Coburg: Interview der Familie Steinberger zum Weltfrühchentag
Jedes Jahr wird an diesem Tag an die Belange von Frühchen und Eltern/Familien erinnert, denn inzwischen ist gut jedes 10. Neugeborene ein Frühchen.
Familie Steinberger wurde im September 2021 von der Frühgeburt ihres jüngsten Sohnes überrascht und gibt hierzu ein Interview:
Warum setzen Sie sich als Geschäftsführer einer regional ansässigen Firma und als Familie so für den Weltfrühchentag und die Belange von frühgeborenen Kindern ein?
Philipp Steinberger: Wir haben selbst im letzten Jahr erlebt, was es heißt ein Kind viel zu früh auf der Welt begrüßen zu müssen/zu dürfen und waren sehr dankbar für die professionelle Hilfe und das Netzwerk, welches hier wohnortnah am REGIOMED Klinikum Coburg existiert. Wir haben auch durch Freunde und Bekannte viel Unterstützung und Zuspruch erhalten. Dabei ist aufgefallen, dass sehr viele selbst von einer Frühgeburt betroffen waren, was wir bis zur Geburt unseres Frühchens gar nicht wussten. Vielleicht hätte uns das Wissen um all die zumeist positiven Verläufe einer zu frühen Geburt die Ängste und Sorgen in der ersten Zeit etwas genommen. Aber tatsächlich haben wir uns bis zum Blasensprung in der 29. Schwangerschaftswoche nicht mit der Thematik befasst. Unser Engagement soll Aufklärung geben, denn schließlich kommt gut jedes 10. Neugeborene zu früh zur Welt. Leider wird dieser Umstand noch viel zu selten thematisiert und die Kleinsten der Kleinen brauchen eine Lobby; sie brauchen unsere Unterstützung, damit wir für Ihre Belange und eine kompetente, einfühlsame Versorgung vor Ort kämpfen. Daneben soll unser Einsatz den vielen Eltern, die sich in der gleichen Situation befinden wie wir vor einem Jahr Mut machen und Kraft schenken. Die lilafarbene Beleuchtung ist das Zeichen des internationalen Weltfrühgeborenentags, der jedes Jahr am 17.11. stattfindet. Auch in diesem Jahr haben wir die Gebäude der Firma Wöhner und den Sinit-Kreisel wieder in lilafarbenes Licht getaucht, um unsere Unterstützung für den Kampf um die Kleinsten zu zeigen.
Wie ging es Ihrem Sohn nach der Geburt und wie geht es ihm heute?
Lisa Steinberger: Die Situation im September 2021 hat uns ziemlich überfahren. Während ich mit dem Krankenwagen in das Klinikum gebracht wurde, machte ich mir sehr große Sorgen um mein Baby. Was uns erwarten würde, war in diesem Moment für uns überhaupt nicht klar. Die Ärzte und Schwestern des Perinatalzentrums um die Leiterin Frau
Dr. Philipp haben mir absolute Bettruhe verordnet und mich und unseren bis dato ungeborenen Sohn streng überwacht. Sie haben ihm eine weitere wertvolle Woche in meinem Bauch ermöglicht und konnten durch die Eingabe eines Medikaments die Lungenreife bei ihm fördern. Das war wichtig und hat damit doch zu einem guten Start ins Leben – wenn auch viel zu früh – beigetragen. Heute ist er ein aufgewecktes Baby, das sich sehr gut entwickelt hat. Man merkt ihm die Frühgeburt nicht an. Aber die Erfahrungen prägen einen – wir als Eltern sind besorgter und die Ängste sitzen tief. Das Erlebnis war ein echtes Trauma, auch wenn es gut ausgegangen ist.
Wie haben Sie damals die Zeit im Krankenhaus wahrgenommen?
Lisa Steinberger: Das ganze Team ist uns mit Kompetenz und inniger Fürsorge begegnet. Sowohl in der Frauenklinik wie auch in der Kinderklinik und auch in der Nachsorgearbeit haben alle Mitarbeitenden in unserer Wahrnehmung hervorragende Arbeit geleistet. Neben der hohen Fachexpertise arbeiten alle mit großem persönlichem Engagement für die Babys und deren Familien. Diese Stimmung haben wir bereits von Anfang an aufgenommen und sie hat uns ein Stück Sicherheit und Zuversicht vermittelt und uns durch die schwierige Zeit getragen.
Woraus haben Sie in dieser Zeit Kraft geschöpft?
