahlreiche Anfragen nach ambulanter pflegerischer Versorgung und Alltagshilfen aus der Stadt und dem Landkreis das Bayerische Rote Kreuz in Bayreuth.

Wie die gleich hohe Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen in den beiden Pflegeeinrichtungen des BRK-Kreisverbandes Bayreuth, trifft auch die Anfrage nach ambulanter Versorgung auf eine auf eine äußerst angespannte Personaldecke, wie der stellvertretende BRKKreisgeschäftsführer Richard Knorr berichtet.

In einer BRK-Einrichtung (Altstadtpark) kämpft die Belegschaft gerade mit einem Corona-Ausbruch. Dieser hat zur Folge, dass eine Vielzahl an Bewohnerinnen und Bewohner, sowie Mitarbeitende erkrankt sind und die Arbeitsbelastung für das noch im Dienst befindliche Personal enorm gestiegen ist. Trotzdem gelingt es mit großem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und äußerster Anstrengung noch, die Versorgung der Bewohner aufrecht zu erhalten.

Das reibungslose Zusammenspiel der verschiedenen Sektoren im Gesundheitswesen ist nunmehr in Summe an die Grenzen des Systems gelangt – der Kollaps droht. Bereits im Juni 2022 musste der BRKKreisverband Bayreuth die Sozialstation in Pegnitz aufgrund von fehlendem Personal schließen. Damals hatte Markus Ruckdeschel, Kreisgeschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Bayreuth, die derzeitige Entwicklung des Gesundheitswesens mit einem mit hoher Geschwindigkeit fahrendem Fahrzeug verglichen, dass drohe ungebremst auf eine Mauer aufzuprallen und daher dringlich von der Politik gefordert „eine Notbremsung“ einzuleiten.

„Es ist nunmehr an der Zeit mit Nachdruck und Konsequenz an den Stellschrauben zu drehen“, so Ruckdeschel mit einem zweiten mahnenden Bildnis zur Lage des Gesundheitswesens, denn die Lage hat sich seitdem erschreckend zugespitzt.

Neben der Sozialstation in Pegnitz war das BRK aufgrund fehlender Pflegekräfte bereits während der Hochphase der Pandemie – im Frühjahr 2021 – gezwungen das Pflege- und Betreuungszentrum (ehemalige Kurzzeitpflegestation) im Bayreuther Stadtteil Kreuz zu schließen. Ein wichtiges Angebot fehlt seither in der Region, welches eingestreute Kurzzeitpflegeplätze in Heimen allein nicht zu kompensieren vermögen.
„Ohne ein umgehendes Eingreifen der politisch Verantwortlichen droht im Raum Bayreuth der Gesundheits- und Pflegenotstand“, so mahnt Ruckdeschel weiter.

Doch nicht nur die Situation in der Pflege machen Ruckdeschel sorgen.

Auch die Lage in der Notfallrettung, dem zweiten wichtigen Aufgabenbereich des Bayreuther BRKs, spitzt sich zu. Denn auch dieser für die Bevölkerung unverzichtbare Versorgungsbereich ist eng verknüpft mit der ambulanten und stationären Pflege in der Region. „So langsam bröckelt nun auch der Kit aus der Fuge unseres Gesundheitssystems“ mahnt Ruckdeschel.

Tagtäglich geben die Rettungsteams vor Ort, zusammen mit Notärzten und der Integrierten Leitstelle an der Bayreuther Feuerwache, gemeinsam ihr Bestes, wenn es darum geht nach der Versorgung vor Ort für Notfallpatienten geeignete und aufnahmebereite Zielkliniken in der Region zu finden.

Der Leiter der Integrierten Leitstelle Bayreuth/Kulmbach, Dr. Christopher Häfner, berichtet, dass die Suche nach geeigneten Unterbringungen längst nicht mehr nur auf die Region beschränkt ist. So mussten Patienten mit einem Herzinfarkt aus dem Landkreis Bayreuth bereits zu hundert Kilometer entfernten Kliniken in benachbarten Landkreisen und Städte anderer Regierungsbezirke verbracht werden, so Häfner weiter. Die Folge, der für diesen überörtlichen Einsatz abgeordnete Rettungstransportwagen und der Notarzt fehlen für mehrere Stunden für die Versorgung der Bevölkerung vor Ort. Glücklichen Umständen geschuldet, ist bis dato dadurch kein Patient zu Schaden gekommen! Die Situation in unserer Region droht zu kippen. Ruckdeschel führt mit überregionaler bundesweiter Berichterstattung an, dass die Situation in anderen Bereichen nicht viel besser aussieht.

Die Übersicht der Betten- und Versorgungskapazitäten auf den Bildschirmen der Disponenten in der Bayreuther Leitstelle zeigen nahezu täglich rote Ampeln, als Anzeige für fehlende klinische Ressourcen. Grund für Situation sind meist nicht fehlende Betten oder medizinischen Ausstattung der Krankenhäuser, sondern auch hier fehlendes Pflegepersonal, um die benötigten Kapazitäten aufrechtzuerhalten.

Hinzukommt ein kontinuierlicher Anstieg des Einsatzaufkommens im Rettungsdienst. Waren es zu Beginn des letzten Jahrzehnts noch 25.000 Einsätze, sind es 2021 bereits über 30.000 Einsätze im Zuständigkeitsbereich der ILS Bayreuth/Kulmbach und damit ein Plus von 20% im gleichen Zeitraum. Bei vielen der hinzukommenden Einsätze handelt es sich um sogenannte Bagatelleinsätze, im Fachjargon Einsätze ohne lebensbedrohliche Lage für den Patienten, berichtet Ruckdeschel und beruft sich auf die Rückmeldungen, die er von seinen Mitarbeitenden im Rettungsdienst und Leitstelle erhalte. Auch der ehemalige TVModerator Tobias Schlegl, der inzwischen als Notfallsanitäter tätig ist, berichtet in seinen Reportagen in den sozialen Medien anschaulich von seinen Erfahrungen und den aktuellen Zuständen im Gesundheitswesen (Hashtag #rettungsdienstundpflegebrennen bzw. #pflexit), die sich mit den Schilderungen aus Bayreuth decken.

