Bamberger Autor veröffentlicht Forchheim gewidmeten Lyrikband
„FAKE oder absolut Forellen“
Da kommt’s her, zwei Flüsse, mal gelenkig, mal am ganzen Körper traurig. Dort tritt’s ein, den Weingartsteig und Kellerberg hinauf. Zwanglos mittendrin: Ein Städtchen. Bissfest und Grandezza.
Da passiert es, heftig von Vergangenheit umwickelt oder aufgeraute Gegenwart. Zwischen Schwedensex und NWort zwängt sich ein fremdes Ich wie eine Suchmaschine rein. Die Poesie misst nach, mal kinderfingerdicke Faust, mal flüsternd wie ein leeres Wespennest.
Forchheim – mal Debüt, mal Leerlauf. Mal weggesackt, mal Herzstück. Einstmals (oder noch?): Fränkische Bilderbuch-Kleinstadt. Nach Ansiedelung eines Technologiekonzerns zum stolz vermerkten Oberzentrum avanciert.
Das Wappen zeigt auf Rot zwei silberfarbige Fische – einer falschen, aber desto beliebteren Etymologie zufolge leitet sich der Name der Stadt von »Forellen« ab.
Dieser appetitanregenden Spur folgend stellt sich die lyrische Rezeptur aus was mal war und was daraus geworden ist hautnah an Flossen, Kiemen, Schwanz zusammen: Dem, was dort die Strömungen der Zeit an respektablem oder lächerlichem verweile doch! heran- und wieder fortbugsierten.
Das Essbesteck ist historisch inspiriert, soweit es dichterischem Freiraum und dem angepeilten Minimum an Kleinstadt-Psychogramm nicht allzu neunmalklug im Weg steht.
Chronologisches Gewühl, poetisches, thematisches Gewimmel von einer dünnen Rosi bis zu Hegels Ironie der Weltgeschichte gehorcht dem Credo der Speisenkarte: Mal da, mal dort, kleine Welt in Sinnen, Vers abschmecken, hm sagen.
Gerhard Kraus
FAKE oder absolut Forellen
Eine Kleinstadt. Recherche – Gedichte
116 Seiten, Broschur 13 × 21 cm,
ISBN: 978-3-7455-1145-1, 16,90 Euro
ATHENA-Verlag
Über den Autor
Gerhard Kraus (* 1950 in Bamberg), Studium der Geisteswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg, der University of Kent at Canterbury sowie an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Promotion zum Dr. phil. über »Naturpoesie und Kunstpoesie« im philosophischen Frühwerk Friedrich Schlegels. Nach Jahren der Lehrtätigkeit an der Universität war er in Feuilletons regionaler Zeitungen angestellt.
Von 2000 an veröffentlichte er Gedichte und Epigramme in den Bänden »Andernorts hier«, »Zeit geht fort an unsern Krücken«, »Anlässlich du« und »Tja & andere« sowie in diversen Anthologien. Zuletzt erschien in der edition exemplum sein Gedichtband »Minimale Seelen« .
Interview: 5 Fragen an Gerhard Kraus
Lieber Herr Kraus, soeben ist Ihr neuer Gedichtband »FAKE oder absolut Forellen« erschienen. In einem Satz: Was erwartet die Lesenden?
Gerhard Kraus: Ein großes unbekanntes Wesen ist ja auch der Leser. Meine Antwort also: Was erwartet dieser selbst sich, wenn er, der literarischen Verlockung erliegend, dem Wegweiser zu so etwas wie einer kleinen Stadt folgt.
Ob er ihre Topografie, ihr Seelenleben schon kennt oder das einer ähnlichen, oder ob ihm kleine Städte fernes Land sind: Das Ziel der Gedichte ist es, diese Stadt gleichsam nach plötzlich aufgetauchten Plänen wiederentstehen zu lassen.
Der Ausgangsort, bzw. der Bezugsrahmen Ihrer Gedichte ist Forchheim. Warum?
G. K.: Es handelt sich um die Stadt, in der ich wichtige Schul- und Jugendjahre verbracht, sehen gelernt habe und auch, mich zu verirren.
Ihre Gedichte sprühen vor Wortwitz, Ironie und Sprachlust. Obwohl höchst konkret, erschließen sich die Texte oft nicht beim ersten Lesen. Es entsteht geradezu der Eindruck, dass Sie hier und da einen Riegel vor allzu schnelle Deutungsversuche geschoben haben. Würden Sie sagen, dass dieser Stil kennzeichnend für Ihre Lyrik ist?
G. K.: Eine Antwort, die es trifft, haben Sie sich selbst schon gegeben mit der Metapher eines Riegels vor allzu schneller Deutung. Ja, ich misstraue der großen Gebärde, sowohl in der Literatur selbst als auch in deren Auslegung.
Irgendwo ist ihre imposante Rhetorik doch immer der Gefahr von Unehrlichkeit, Ich-Verliebtheit oder Naivität ausgesetzt. Ich ziehe das Eis vor, das einen See bedeckt, ruhig und klar. Es macht die Tiefe diskret und zugleich in ihrer wirklichen Bedrohlichkeit erst so recht sichtbar. Aber das ist auch das Tröstliche: Man hat Respekt, man ist gewarnt und geht mit achtsamen Schritten.
Als promovierter Philosoph und ehemaliger Feuilletonist sind Sie kulturell und sprachlich an vielen Orten zu Hause. Haben Sie literarische Vorbilder, Bücher oder Figuren, die Sie auf Ihrem eigenen (literarischen) Weg in besonderem Maße begleitet haben?
G. K.: Mit Vorbildern tue ich mir schwer, eines verweist schon auf das nächste, das nähme kein Ende. Aber vier Namen dann doch, quasi für die einsame Insel. Die Lyrik Eichendorffs, allem voran der von Schumann op. 39 vertonte Zyklus. Dann die kleine, magische Prosa Adalbert Stifters. Aus der englischsprachigen Literatur die wundersam-wunderbare Emily Dickinson und die Kanadierin Anne Carson, an der der Nobelpreis Mal um Mal vorbeigeht, ebenso ehrgeizig wie von allen guten Geistern verlassen.
Was möchten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs noch sagen?
G. K.: Ich will mich sehr für Ihre Fragen bedanken und den Lesern guten Appetit wünschen auf viel Menü und Fisch.
Vielen Dank für das Gespräch.
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