Netzwerk Asyl Forchheim: „Regierungshandlung an Grausamkeit nicht mehr zu überbieten“

Pressemitteilung von Netzwerk Asyl Forchheim:

Als Netzwerk Asyl Forchheim protestieren wir gegen eine Abschiebung, die am Donnerstag in Forchheim Nord in einer Asylunterkunft stattgefunden hat. Am Donnerstag verschafften sich kurz vor 7 Uhr 5 Polizeibeamte Zugang zu einem Zimmer in einer Asylunterkunft im Norden von Forchheim. Die Aktion galt einer jungen Witwe mit ihren beiden Kindern – einem Mädchen und einem krebskranken 7jährigen Jungen – beide Schüler an der Adalbert-Stifter-Schule in Forchheim. Die Beamten geben der jungen Familie nur einige Minuten, um die nötigsten Dinge einzupacken, bevor sie sie zu einem Polizeiwagen bringen und direkt zum Flughafen fahren, um sie nach Georgien abzuschieben.

Zurück bleiben ein Weihnachtsbaum im kärglichen Zimmer, die selbstgebastelte Fensterdekoration, die von Ehrenamtlichen gebrachten Geschenke und fassungslose, weinende Mitbewohnerinnen der Gemeinschaftsunterkunft sowie entsetzte Mitschüler in den Klassen der Adalbert-Stifter-Schule.

Entsetzlich ist vor allem, dass damit ein grausames Schicksal für den 7Jährigen besiegelt scheint:
Er leidet unter einer seltenen Krebserkrankung am Hals. Die von außen deutlich sichtbare Geschwulst ist zwischen die Wirbelkörper in den Rückenmarkkanal eingedrungen und drückt auf die dort verlaufenden Nervenbahnen. Deutliche Auswirkungen machen sich bemerkbar: anfangende Lähmungserscheinungen am linken Arm. Auch beim Atmen treten in der Nacht Störungen auf. Dies kann zu einer bleibenden Behinderung mit Querschnittsymptomatik bis hin zu einem lebensbedrohlichen Atemstillstand führen, wie mehrere Ärzte unabhängig voneinander feststellten. Deshalb sollte der Junge aus medizinischer Sicht bis zu einer möglichen Heilung seinen Aufenthalt weiterhin in Deutschland haben.

Trotz dieser Befunde wurde D zusammen mit seiner Schwester und der Mutter kurz vor Weihnachten abgeholt, in ein Flugzeug gesteckt und einem mehr als zweifelhaftem Schicksal überlassen! Wie christlich und sozial ist es denn, wenn man einen kleinen Jungen jegliche Chance nimmt, ein normales Leben zu führen?

Die Familie stammt aus Abchasien, einer sich als eigenständig erklärten georgischen Provinz, einem von den meisten Ländern der Welt nicht anerkannten Staat. Die junge Mutter, eine Witwe, die bei einem tragischen Autounfall ihren Mann verloren hatte, versucht verzweifelt, ihrem Sohn zu helfen. Sie verkaufte ihr gesamtes Hab und Gut und suchte zunächst in Moskau und in der Türkei medizinische Hilfe. Dort konnte man ihr nicht helfen, verwies sie aber auf eventuelle Chancen in Deutschland. Hier angekommen machte man ihr tatsächlich Hoffnung: Es gibt tatsächlich eine Chance für den Jungen! Um hier bleiben und Hilfe für ihren Sohn bekommen zu können stellte sie zunächst einen Asylantrag aus humanitären Gründen. Als dieser abgelehnt wurde, hoffte sie weiterhin auf ein vom Gesetz garantiertes Bleiberecht, bis ihr Sohn medizinisch behandelt werden kann: Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes soll von einer Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für den Ausländer eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese muss nach der Rechtsprechung die Schwelle der allgemeinen Gefährdung deutlich übersteigen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht dies als gegeben an bei schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Genau dies trifft aber auf den 7jährigen Jungen zu: Erhält er keine entsprechende medizinische Behandlung, wird er kurz über lang nicht nur querschnittgelähmt sein, sondern auch noch eine künstliche Beatmung benötigen!

