Der Klimaentscheid Bayreuth geht juristisch gegen die Unzulässigkeitserklärung der Stadt Bayreuth vor
Klagen fürs Klima: Der Klimaentscheid Bayreuth geht juristisch gegen die Unzulässigkeitserklärung seiner Forderung vor
Vor zwei Wochen hatte das Rechtsamt der Stadt Bayreuth die Forderung des Klimaentscheids für materiell unzulässig erklärt. Die Fragestellung, welche dieser Forderung zugrunde liegt, lautet folgendermaßen:
Sind Sie dafür, dass die Stadt Bayreuth die Verwaltung beauftragt, innerhalb von einem Jahr nach Erfolg des Bürgerentscheids, einen konkreten und verbindlichen Maßnahmenplan zu erstellen, mit dem eine echte Klimaneutralität bis 2030 erreicht wird; den Maßnahmenplan direkt im Anschluss an seine Erstellung im Rahmen einer Bürgerversammlung oder eines Online-Äquivalents vorstellt und mit den Bürger:innen diskutiert; unmittelbar danach überarbeitet und umsetzt; dafür sorgt, dass die Verwaltung die Umsetzung des Maßnahmenplans überprüft, dokumentiert und der Maßnahmenplan allen Bürger:innen barrierefrei zur Verfügung stellt; der/die Oberbürgermeister:in jährlich über die Umsetzung des Maßnahmenplans und das Erreichen der Reduktion der CO2e-Emissionen* öffentlich Rechenschaft ablegt; bei allen zukünftigen Stadtratsbeschlüssen deren Auswirkungen auf das Erreichen des Zieles Klimaneutralität 2030 in der Beschlussvorlage deutlich gemacht werden müssen?
1) Der Maßnahmenplan für echte Klimaneutralität soll den Bürger:innen nachvollziehbar aufzeigen, wie viele CO2e-Emissionen pro Jahr in welchen Bereichen eingespart und wie etwaige Kompensationen durchgeführt werden sollen; im Falle von Schwierigkeiten bei der Erhebung von Daten kann auf Durchschnittswerte zurückgegriffen werden; b) welcher Stellenbedarf und welche Kosten zur Umsetzung geschätzt werden.
(2) Klimaneutralität im Allgemeinen bedeutet, dass Handlungen und Prozesse keine CO2e-Emissionen verursachen oder diese vollständig kompensiert werden.
(3) Gemeint mit einer echten Klimaneutralität der Stadt Bayreuth ist die Erreichung des Ziels durch einen Maßnahmenplan, der Klimaneutralität sektorenübergreifend (bspw. Energie, Verkehr, Wirtschaft, Gebäude, Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion), soweit es in den Zuständigkeitsbereich der Stadt fällt, verwirklicht bzw. entsprechende Anreize setzt. Das bedeutet die maximal umsetzbare Reduktion aller Emissionen auf dem Stadtgebiet sowie städtischer Unternehmen außerhalb des Stadtgebiets und ab 2030 die Kompensation etwaiger nicht reduzierter Emissionen durch die Stadt Bayreuth.
Wie auch die Fraktionen der Grünen und der Bayreuther Gemeinschaft zweifeln wir an der Einschätzung des Bayreuther Rechtsamtes. Entscheidend für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ist, ob die Forderung einen konkreten umsetzbaren Inhalt hat, sodass die Bürger*innen eindeutig erkennen können, wofür oder wogegen sie abstimmen. Laut der Einschätzung des Rechtsamts sei die oben genannte Forderung des Klimaentscheids zu unbestimmt. Insbesondere die Forderung nach einem verbindlichen Maßnahmenplan und dessen Überarbeitung und Umsetzung nach Diskussion mit den Bürger*innen. Auch die hohe Belastung des kommunalen Haushalts wird als Argument gegen eine Zulässigkeit angebracht. Es sei nicht sichergestellt, dass bei Durchführung des Klimaentscheids eine Überschuldung der Stadt vermieden werden kann.
