Slow Food-Bewegung feierte 30. Geburtstag mit Rauchbier in Bamberg

Deutschland feiert 30 Jahre Slow Food mit Bamberger Rauchbier

30 Jahre Eintreten für authentisch gemachte, traditionell-handwerklich hergestellte und nachhaltig produzierte sozial- und umweltverträgliche Lebensmittel

Slow Food feiert 2022 seinen 30. Geburtstag. Dazu finden im ganzen Bundesgebiet dezentral besondere Veranstaltungen statt. Eine davon fand am Samstag, 23. Juli 2022, in Bamberg statt. Seit 30 Jahren schon streitet die Bewegung gegen industriell gemachte Lebensmittel, Massentierhaltung, Gentechnik im Essen und gegen Klimawandel. Erzeugt durch Monokulturen in Agrarwüsten, die durch Billigpreise den Markt überschwemmen, Artenvielfalt verringern und die weder Hersteller noch Natur auf Dauer tatsächlich verkraften können. Aus diesem Grund lud Slow Food Deutschland am 23. Juli zum Tag der Rauchbier-Bewahrung nach Bamberg ein.

Warum das Bamberger Rauchbier so wichtig ist?

Es steht exemplarisch dafür (und macht deutlich) um was es Slow Food geht: Spezial und Schlenkerla sind weltweit die beiden letzten Betriebe, die ihr feuchtes Grünmalz noch – so wie früher überall – über einer echten Feuer-Darre trocknen und so zu Malz verarbeiten. Niemand macht das mehr so und niemand kann das sonst noch.

Christian Merz von der Brauerei Spezial hat mit Bäuerinnen und Bauern dafür eigens eine Braugersten-Solawi gegründet. Denn er will wissen, wie und wo seine Braugerste für das Malz so wächst. Die Felder sehen. Und will so seinen Beitrag zum Erhalt unserer fränkischen Kulturlandschaft und zum Artenschutz durch Bio-Anbau leisten. Denn er möchte Lebensmittel gesund erzeugen. Und daher suchte er aus Idealismus für die guten Dinge auf unseren Tellern den Kontakt zu den Erzeugerinnen und Erzeugern. Und garantiert marktunabhängig Abnahme zu fairen Preisen. Es ist ihm wichtig den ganzen Prozess – vom Acker bis zum Krug – selbst in der Hand zu haben.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher leben aber meist in einer anderen Werbe-Welt. Großbäcker werben mit Bildern traditionell alter Backstuben und viele Lebensmittel-Konzerne täuschen echtes Handwerk, Tradition, Regionalität und Herkunft vor. Das dies längst nicht mehr so ist ahnen viele, aber es lässt sich dennoch gut vermarkten. Ganz Deutschland oder das Bundesland wird dann schnell zur Region erklärt.

Und so hat auch die Craft-Beer-Welle in den letzten Jahren für eine Renaissance und Flut neuer Rauchbier-Anbieter gesorgt. So weit so gut. Aber eben nicht echt gemacht. Dabei wird dem schon fertigen Malz nachträglich Aroma hinzugefügt. Und das ist eben nicht dasselbe. Da wird Tradition nur vorgetäuscht: Rauchbier ohne Grünmalz-Darre.

Wenn zwei das Gleiche tun?

Bekannt ist das von vielen Lebensmitteln. Da wird aus ökonomischen Gründen getrickst, gefaked und gefärbt, bunt verpackt und blumig beworben. Statt Erdbeeren finden sich dann im Erdbeerjoghurt roter Farbstoff und Zucker mit naturidentischen Aromastoffen. So ein Becher hat dabei aber nie mehr eine Frucht gesehen. Genauso ergeht es manch krossem Schinken und Käse auf der Pizza, die letztlich nur noch Separatorenfleisch oder Analogkäse enthalten. Imitate mit Geschmacksverstärkern ohne Reifezeit. Mit Zusatzstoffen, Emulgatoren Schlachtabfall, Eiweiß und Wasser gestreckte Mischungen. Um ein Vielfaches billiger als Parma-Schinken oder Parmesan.

Bamberg die Arche-Stadt

Genau deswegen setzt sich Slow Food seit drei Jahrzehnten auch für den Erhalt alter traditioneller Obst- und Gemüsesorten ein. Bamberg ist hier ein Paradebeispiel für Sortenvielfalt, die sich durch die Tradition im urbanen Gartenbau ergeben hat. Und dort gibt es eine einzigartige Genusskultur zu erleben. Anderswo haben diese Kulturschätze nicht überlebt. Sie wurden weniger aufwändigen und eher massenmarkttauglichen Feldfrüchten geopfert. Und das wäre in Bamberg ebenso fast passiert. Denn die inzwischen wieder berühmte Kartoffel „Bamberger Hörnla“ – zickig im Anbau und nicht geeignet für Pflanz- und Ernte-Maschinen – wäre beinahe ausgestorben. So wie die „Bamberger Weissgute“ oder „Bamberger Lerchen“. Inzwischen unwiederbringlich verloren.

Und Kartoffelsalat zu Bamberger Bratwürsten oder Wirsing zum Braten schmeckt mit anderen Kartoffeln oder runden Wirsing-Köpfen eben völlig anders, als wenn er nach Gärtner-Art mit den Hörnla-Erdäpfeln oder mit dem berühmten Bamberger Spitzwirsing zubereitet wird. Und so verliert das kulinarische Erbe Stück für Stück unserer Genuss- und Foodkultur sowie traditionell-unverwechselbare Spezialitäten. Verdrängt vom globalen Wettbewerb. Nicht massenmarktfähig, weil sie sich im Kampf der Billiganbieter um die Gunst der Kunden irgendwann oft einfach nicht mehr rechnen. So wie viele Gartenbau-Betriebe im Welterbe. Und statt Salat vor der Haustür zu haben bestückt der Großhandel dann die Regale mit Grünzeug aus Spanien. Von weit her gefahren. Inklusive Klimafolgen, Abgas und auch Lärm.

Zum authentischen Genusstag eingeladen

Und so steht das noch traditionell gemachte Bamberger Rauchbier exemplarisch für authentisch erhaltene Food-Kultur im Lebensmittel-Handwerk. Slow gedarrt, statt fast gemalzt. Und das wurde am vergangenen Wochenende gefeiert. Dabei wurde auf den 30. Geburtstag von Slow Food angestoßen! Stilecht mit dem Slow-Food-Arche-Passagier am erstmalig neu eingeführten internationalen Tag der Rauchbier-Bewahrung (23.07.). Dafür hatte die Brauerei Heller (Schlenkerla) in diesem Jahr eine nur begrenzt erhältliche Sonderabfüllung unfiltriertes Märzen-Bier angefüllt. Versehen mit dem Geburtstagslogo von Slow Food. Ab sofort im regionalen Getränkehandel und ab Brauerei am Oberen Stephansberg in Bamberg erhältlich.

Bamberg ist weltweit die Stadt mit den meisten Slow-Food-Arche-Passagieren, die für die Internationle Slow Food Stiftung für Biodiversität das kulinarische Welterbe repräsentieren.