Grausamkeit gegenüber hilfesuchenden kranken Menschen kein Einzelfall?

Dass dieser Fall kein Einzelfall ist, zeigt eine weitere tragische Geschichte, die sich ebenfalls derzeit in Forchheim abspielt: Eine Familie mit zwei hier in Deutschland geborenen Kindern (5 und 6 Jahre alt) lebt seit 11 Jahren in Deutschland. Die Mutter hat eine Ausbildung zur Sozialpflegerin erfolgreich absolviert und wird dringend hier in der Altenpflege gebraucht. Der Vater hat einen Ausbildungsplatz als Metzger, darf diesen aber nicht antreten. Beide haben Mangelberufe, die bei uns dringend gebraucht und gesucht werden, und dieses bestens integrierte Ehepaar steht kurz vor der Abschiebung. Als Grund nennen die Behörden, dass die Familie bei der Einreise zunächst auf falschen Rat hin unwahre Angaben über ihre Identität gemacht hat. Sie hat das aber schon lange bereut, eigenständig die wahre Identität angegeben und mit entsprechenden amtlichen Dokumenten belegt. Trotzdem soll der Familie wegen des früheren Fehlers nun der Boden vollkommen entzogen werden. Wenn sie nicht bis Jahresende „freiwillig“ ausreist, droht ihr die sofortige Abschiebung!

Das wäre „halb so schlimm“, wenn nicht auch hier ein besonderer Fall vorliegt: Der Vater ist seit vielen Jahren schwerer Epileptiker. In der Universitätsklinik konnte er erfolgreich therapiert und medikamentös mittels zweier Spezialpräparate so eingestellt werden, dass seitdem keine Anfälle mehr erfolgen.

Durch drohende Abschiebung echte Lebensgefahr

Auf diese Medikamente ist der Mann nun lebenslang dringend angewiesen! Zumindest eines dieser Medikamente ist in seiner Heimat aber nicht verfügbar: Wie eindeutig aus einem offiziellen und beglaubigten Schreiben des Gesundheitsministeriums seines Landes hervorgeht (Schreiben liegt vor), ist das wichtigste Medikament in diesem Land nicht zugelassen und darf deshalb auch nicht importiert werden. Auch das zweite Medikament ist nicht in der eingestellten Darreichungsform verfügbar. Muss der Mann die BRD verlassen, ist das mit einem Arzneimittelentzug verbunden, der lebensgefährlich für ihn ist. Ein Schreiben der Universitätsklinik vom Mai diesen Jahres besagt eindeutig, dass die gefundene, erfolgreich wirkende Medikation unbedingt unverändert beibehalten werden sollte, da ansonsten die Gesundheit des Patienten gefährdet ist. Explizit nennt der Leitende Oberarzt der Uniklinik als drohende Gefahr Verletzungen, bleibende Schäden mit daraus resultierendem Verlust der Unabhängigkeit sowie dem möglichen Tod im Rahmen eines „sudden unexpected death in epilepsy“ SUDEP.

Wie unmenschlich ist es denn, kurz vor Weihnachten auch diese Familie des Landes zu verweisen und einem ungewissen Schicksal, dem drohenden Tod des Familienvaters, auszusetzen? Hat uns die Geschichte der Herbergssuche denn nichts gelehrt?

Wir als als Ehrenamtliche des Netzwerks Asyl Forchheim erheben unsere Stimme dagegen. Der kleine Bub braucht ärztliche Hilfe, Deutschland war für die Mutter die Hoffnung auf das Überleben des Jungen.

Und wir protestieren gegen die geplante Abschiebung der anderen Familie mit ihren hier in Forchheim geborenen Kindern. Jetzt sollen sie samt ihren Eltern kurz vor Weihnachten nach Armenien abgeschoben werden. Und dabei wird ebenso die von den Ärzten prognostizierte dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters bis hin zum Tod billigend in Kauf genommen!

Frohe Weihnachten!!

