Der Neurologe und Buchautor Prof. Dr. Volker Busch sprach beim 20. Unternehmerforum der Sparkasse Forchheim
Sparkasse Forchheim – Unternehmerforum 2022
Wie trifft man die richtige Entscheidung? Mit Kopf oder Bauch? Für rund 150 Besucher des inzwischen 20. Unternehmerforums der Sparkasse Forchheim im Oktober 2022 hat der Neurologe und Buchautor Prof. Dr. Volker Busch aus Regensburg Ratschläge. Es wird ein inspirierender, kurzweiliger und faszinierender Abend mit Schimpansen als Aktien-Experten, Eskimos, die sich verlaufen und Zollbeamten, die eine Näschen für Drogenschmuggler haben.
Tausende Male ist Juan Manuel Fangio den Rundkurs in Monte Carlo schon gefahren. An diesem 21. Mai 1950 ist etwas anders. Irgendetwas kommt dem fünffachen Weltmeister spanisch vor. Er weiß nicht warum, aber der Formel 1-Pilot bremst seinen Rennwagen sofort ab. Das rettet ihn vor einem Zusammenstoß und schlimmen Folgen. Dabei hat er den Unfall vor sich auf der Strecke gar nicht mitbekommen. Ein Tunnel hat den Blick versperrt. Die Intuition aber hat ihn nicht im Stich gelassen. Es dauert viele Stunden, bis der Argentinier nach seinem Grand Prix-Sieg endlich weiß, was ihn gewarnt hat. Unterbewusst hat er wahrgenommen, dass das Publikum in eine ganz andere Richtung geblickt hat als sonst. Das hat ihn blitzschnell reagieren lassen.
Mit solchen anschaulichen Beispielen weiß Volker Busch sein Publikum zu fesseln. Von wegen „Ich bin Professor. Ich kann langweilige Reden halten“. Schließlich prägen mehr als 100.000 Entscheidungen täglich unser Leben. „Dabei geht es nicht, immer die richtige Entscheidung zu treffen, sondern die, die mit der wir leben können“. Die unvermeidlichen Fehler seien dazu da, aus ihnen zu lernen und immer besser zu werden. In seiner klinischen Praxis hat der Facharzt für Neurologie immer öfter auch mit Menschen zu tun, die sich von Künstlicher Intelligenz bedroht fühlen. „Sie haben Angst, dass ihre berufliche Tätigkeit von Algorithmen übernommen werden könnte“. Tatsächlich sind Computerprogramme auf einer Stufe mit mittelmäßigen Radiologen, wenn es um die Auswertung von Röntgenbildern geht.
Volker Busch hat freilich eine tröstliche Botschaft. Auch wenn Maschinen bestimmte Dinge besser könnten als das menschliche Gehirn, etwa die Verarbeitung großer Datenmengen; die kleinen grauen Zellen können dafür einen Sinn in den Dingen erkennen. Intelligenz bedeutet übersetzt nicht ohne Grund: Zwischen den Zeilen-Lesen. „Das mit dem Kontext ist unsere Stärke. Das kann die Maschine nicht“. Ein erschreckendes Beispiel ist ein Google-Bilderkennungs-Programm, das dunkelhäutige Menschen für Gorillas gehalten hat. Die Algorithmen sind offenbar überfordert. „Dass das Menschen sind, erkennt sogar ein zweijähriges Kind“.
Um gute Entscheidungen treffen zu können, benötigt man gar nicht so viele Informationen. „Brauchen Sie beim Restaurantbesuch unbedingt eine Speisekarte mit 200 Gerichten wie beim Inder?“ Oder überfordert solch eine ungeheure Auswahl nicht eher. Wie bei zahllosen Angeboten im Fernsehen und bei Streaming-Diensten. „Überall guckt man, ob es nicht noch etwas Besseres gibt“. Am Ende habe man dann die Zeit mit Trailern vergeudet. „Das nennt der Fachmann Entscheidungs-Melancholie“. Informationen seien überlebenswichtig, aber ein zuviel verwirre.
Wenn man Volker Busch folgt, braucht es nur wenige, aber die richtigen Informationen. Und es braucht den guten alten Immanuel Kant und seine Maxime, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. „Nachdenken, zweifeln, kritische Fragen stellen hilft uns, Fehler zu vermeiden“. Wer sich nur noch blind auf die Technik verlasse, der bekomme Probleme. Wie ein Pilzesammler, der einer App vertraut und deshalb versehentlich giftige Pilze isst. Wie ein Inuit, der den GPS-Daten folgt und sich bei einem Ausfall des Signals in der Eiswüste verirrt. Wie ein Internist, der nur auf die Kernspin-Bilder und nicht auf den Patienten schaut.
Der Arzt und Autor zeigt, dass man sich bei der Entscheidungsfindung durchaus auf sein Bauchgefühl verlassen kann. Aber nur wenn man über genügend Erfahrung verfügt, einer Sache die nötige Aufmerksamkeit widmet und ein gutes Erinnerungsvermögen besitzt. Wie die legendäre „Schwester Agnes“, die er auf einer Intensivstation für Frühgeborene erlebt hat. Sie hatte nicht sein enzyklopädisches Bücherwissen. Dafür aber jahrzehntelange Praxis und durch diese Verwurzelung im Leben ein Gespür dafür, wenn es einem Kind nicht gut ging. „Sie hatte mit ihrer Intuition fast immer recht, auch wenn sie es nicht erklären konnte“. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Krankenschwester ihr Tun immer wieder kritisch überprüft hat. Das rät Volker Busch den Unternehmerinnen und Firmenchefs. Einfach abends hinsetzen, aus dem Fenster schauen und nachdenken über die wichtigen Entscheidungen des vergangenen Tages. „Diese Kopf frei-Momente und das Feedback mit uns selbst macht uns besser“. Am Ende plädiert der Neurowissenschaftler und Psychologe dafür, bei Entscheidungen Kopf und Bauch gleichermaßen zu folgen.
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