IHK-Oberfranken-Präsident Dr. Waasner: „Unternehmen sind extrem verunsichert“
Kostensteigerungen und unkalkulierbare Risiken drücken auf die Erwartungen
„Unsere Unternehmen sind aktuell extrem verunsichert“, so Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth beim Vorstellen der jüngsten IHK-Konjunkturbefragung. „Das spiegelt sich in den Konjunkturerwartungen für 2023 wider, die in noch nie dagewesenem Umfang nachgeben.“ Der IHK-Konjunkturklimaindex stürzt in der Folge um 24 auf 81 Punkte.
Steigende Preise für Energie und Rohstoffe, Lieferengpässe, eine drohende Energiemangellage, dazu eine hohe Inflation, die Konsumlaune auf historischem Tiefststand und die weiterhin schwelenden Corona-Pandemie – die Herausforderungen für die oberfränkische Wirtschaft werden immer mehr.
Aktuelle Geschäftslage weiterhin positiv beurteilt
„Die oberfränkischen Unternehmen sind noch recht gut positioniert, die aktuelle Geschäftslage wird im Saldo positiv beurteilt“, so Malte Tiedemann, Konjunkturreferent der IHK für Oberfranken Bayreuth. 35 Prozent der Befragten sind mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufrieden, nur 18 Prozent nicht. Damit verbleibt der Saldo auf dem Niveau der Umfragen vom Frühjahr und zur Jahreswende.
Zwar überwiegt in allen Wirtschaftsbereichen eine positive Einschätzung, getragen wird die positive Beurteilung aber vor allem vom Bau- und Tourismussektor. Im Vergleich zur Frühjahrsumfrage hat sich der Saldo aus Positiv- und Negativantworten in etlichen Wirtschaftsgruppen verschlechtert. Deutlichere Rückgänge im Vergleich zum Frühjahr vermelden vor allem der Einzelhandel, der unter der drastisch nachlassenden Konsumlaune leidet, und die Baubranche, die von steigenden Zinsen, Rohstoffknappheit und Preisanstiegen beim Baumaterial in die Zange genommen wird. Ebenfalls einen leichten Dämpfer vermelden Industrie und Großhandel. Dieser fast flächendeckend nachlassenden Konjunkturlage kann sich nach einer guten Sommersaison einzig der Tourismus entziehen.
Die Kapazitätsauslastung ist bei den meisten Unternehmen höher als zuletzt. 39 Prozent beurteilen diese positiv (Frühjahr: 31 Prozent), nur 19 Prozent (27 Prozent) negativ. Dass sich die Rahmenbedingungen langsam eintrüben, sieht man dagegen am Auftragsvolumen. Dieses hat im In- und vor allem im Ausland spürbar nachgelassen.
Stärkster Rückgang seit Beginn der IHK-Aufzeichnungen
Nicht überraschend sind deshalb die negativen Erwartungen für 2023. Nur noch neun Prozent der Befragten rechnen mit einer Verbesserung der Geschäftslage, 53 Prozent dagegen mit einer Verschlechterung. Dr. Waasner: „Noch nie wurden die Konjunkturaussichten derart negativ beurteilt.“ Die Unternehmen rechnen mit einem spürbaren Rückgang des Auftragsvolumens, vor allem bei der Auslandsnachfrage. Lediglich das Nordamerikageschäft soll in etwa auf dem bisherigen Niveau bleiben.
Rückläufige Kapazitätsauslastungen erwartet
45 Prozent der Unternehmen gehen von einer rückläufigen Kapazitätsauslastung aus. Im Frühjahr waren es nur 22 Prozent. Dafür schrumpft der Anteil der Unternehmen, die mit einer steigenden Kapazitätsauslastung rechnen, von 24 auf 11 Prozent.
Dass vor diesem Hintergrund auch Inlandsinvestitionen rückläufig sind, überrascht deshalb nicht wirklich. „Die Betriebe nehmen die Herausforderungen an und versuchen, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen“, macht Wolfram Brehm deutlich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK für Oberfranken Bayreuth. Mehr als zuletzt wird dabei in Energieeffizienz, Rationalisierungen und Produktinnovationen investiert. Viele Unternehmen stellen sich mit einem Wechsel der Energieträger („Fuel Switch“) auf eine mögliche Gasmangellage ein.
„Dem Fachkräftemangel zum Trotz versuchen die Unternehmen, ihre Fachkräfte zu halten. Trotzdem geht die IHK auf der Basis der Unternehmensantworten für 2023 von einer rückläufigen Beschäftigtenzahl aus. Die Betriebe halten sich bei Neueinstellungen zurück, solange die Unsicherheiten so groß sind“, so Brehm. „Immerhin will mehr als jedes zehnte Unternehmen seine Mitarbeiterzahl aufstocken.“
Lieferketten: Anpassungen tragen erste Früchte
Viele Unternehmen haben sich mittlerweile auf stockende Lieferketten und schlechte Materialverfügbarkeit eingestellt. Hier tragen verschiedene Maßnahmen erste Früchte, vor allem eine erhöhte Lagerhaltung (73 Prozent), neue Lieferanten aus der EU (54 Prozent) und von außerhalb der EU (38 Prozent). 44 Prozent der Befragten haben das Problem allerdings durch eine Angebotsreduktion gelöst.
Preisentwicklung wird immer mehr zum Flächenbrand
Wenig verwunderlich ist, dass die Hauptursache für den pessimistischen Ausblick in vielen Branchen die Preisentwicklung bei Energie, Rohstoffen und Vorprodukten ist. Rund 85 Prozent der befragten Betriebe gibt an, dass diese Entwicklung ein Hemmnis für den Geschäftsbetrieb darstellt. Damit bleibt die Preisentwicklung dringlichstes Thema und größter Hemmschuh. Dr. Waasner: „Oberfranken ist einer der herausragenden Industriestandorte in Deutschland und bekommt deswegen die rasant steigenden Energiekosten besonders stark zu spüren.“
Die stärksten Risiken sehen die Unternehmen darüber hinaus vor allem bei der Inlandsnachfrage und dem Fachkräftemangel, der unabhängig von der nachlassenden Konjunktur weiter besteht.
„Der Gaspreis ist aktuell rund zehnmal so hoch wie in den USA, Unternehmen verlieren tagtäglich ein Stück ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit“, macht Dr. Waasner deutlich.
Jetzt müssen schnellstmöglich wirtschaftspolitische Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, angefangen bei einer raschen Umsetzung der Gaspreisbremse und der geplanten Strompreisbremse und einer Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dafür sind ein drastischer Abbau bürokratischer Hemmnisse und effizientere Planungsverfahren erforderlich. „Jeder Tag zählt!“, appelliert Dr. Waasner an die Politik. Er macht aber auch deutlich, dass „…in schwierigen Zeiten unbequeme Entscheidungen leichter zu fällen sind.“
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