Erlangen: Staatssekretärin Anette Kramme und MdB Martina Stamm-Fibich informierten sich über Schaffung inklusiver Arbeitsplätze

Erlangen: Staatssekretärin Anette Kramme und MdB Martina Stamm-Fibich informierten sich über Schaffung inklusiver Arbeitsplätze August 2022
Im Bild von links: Anette Kramme (Staatssekretärin BMAS), P. Ros (Öffentlichkeitsarbeit LAUT), S. Ulrich (Inklusionsberatung Access gGbmH), J. Baumann (Sachgebietsleitung Jugendamt Erlangen), Gerd Worm (Vorstand GGFA AöR, Leitung Jobcenter ER), K.H. Miederer (Geschäftsführer Access gGbmH), Martina Stamm-Fibich (MdB), A. Wiechert (Kinderhausleitung), H. Fischer (Teamleitung Jobcenter ERH), D. Rosner (Referent für Jugend, Familie und Soziales Stadt Erlangen). Foto: LAUT

Politik zu Gast im Haus der Kinder BüNo 19

Recht auf Arbeit, Recht auf Teilhabe – Begegnung mit Inklusion

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert das Modellprojekt „LAUT“ bis 2025 mit rund fünf Millionen Euro zur Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen. Am Freitag, dem 29.07.2022, trafen sich Partnerorganisationen aus dem Inklusionsprojekt mit der parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme und der Bundestagsabgeordneten Martina Stamm-Fibich, im Erlanger BüNo19 – Haus für Kinder und sprachen mit der Einrichtungsleitung sowie Sozialreferent Dieter Rosner über die Erfahrungen und Hindernisse bei der Schaffung inklusiver Arbeitsplätze.

In 2021 hat sich das Haus für Kinder „BüNo 19“ auf den Weg gemacht, um einen inklusiven Arbeitsplatz zu schaffen, berichtet Janette Baumann, Sachgebietsleiterin der Einrichtungen zur Stärkung von Familien im Jugendamt Erlangen. Als integrative Einrichtung mit speziellen Förderräumen hat man sich im Team bewusst entschieden, eine Stelle mit einer Person mit Behinderungen zu besetzen. Man wollte Vorreiter und Vorbild für andere Einrichtungen sein, doch rückblickend betont Andrea Wiechert, Gesamtleitung des Kinderhauses: „Ohne LAUT wäre die Vermittlung nicht zustande gekommen.“ Wiechert war überrascht, dass sich die Stadt so zurückhaltend zeigte, doch die organisatorischen Hürden waren groß und auch die Einarbeitung verlief nicht reibungslos. Geholfen haben hier die lösungsorientierte Teamarbeit und die Vorarbeit im Coaching durch die LAUT-Partnerorganisation „Access“, berichtet Wiechert weiter. Seit September 2021 arbeitet die ehemalige LAUT-Teilnehmerin im Hauswirtschaftsbereich der Einrichtung. Ihre Kollegin Natalie Popp zeigt sich positiv überrascht und erfreut: „Was ich nicht erwartet habe, ist die gute Weiterentwicklung.“ Es brauche eine offene, tolerante und kommunikative Belegschaft, damit auch Menschen mit psychischen und kognitiven Einschränkungen gut inkludiert werden können, ist man sich im Kinderhaus einig.

Unsicherheit bei psychischen Erkrankungen und fehlende Zugänge für Inklusion

Arbeitgebende brauchen Handwerkszeug im Umgang mit psychischen Erkrankungen in der Belegschaft, die nach wie vor für viele eine „Black-Box“ darstellen, so Martina Stamm-Fibich (MdB). Sie nimmt große Bereitschaft wahr, Menschen in Organisationen bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu halten und zu unterstützen: „Man kümmert sich um die eigenen Leute.“ Externe Bewerber*innen haben es hingegen schwer und auch bei psychischen Erkrankungen herrscht oft Unsicherheit. Die parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme wünscht sich vonseiten der Schwerbehindertenvertretung hierzu konkrete Aktionspläne, um das Recht auf Arbeit und somit auf gesellschaftliche Teilhabe tatsächlich allen Personen zu ermöglichen. Die Gesprächspartner*innen bedauern fehlende Wege, um mehr Personen mit besonderen Unterstützungsbedarf im öffentlichen Bereich zu platzieren. Hürden sind etwa die starren Rahmenbedingungen von den Stellenprofilen bis hin zu den Möglichkeiten der tariflichen Eingruppierung. Gleichzeitig vermisst Kramme mehr Inklusionsfirmen, die auf psychische Erkrankungen spezialisiert sind. Im LAUT Projekt ist man diesbezüglich mit den Projektpartnern „wabe e. V.“ und den Sozialbetrieben der „Laufer Mühle“ gut aufgestellt. Denn der Bedarf ist deutlich: Mit 55 Prozent hat der Großteil der Teilnehmenden im Inklusionsprojekt LAUT psychische Erkrankungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Eine steigende Entwicklung, die auch gesamtgesellschaftlich spürbar ist.