Lisa Steinberger: Wir haben viele Frühcheneltern kennengelernt und wussten wir sind nicht alleine damit. Und auch die vielen Geschichten der dort behandelten Frühchen, die auf der Kinder-Intensivstation des REGIOMED Klinikums Coburg aushängen haben mir Mut gemacht. Die Bilder von ehemaligen Frühchen, die lachend auf einem Spielplatz toben waren für mich wie ein Blick in unsere Zukunft und ich fühlte, dass auch wir diese Situation meistern werden.
Was muss sich grundsätzlich an der Haltung zum Umgang mit frühgeborenen Kindern in der Gesellschaft aber auch im Hinblick auf die Diskussion um die Perinatalzentren ändern?
Philipp Steinberger: Gerade als betroffener Vater finde ich die Diskussion um den künftigen Erhalt oder die Zentralisierung von diesen spezialisierten Einheiten für Frühchen völlig absurd. Wir selbst hätten die Situation mit unseren drei großen Kindern, dem Alltag, dem Familienleben und den täglichen Besuchen bei unserem jüngsten Sohn nicht leisten können, wenn wir in ein weiter entferntes Zentrum hätten gehen müssen. Es ist auch eine lange Zeitspanne, die ein Frühchen wie unseres im Krankenhaus behandelt wird. Da reden wir eben nicht nur über ein oder zwei Wochen, die abgedeckt werden müssen. Die täglich mehrfachen Besuche bei unserem Sohn wären in einem weiter entfernten Zentrum so sicherlich nicht möglich gewesen. Daher bin ich sehr froh, dass es eine so gute Versorgung am Klinikum Coburg für die Betroffenen der Region gibt. Das Argument, eine Mindestmengenregelung sorge für mehr Erfahrung im Umgang mit Frühchen, halte ich für vorgeschoben. Natürlich benötigt das Team für eine adäquate Versorgung von Frühchen eine umfassende Ausbildung und entsprechende Übung. Aber ob der Erfahrungsschatz dann bei genau 24 besser ist als bei 20 ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Den Bereich der Frühchenversorgung kann man meines Erachtens auch nicht nur rein zahlenmäßig betrachten, hier geht es auch um eine intensive und persönliche Betreuung von Kind und Eltern. Das wird bei der aktuellen Diskussion gerne vergessen.
Wie kann man Frühchen-Eltern als Außenstehender helfen?
Lisa Steinberger: Ich war über jede Nachricht froh, die Freunde und Bekannte mir geschrieben haben. Keiner kann sich so recht vorstellen, was so ein Erlebnis mit einer Familie macht, es sei denn man hat es selbst erlebt. Aber zu wissen, dass man nicht alleine ist und auf Unterstützung bauen kann, habe ich als sehr wertvoll empfunden.
Und dann gibt es noch etwas, mit dem Sie anderen Frühchen-Eltern Mut machen wollen?
Familie Steinberger: Eine Frühgeburt muss keine Auswirkungen haben, es muss kein Stigma fürs Leben sein und man muss es auch zu keinem machen. Eine Frühgeburt ist kein Einzelfall und zu wissen, dass alles gut werden kann, gibt sicherlich vielen Eltern Mut und Hoffnung. Im Alltag gibt es so wenig Gelegenheit über das Thema Frühgeburt und die Versorgung von Frühchen zu sprechen. Aber wenn wir es aktiv ansprechen, dann erleben wir so viele positive Reaktionen. Deswegen ist auch ein Tag wie der 17.11. wichtig um das Thema in die Öffentlichkeit zu streuen. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass es ein echtes Trauma war, aber es kann eben auch alles gut werden. Gerade auch wegen der kompetenten Versorgung, die wir in der Region haben.
Was war ihr größter Wunsch zum 1. Geburtstag Ihres Sohnes im September?
Familie Steinberger: Natürlichen wünschen wir ihm stets beste Gesundheit und dass er sich weiter so gut entwickelt. Wir wünschen uns, dass die Frühgeburt später einfach nur eine Notiz zu seinem Geburtsverlauf ist und er gleiche Chancen, gleiche Entwicklungsmöglichkeiten und keinerlei Einschränkungen im Vergleich zu anderen Kindern hat. Bisher sieht es gut aus und wir danken allen, die diese Entwicklung ermöglicht haben.
Auch in diesem Jahr hat das REGIOMED Klinikum Coburg mit Beleuchtungen und einer Blutspendeaktion auf die Wichtigkeit des Weltfrühchentags hingewiesen. Auch hier hat uns, neben dem 3. Bürgermeister der Stadt Coburg und dem BRK (Kreisverband Coburg wie auch der Blutspendedienst), die Firma Wöhner wieder mit der Beleuchtung in der Firmenzentrale und dem Sinit-Kreises unterstützt und damit ein Zeichen für den Kampf von Frühchen und ihren Familien gesetzt.
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