Zu dem bereits seit langem herrschendem Fach- und Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen, kommt aktuell auch noch ein erhöhter Krankenstand in den Belegschaften hinzu. So musste der Leiter desBRK-Rettungsdienstes in Bayreuth, Dietmar Kasel, für das vierte Adventswochenende dieses Jahres einen Krankenstand von 17% unter seinen Mitarbeitenden verzeichnen. Alle Schichten zur Sicherstellung der notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung zu besetzen, stellte das Team des BRK-Rettungsdienstes vor eine große Herausforderung, die nur dank der Einsatzbereitschaft der BRK-Rettungsdienstmitarbeitenden Überstunden zu leisten und den engagierten und geeigneten ehrenamtlichen Einsatzkräften, die als Fahrer eingesprungen, gemeistert werden konnte.

Aktuell ist es den an Corona erkrankten, aber symptomfreien Pflege- und Rettungskräften trotz allem verwehrt, zum regelhaften Dienst zu erscheinen. Dies war während der vorherigen Pandemiebestimmungen im Bereich der Pflege durch die Pendelquarantäne zur Versorgung ausschließlich infizierter Bewohner noch möglich. Im Rettungsdienst war es auf Einzelantrag zur Sicherstellung der Notfallversorgung mit einer Ausnahmeregelung durch das Gesundheitsamt möglich, wenn die Mitarbeiter symptomfrei waren und zugleich einen CT-Wert >30 aufgewiesen haben.

Die aktuelle Allgemeinverfügung Corona-Schutzmaßnahmen erlaubt dies nur noch dann, wenn die Rettungsdienstbesatzungen von der Leitstelle ausschließlich bei Einsätzen mit nicht vulnerablen Personengruppen eingesetzt werden würden. Dies ist aber naturgemäß in der Praxis nicht umsetzbar, weshalb die vom Verordnungsgeber mit guter Absicht eingeführte Regelung für den Rettungsdienst praktisch ins Leere läuft.

Die derzeitige angespannte Lage wird sich auch in Zukunft nicht bessern! Erst diese Woche sprang das BRK in Bayreuth zusammen mit anderen erneut ein und übernahm pflegebedürftige Menschen aus einer Pflegeeinrichtung aus dem Landkreis, die zu Weihnachten 2023 schließen muss. Zum Jahreswechsel stellt ein weiterer ambulanter Pflegedienst im Stadtgebiet Bayreuth seine Leistungen ein. Durch den Wegfall weiterer Pflegedienste und -Einrichtungen steigt der Druck auf die Verbleibenden in der Region stetig weiter und leistet der rollenden Lawine, die zum Kollaps des Gesundheitssystems in der Region führt, weiteren Vorschub.

Gleichzeitig fehlt es Rettern und Pflegern an Nachwuchs. In vergangenen Zeiten fanden sich immer noch genügend Menschen, die sich für einen durchaus Erfüllung gebenden Beruf – sozusagen die persönliche Berufung – im Gesundheitswesen entschieden haben. Die Kontingentierung der Ausbildungsplätze für Notfallsanitäter und die neue generalistische Pflegeausbildung werden in Fachkreisen kritisch gesehen.

Aktuell beobachtet man eine deutlich höhere Abbruchquote während der 3-jährigen Ausbildung. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass die jungen Menschen während äußerst turbulenten Zeiten zum einen in ein überhitztes und gleichzeitig zum anderen noch sehr bürokratisiertes System geraten, aus dem viele andere während der Pandemie, in Anbetracht der enormen Belastung, ausgestiegen sind.

Eine beherzte „Vollbremsung“ der Politik mit einem abgestimmten und praxisnahen Bündel an Maßnahmen könnte zur Abkühlung sowohl in den Sektoren der Pflege als auch der Notfallrettung beitragen. Entsprechende Hinweise und Vorschläge aus der Praxis werden aber oft nicht gehört, so z.B. der Bayreuther Vorschlag die Ministerialresorts Inneres, Gesundheit und Bildung in einer gemeinsamen „Taskforce Pflegemigration“, analog zu einer sehr gut arbeitenden Taskforce zur Pandemiebewältigung aus der jüngsten Vergangenheit, zu bündeln. Mit den sehr guten TaskforceErfahrungen aus dem Bereich der Pandemiebewältigung kann es gelingen Verwaltungsprozesse fernab der Linienorganisation zu beschleunigen und zu standardisieren. Dies ist mit Hinblick auf die demographischen Entwicklungen und der Überalterung der Gesellschaft dringend notwendig, um Menschen aus Drittländern einen zügigen Zugang als Arbeitskraft zum Deutschen Gesundheitswesen zu ermöglichen. Bis dato kümmern sich hierum noch eine Vielzahl örtlicher Behörden, weswegen Bayern im Vergleich mit anderen Bundesländern einen in der Praxis deutlich spürbaren zeitlichen und bürokratischen Mehraufwand hat.

Aufgrund des äußerst kritischen und für die Bevölkerung letztlich gefährlichen Situation bittet und fordert Ruckdeschel die politisch Verantwortlichen eindringlich zum Handeln auf. Die angesprochene Taskforce ist nur ein erster und sehr wichtiger Schritt. „Das Bayreuther BRK hilft, wo es nur kann, aber auch unsere Ressourcen sind irgendwann einmal zu Ende!“, so Ruckdeschel.