Netzwerk Asyl Forchheim
info@netzwerkasyl-forchheim.org

4 Antworten

  1. Marita Weissig sagt:

    Menschen aus Georgien und Armenien erhalten nur sehr selten Asyl. Das hat seinen Grund. Diese Länder sind arm, aber verfolgt in Sinne der Asylgesetze werden nur sehr wenige. Aber genau diese Armutseinwanderung, sehr oft verbunden mit dem Wunsch nach medizinischer Behandlung ist es, die die Angelegenheit so schwierig machen. Natürlich kann jeder verstehen, dass man für sein Kind die beste Behandlung möchte und auch dass der Familienvater seine jetzt stabile Gesundheit nicht gefährden möchte. Andererseits i st es einem Land, in diesem Falle Deutschland, nicht zuzumuten, Menschen aus anderen Ländern dauerhaft zu alientieren und aufwendige medizinische Behandlungen zu zahlen. Wir, das Land Deutschland, tun es trotzdem, allerdings nur dann, wenn sich bei Rückkehr ins Heimatland die Erkrankung so sehr verschlechtern würde, dass Lebensgefahr besteht. Dieses wird, auch mit Hilfe von ärztlichen Stellungnahmen, im Asylverfahren und besonders vor einer Abschiebung geprüft und es wird niemand abgeschoben, wenn eine Behandlung im Heimatland nicht möglcih ist. Ein Unterschied machen die Gerichte allerdings bei der Qualität der Behandlungen: die abgelehnten Asylbewerber haben grundsätzlich keinen Anspruch auf die hohe Qualitat hier zu Lande, auch wenn sich das manche wünschen würden. Die Familie aus Armenien wäre mit Sicherheit längst abgeschoben worden, hätten sie nicht bei Einreise einen falschen Namen angegeben um eine Abschiebung zu verhindern. Auch wenn sie später diesen Betrug selbst aufgedeckt haben, hilft ihnen das vermutlich wenig. Selbst der sog. Chancenaufenthalt kommt für sie nicht in Frage. Und nebenbei, mit Asyl,Schutz vor staatlicher Verfolgung oder Krieg haben beide Familien nichts zu tun. Warum also sollten sie hierbleiben? Die Flüchtlingshelfer sind mit Sicherheit nicht besser informiert, als die Gerichte, die eine Abschiebung zulassen und…..es kann nun mal nicht jeder bleiben, obwohl fast jeder den Wunsch und auch einen Grund hat, nur, dass der Grund nicht ausreicht und das müssen letztlich auch die Flüchtlingshelfer einsehen und vielleicht helfen sie den Familien dabei, im Heimatland wieder Fuss zu fassen…

  2. Ferenc sagt:

    Zwar kann ich den Wahrheitsgehalt der Schilderungen des Netzwerks Asyl Forchheim selbst nicht überprüfen. Frau Weissigs Argumentation aber wirft dem Netzwerk nicht vor zu lügen, sondern ignoriert dessen Argumentation vollständig: Den getätigten Aussagen zu Folge droht einigen der Abgeschobenen / Abzuschiebenden Lebensgefahr – und dies wird von Behörden und offensichtlich Gerichten schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen.

    Eine der Familien hätte, dürften sie arbeiten, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können – in Berufen, für die sich nicht genügend Bewerber finden. Hier kann von Alimentierung keine Rede sein. Auch das läßt Frau Weissig komplett außer acht.

    Schon seit vielen Jahren fällt zudem auf: Bekannte Gefährder und Straftäter mit Migrationshintergrund bleiben jahrelang, teils unter (kostenaufwändiger) Überwachung, die sie so manches Mal mitnichten hinderte, schwere Straftaten mit Folgen für Leib und Leben anderer zu begehen, unbehelligt im Land. Gut integrierte Familien aber, deren Kinder teils hier geboren wurden, die ihren Unterhalt selbst verdienen, und Menschen mit dringendem medizinischem Behandlungsbedarf, der in ihrer Heimat nicht gewährleistet werden kann, werden in Nacht- und Nebel-Aktionen abgeschoben – ungeachtet der Tatsache, daß ihre Wurzeln auf Grund langer Abwesenheit oder brutaler Erlebnisse (Krieg, Gewalt, Naturkatastrophen) längst gekappt sind.