Angesichts der dramatischen Lage in der psychotherapeutischen Versorgung sprechen sich alle Gesprächsteilnehmer*innen für mehr Prävention zur Erhaltung der psychischen Gesundheit aus: Sowohl Plätze in der stationären Akutbehandlung als auch ambulante Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind vollkommen überlaufen. Dieter Rosner, Sozialreferent der Stadt Erlangen, zeigt sich angesichts des Fachkräftemangels auf dem Gebiet der Psychotherapie extrem besorgt.

Individuelle Lösungen brauchen Ressourcen

Kramme sieht bei der Platzierung von Menschen mit Behinderung und gesundheitlichen Einschränkungen das sogenannte „Creaming“ als Gefahr. („Creaming“ beschreibt die vorzugsweise Vermittlung arbeitsmarktnaher Klient*innen und vernachlässigen von leistungsschwächeren bzw. Menschen mit diffusen Vermittlungshemmnissen.) Dies schließen die Partnerorganisationen in LAUT aus. Tatsächlich ist LAUT für die Zielgruppe konzipiert, bei der die herkömmlichen Instrumente der Jobcenter bislang nicht zielführend waren. Silke Ulrich, Inklusionsberaterin bei „Access“ berichtet zudem, dass zum Teilnahmestart genau analysiert wird, wo die Personen hinwollen, was sie mitbringen und was realistisch ist, um sowohl Unter- als auch Überforderung zu vermeiden. Daneben werden auch Selbsthilfestrategien erarbeitet, denn Ängste, wie bspw. davor, wieder zu scheitern, sind keine Seltenheit bei den Teilnehmenden. Sie müssen ihre Trigger und Lösungsinstrumente kennen.

Bei der inklusiven Stelle in der Küche des „BüNo 19“ ist ein wichtiger Schlüssel: Kommunikation im Team und mit der betreffenden Person. Nur gemeinsam können Lösungen gefunden und erprobt werden, denn der Arbeitsplatz und die notwendige Unterstützung müssen im gesamten Team mitgetragen werden. Die Beratung und Vermittlung durch LAUT ist hierbei ein willkommener Anker und man bedauert, dass die Begleitung nach zwölf Monaten endet. Denn Inklusion ist ein Prozess, der fortlaufend Ressourcen benötigt.

LAUT – Leben, Arbeiten und Teilhaben in einer inklusiven Gesellschaft

Seit November 2019 hat sich das Projekt „LAUT – Leben, Arbeiten und Teilhaben in einer inklusiven Gesellschaft“ zum Ziel gesetzt, neue, nachhaltig wirksame Impulse zu geben, um bestehende Maßnahmen zur Förderung arbeitsuchender Personen mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen einschließlich schwerbehinderter Menschen mit besonderen Vermittlungsbedürfnissen zu unterstützen und zu stärken. Das Projekt LAUT ist dabei sowohl Ansprechpartner und Coach für Arbeitssuchende, als auch kompetenter Berater und Partner für Arbeitgebende zur Etablierung inklusiver Strukturen im Unternehmen.

Gemeinsam sind wir LAUTstark für Inklusion

Das Jobcenter der Stadt Erlangen/GGFA AÖR ist Projektkoordinator und verantwortet zusammen mit dem Jobcenter Erlangen- Höchstadt das Modellprojekt LAUT gegenüber der Fachstelle rehapro. In bewährter Qualität arbeiten die beiden Jobcenter mit der Access gGmbH sowie den Sozialen Betrieben der Laufer Mühle gGmbH, den Regnitz-Werkstätten gGmbH und der wabe e.V. Erlangen sowie mit Arbeitgebenden aus der Region zusammen. Wissenschaftlich begleitet wird das Modellprojekt vom Institut für empirische Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (IfeS).

Im Projektbeirat engagieren sich leitende Persönlichkeiten aus Unternehmen, Forschung und Verwaltung für gelebte Inklusion, um Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen: Siegfried Beck (Der Beck GmbH), Prof. Markus Beckmann (FAU Lehrstuhl für Corporate Sustainability Management), Konrad Beugel (Stadtrat, Referent für Wirtschaft und Finanzen der Stadt Erlangen), Knut Harmsen (Lt. der IHK Geschäftsstelle Erlangen), Dr. Florian Janik (Oberbürgermeister Stadt Erlangen), Silke Kadach (Sustainability Managerin, General Secretary, Danone DACH / Nutricia), Wilhelm Merz (Merz GmbH), Wolfgang Niclas (ehem. Kreisvorsitzender Deutscher Gewerkschaftsbund), Prof. Dr. Friedrich Paulsen (Direktor am Institut für Funktionelle und Klinische Anatomie der FAU), Jürgen Pillipp (Pillipp Haustechnik GmbH), Norbert Ratzke (Lt. des Jobcenters Erlangen-Höchstadt), Dieter Rosner (Stadtrat, Sozialreferent der Stadt Erlangen), Alexander Tritthart (Landrat Landkreis Erlangen-Höchstadt), Thomas Wächtler (Wirtschaftsförderer Landkreis Erlangen-Höchstadt), Prof. Dr. Ulrich Walwei (Vizedirektor IAB und Mitglied im Rat der Arbeitswelt des BMAS), Gerd Worm (Vorstand GGFA AöR).

Weitere Informationen unter www.laut-inklusion.de.