Warum widersprechen wir dem?
Die Fragestellung des Bürgerbegehrens ist nach unserer Überzeugung durchaus bestimmt genug. Es wird das klare Ziel der Klimaneutralität bis 2030 vorgegeben. Die untergeordneten Punkte wie etwa die Bürgerbeteiligung sind unter diesem Aspekt selbsterklärend. Zudem ist die Fragestellung, ob ein Bürgerentscheid bestimmt genug ist, nach der Rechtsprechung wohlwollend auszulegen. Es existieren bereits andere gerichtliche Grundsatzentscheidungen bezüglich Bürgerbegehren, in denen Fragen mit ähnlichem Abstraktionsgrad als zulässig bewertet wurden. In diesen Fällen reichte es, dass untergeordnete Teile der Forderung selbsterklärend sind. Auf diese Urteile stützen wir uns.
Außerdem gibt es hinsichtlich der Finanzierbarkeit schwerwiegende Argumente für die Zulässigkeit. Ein bloßer Verweis auf hohe Kosten oder eine nur potentiell denkbare unzulässige Überschuldung reicht nicht aus, um die Forderung für unzulässig zu erklären. Wir halten es außerdem durchaus für machbar, durch Umschichtung der aktuellen kommunalen Ausgaben, Nutzung von Fördergeldern und Senkung der freiwilligen Ausgaben ambitioniertere Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Gleichzeitig sorgt effektiver Klimaschutz jetzt für die Einsparung von Kosten, die zu einem späteren Zeitpunkt entstehen, wenn kein ausreichender Klimaschutz betrieben wird, da zum Beispiel Klimafolgeschäden verringert werden. Daher werden sich Investitionen in den Klimaschutz auch aus finanzieller Sicht für die Stadt lohnen.
Bezüglich der finanziellen Belastung für die Stadt wollen wir weiter darauf verweisen, dass der im Bescheid der Stadt angeführte Klimastadtplan von uns selbst nicht als Grundlage genutzt wird und ausschließlich eine frühe, grobe Einschätzung eines Transformationsprozesses darstellt. Er ist in keinem Fall Teil unserer Forderung.
Warum ist eine Klage eine angemessene Reaktion?
Der Klimaentscheid verfolgt die Strategie einer juristischen Auseinandersetzung mit der Stadt, nicht nur aufgrund von rechtlichen Zweifeln an der Einschätzung des Rechtsamts. Die bisherigen Entscheidungen der Stadt geben uns wenig Hoffnung, dass in näherer Zukunft ausreichend in Klimaschutz investiert wird.
Klimaschutz wird aber mit jeder Minute dringlicher. Besonders in den nächsten Jahren ist eine Umsetzung entsprechender Maßnahmen durch die Stadt notwendig.
Der Großteil des Stadtrats scheint noch nicht voll anerkannt zu haben, dass der Strukturwandel, der nötig ist um die Klimakrise abzuschwächen, unumgänglich ist. Es braucht jetzt weitsichtige Entscheidungen, die Perspektiven für ein zukunfunftsfähiges Bayreuth eröffnen, Bürgerinnen und Bürger beim Umdenken und Handeln unterstützen und klar machen, dass Klimaschutz Chancen bietet. Der Widerstand, der nach wie vor in der Stadt gegen ambitionierten Klimaschutz herrscht, hat naive Züge. Der Klimawandel ist ein unumgängliches Problem, eines, das sich nicht durch die aktuelle Lethargie lösen lässt.
Unser Ziel – ausreichend ambitionierten Klimaschutz – konnten wir nicht über den Dialog mit der Stadt erreichen. Deswegen werden wir versuchen unsere Forderung auf juristischem Weg durchzusetzen. Mit dem Verfassungsgerichtsurteil zeichnet sich ein Umdenken in der Rechtsprechung ab. Wir sehen eine Klage als Chance ein Präzedenzfall für kommunale Bürgerbeteiligung in Sachen Klimaschutz zu werden und so Teil dieses Wandels zu sein.
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