    Zwangsläufig entsteht der Eindruck, die Behörden verfolgten im Einklang mit der verantwortlichen Politik, die weder als christlich noch als sozial eingestuft werden kann, mit diesem Vorgehen drei Ziele: die Stimmung gegen zugewanderte Menschen anheizen, jeglichen Eindruck, Integration könne gelingen, im Keim ersticken, und Kosten auf Kosten von Menschenleben einsparen.

    Mir als gläubigem Christen vergeht angesichts dessen jegliche Neigung, auf mein „Deutschsein“ stolz zu sein.

  3. Marita Weissig sagt:

    Lieber Ferenc, bevor jemand mit gesundheitlichen Problemen abgeschoben wird, prüfen die Gerichte sehr genau, ob diese Erkrankung im Heimatland behandelbar ist. Die Behandlung muss zwar nicht dem Standard in Deutschland entsprechen, aber es muss eine reale Chance der Behandlung vorhanden sein. Die von den Asylbewerbern bei Gericht eingereichten Atteste bzw. ärztliche Stellungnahmen müssen lt. Gesetz gewisse Bedingungen erfüllen, da sie andernfalls nicht als Nachweis zugelassen werden. Oftmals erfüllen die eingereichten Dokumente diese Anforderungen nicht und werden deshalb nicht berücksichtigt. Es ist nun fraglich, ob die Flüchtlingshelfer und -unterstützer mit ihren Rufen nach einer Bleibemöglichkeit oder die Gerichte, die ein Bleiben verneinen, weil eine Gefahr durch eine Erkrankung nicht ausreichend nachgewiesen oder im Heimatland grundsätzlich behandelt werden kann, im Recht sind. Für mich sind die Gerichte im Recht, denn sie sprechen Recht. Wer wegen seiner christlichen Überzeugung eine andere Meinung hat, kann diese gern haben, mit Recht hat das allerdings nichts zu tun. Und….die Familie, die ihre Herkunft bzw. ihren Namen verschleiert hat, befand sich 11 (!) Jahre in Deutschland und wollten jetzt gern arbeiten. Hier auf verlorene Fachkräfte hinzuweisen, ist lächerlich, der Vater hat keine Ausbildung sondern möchte erst eine beginnen und die Mutter hat wohl eine Ausbildung als Sozialpflegerin abgeschlossen, aber nicht in diesem Beruf gearbeitet. Die Familie wurde somit seit 11 Jahren von unser aller Steuergeld alimentiert und durften nicht arbeiten, weil ihre Identität nicht geklärt war, was daran lag, dass diese von der Familie falsch angegeben und nicht belegbar war. Fakt ist, dass eine Alimentierung all die Jahre erfolgt ist und Vorschusslorbern bzgl. eines Arbeitswunsches lächerlich sind. Bitte die Fakten anschauen und nicht auf Eventualitäten in der Zukunft hinweisen, das würde helfen, die Fälle als normaler Bürger bewerten zu können. Und….bei den immer wieder angeführten Straftätern, die man nicht abschiebt, handelt es sich entweder um anerkannte Flüchtllinge oder um Menschen, die keinen Pass haben und man sie deshalb nicht abschieben kann. Die Familien in Forchheim sind beides ABGELEHNTE Asylbewerber und haben somit kein Bleiberecht und für die Familie aus Armenien hätte aufgrund der Täuschung noch nicht einmal der großzügige neue Chancenaufenthalt gegriffen. Die von Ihnen dargestellten Nacht-und Nebelaktionen finden in der Praxis nicht statt. Die Menschen wissen zwar nicht, wann sie abgeschoben werden, sie wissen aber alle, dass sie kein Bleiberecht haben und wurden alle zur freiwilligen Ausreise aufgefordert. Erst wenn diese verweigert wird, ergeht die Abschiebeanordnung. Hier von Gefahr für Menschenleben zu sprechen, ist doch etwas überzogen….meinen Sie nicht?

  4. Schorsch sagt:

    ..Recht muss recht bleiben und nicht anders!!!..