Infoabend der Handwerkskammer für Oberfranken auf Schloss Thurnau beschäftigte sich mit erfolgreicher Nachwuchsarbeit
Wertschätzung, Interesse, Verständnis und viel Engagement
Diese Zutaten gehören in jeden Fall zu einer erfolgreichen Nachwuchsarbeit – Gut besuchter Infoabend der Handwerkskammer
Ein simples Erfolgsrezept gibt es nicht, aber grundlegende Zutaten, die bei einer erfolgreichen Suche nach Nachwuchs und dem Binden von Fachkräften auf keinen Fall fehlen dürfen – etwa Wertschätzung, Interesse, Verständnis und viel Engagement. Das war das gemeinsame Fazit von zwei Handwerksunternehmern, einem Geschäftsführer aus dem Profisport und einem Coach, die bei der von der Handwerkskammer für Oberfranken organisierten Veranstaltungsreihe „Handwerk trifft sich“ auf Schloss Thurnau über den richtigen Umgang mit heutigen Auszubildenden und Fachkräften diskutierten.
„Das Thema unserer Zeit – der Fachkräfte- und Nachwuchsbedarf“ hatte die HWK den Abend überschrieben, bei dem sich knapp 100 Handwerkerinnen und Handwerker aus Oberfranken trafen. Ihr Ansinnen: neue Impulse bei der Suche nach Auszubildenden zu bekommen. Die thematische Einführung in den Abend übernahm mit Peter Breidenbach (Hirschaid) ein Coach, der lange Jahre Erfahrung in der Begleitung von Jugendlichen und auch von Führungskräften hat. “Ein maßgeblicher Grund für den aktuellen Fachkräftemangel ist nicht die geringe Geburtenzahl, sondern die mangelnde Qualität potenzieller Bewerberinnen und Bewerber und unattraktive Arbeitsangebote“, sagte Breidenbach, der sowohl Sportler als auch Unternehmer betreut. Darüber zu klagen, helfe aber nichts. „Wer jammert, verliert!“ Daher gelte es, sich attraktiver als mögliche Mitbewerber zu machen und dem Nachwuchs Perspektiven zu geben.
Die Raab Baugesellschaft aus Ebensfeld (Lichtenfels) und das Backhaus Fickenscher (Münchberg) sind auf diesem Weg bereits ein Stück fortgeschritten. Bei Raab setzt man dabei unter anderem auf Peter Breidenbach, der die jungen Auszubildenden gemeinsam mit einem Berufsschullehrer im Ruhestand über das normale Maß hinaus betreut. „Wir haben einfach festgestellt, dass die Jugendlichen in dem Alter, in dem sie bei uns eine Ausbildung beginnen, noch nicht so gefestigt sind. Manchmal reicht eine Kleinigkeit, um sie aus der Bahn zu werfen – und sie hören die Ausbildung auf“, berichtet Wolfgang Schubert-Raab, der als Geschäftsführer das Personal verantwortet. Darüber hinaus versuche Raab seine Auszubildenden zu fordern und ihnen etwas zuzutrauen. „Sie sind sehr stolz, wenn sie etwas alleine gemeistert haben. Und dann auch mit Begeisterung dabei.“
Begeisterung und Überzeugung paaren sich beim Backhaus Fickenscher mit modernster Technologie, die es dem Bäcker erlaubt, einen Großteil der üblicherweise nachts anfallenden Tätigkeiten auf den Tag zu schieben. Geschäftsführer und Mitinhaber Andreas Fickenscher: „Wir haben enorm viel in die Digitalisierung investiert – aber bei uns ersetzt keine Maschine den Handwerker oder die Handwerkerin. Bei uns hilft die Technik, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren – auf handwerkliches Backen mit möglichst natürlichen Zutaten und viel Zeit.“ Dies und der Effekt, dass die meisten Mitarbeitenden nicht mitten in der Nacht in die Backstube kommen müssen, habe dazu geführt, dass das Backhaus sogar mehr Nachfrage nach Ausbildungsstellen hatte als Angebote. Darüber hinaus gebe es aber täglich sehr viele Faktoren, die im Umgang mit den Jugendlichen quasi permanent beachtet werden müssten. „Vor allem braucht es Wertschätzung für die Jungen und Mädchen. Und enorm viel Engagement.“
Jan Gorr, der mit dem Coach und den Handwerkern diskutierte, kommt aus dem Sport. Als Geschäftsführer bei HSC 2000 Coburg, dessen 1. Herrenteam in der 2. Handball-Bundesliga spielt, ist er auch für die Nachwuchsarbeit verantwortlich. „Wir sind per se gefordert, gute Nachwuchsarbeit zu leisten“, sagt Gorr, der früher unter anderem Co-Trainer der Herren-Nationalmannschaft war. Daher habe er mit dem Verein das Konzept „Coburger Weg“ ins Leben gerufen, das darauf abzielt, neben dem sportlichen Erfolg einzelner Spieler ganzheitliche Werte zu vermitteln und die jungen Menschen auch außerhalb des Spielfelds weiterzuentwickeln. „Dabei steht der schulische oder berufliche Erfolg immer ganz klar über dem sportlichen.“ Klar sei aber auch, dass die Ziele nur durch einen optimal strukturierten und organisierten Jugendbereich zu erreichen seien, in dem sehr gut qualifizierte Jugendtrainer und Mitarbeitende tätig sind. „Auch wir betreiben einen sehr hohen Aufwand. Ohne dieses Engagement“, so Gorr, „geht es nicht mehr“.
In der Diskussion mit den Handwerkerinnen und Handwerkern zeigten sich durchaus einige Unterschiede. Etwa bei der Frage, inwieweit die Eltern in die Ausbildung der ohnehin nur bedingt selbstständigen Jugendlichen einbezogen werden müssten oder sollten. Schubert-Raab brachte dies auf einen klaren Nenner: „Egal, ob die Mütter oder Väter eher Helikopter-Eltern sind oder sich vielleicht zu wenig um die Kinder kümmern: Ich muss immer wissen, mit welchem Typ ich es zu tun habe, um richtig handeln zu können.“
Neueste Kommentare