Otto-Friedrich-Universität Bamberg: Welche Firmen überleben Jahrzehntelang?
Otto-Friedrich-Universität Bamberg/Patricia Achter – Projektstelle Forschungskommunikation
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE STUDIE DER UNIVERSITÄT BAMBERG ERGIBT: LANGLEBIGE KONZERNE HABEN ZWEI KRITERIEN GEMEINSAM.
Um langfristig zu überleben, müssen Konzerne dauerhaft Gewinne erzielen. Ihre Gemeinsamkeit: Zwei ökonomische Kennzahlen sind bei
ihnen im Schnitt ähnlich hoch. Diese Durchschnittswerte haben Forscher der Universität Bamberg und der spanischen Universität Jaume I
erstmals entdeckt. „Bisher haben Forschende ausschließlich Firmen aller Altersstufen untersucht, angefangen bei Start-ups. Sie betonten,
dass für den Unternehmenserfolg individuelle Merkmale wie Unternehmensgröße oder Wachstumspotenzial entscheidend seien“,
erläutert Studienleiter Prof. Dr. Mishael Milaković, der den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Internationale Wirtschaft, an
der Universität Bamberg innehat. „Wir haben zum ersten Mal bewusst einen Fokus auf langlebige Firmen gelegt. Und langfristig kommt es
überraschenderweise gar nicht auf Individualität, sondern auf zwei Gemeinsamkeiten an.“ Ihre neuen Ergebnisse haben sie im Mai 2022 in
der internationalen Fachzeitschrift „Management Science“ veröffentlicht.
AUSWERTUNG DER 500 LANGLEBIGSTEN US-KONZERNE
Ein internationales Forscherteam hat die Studie „Survival and the Ergodicity of Corporate Profitability“ durchgeführt: Mishael Milaković und Dr. Philipp Mundt von der Universität Bamberg sowie Prof. Dr. Simone Alfarano von der Universität Jaume I. Sie werteten mit Methoden, die der statistischen Physik entlehnt sind, die 500 langlebigsten US-Konzerne aus, darunter Apple, Procter & Gamble oder Johnson & Johnson. Die Firmen sind alle mindestens 25 Jahre alt. Wie haben sie es geschafft, so lange zu überleben? „In allen Branchen außer dem Bankwesen haben langlebige Unternehmen zwei Kriterien gemeinsam: Zum einen erwirtschaften sie eine langfristige Gesamtkapitalrendite von durchschnittlich etwa neun Prozent“, sagt Erstautor Philipp Mundt. „Zum anderen dürfen sie dabei in der Schwankungsbreite ihrer Profitabilität langfristig nicht mehr als sechs Prozent pro Jahr überschreiten.“
Die Kapitalrendite ist eine Kennzahl, die aussagt, wie effizient ein Unternehmen sein Kapital einsetzt, um Gewinn zu erzielen. Das heißt zum
Beispiel: Eine Firma, der 100 Millionen Euro Kapital zur Verfügung stehen und die damit 9 Millionen Euro Gewinn pro Jahr erzielt,
erwirtschaftet eine Kapitalrendite von neun Prozent. Die zweite entscheidende Kennzahl ist die Schwankungsbreite, die besagt, wie stark
die Kapitalrendite eines Unternehmens schwankt. Überschreitet sie langfristig sechs Prozent im Jahr nicht, scheint dies bei entsprechender
Kapitalrendite von neun Prozent ausreichend zu sein, um langfristig am US-Markt zu bestehen.
VERGLEICH MIT DEUTSCHLAND UND ANDEREN LÄNDERN
„In dieser Studie haben wir uns auf die USA konzentriert“, schildert Mishael Milaković. „Mittlerweile haben wir auch erste Zahlen aus
Deutschland, Frankreich und Japan ausgewertet, die deutlich niedriger als in den USA ausfallen.“ Warum die Durchschnittswerte in diesen drei
Ländern geringer sind, ist noch nicht erforscht. In Deutschland liegen die Kapitalrendite und deren Schwankungsbreite bei langlebigen Konzernen
wie VW, Siemens oder Bayer circa ein Drittel unter denen in den USA, in Japan sogar unter der Hälfte der US-Werte. Somit können es sich
langlebige deutsche oder japanische Konzerne scheinbar zwar erlauben, langfristig eine geringere Kapitalrendite zu erwirtschaften, dafür
dürfen sie sich in ihren Ausschlägen aber nur eine geringere Schwankungsbreite als US-Konzerne leisten.
Milaković’ Lehrstuhl untersucht momentan auch die historische Perspektive langlebiger Konzerne: „Nach unseren vorläufigen Auswertungen kann man unsere Ergebnisse auf sehr lange Zeiträume übertragen – sowohl in den USA als auch in Deutschland“, sagt der Lehrstuhlinhaber. „Die Kapitalrendite und deren Schwankungen bleiben für langlebige Konzerne sogar in globalen Krisenzeiten sehr stabil, beispielsweise in der ‚Langen Depression‘ der 1870er Jahre oder in der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009.“ Einzig während der „Großen Depression“ der 1930er habe es deutliche negative Abweichungen in der Kapitalrendite großer Konzerne gegeben, die ansonsten historisch überraschend stabil geblieben sei. Die Forschenden rechnen damit, dass sie die Ergebnisse der genannten Folgestudien voraussichtlich 2023 veröffentlichen.
Weitere Informationen unter: www.uni-bamberg.de/vwl-iwf/aktuelles/artikel/neue-publikation-in-management-science-fast-track
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