„Engpassfaktor Berufskraftfahrer“ – IHK für Oberfranken Bayreuth: Es muss gehandelt werden!
Die Nachfrage ist so groß wie nie, die Fahrleistungen der Speditionen in den vergangenen zehn Jahren um über ein Drittel gestiegen, die Frachtpreise schießen vielfach in die Höhe. Eigentlich könnten bei den Speditionen die Sektkorken knallen. Stattdessen Ernüchterung pur, erste Lkw werden abgemeldet oder gar verkauft, da an allen Ecken und Enden Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer fehlen, wie IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner deutlich macht.
Sie warnt: „Leere Supermarktregale und Produktionsstillstände sind auf Dauer nicht mehr auszuschließen.“ Die gestörten Lieferketten treiben vielen Unternehmerinnen und Unternehmern die Sorgenfalten in die Stirn. Eine der Hauptursachen für diese Engpässe ist der Mangel an Berufskraftfahrern. Drei von vier Unternehmen des Straßengüterverkehrs klagen in der jüngsten IHK-Konjunkturbefragung über einen Fachkräftemangel. Schätzungen zufolge fehlen deutschlandweit 60.000 bis 80.000 Fahrer, bei den oberfränkischen Speditionen dürften es 800 bis 1.000 sein, so die IHK für Oberfranken Bayreuth.
Der Beruf ist in den vergangenen Jahrzehnten zusehend unattraktiver geworden. Hohenner: „Von der Truckerromantik früherer Jahrzehnte ist nichts übriggeblieben.“ Dass es früher mehr Fahrer gab, liegt auch daran, dass viele ihren Lkw-Führerschein im Rahmen ihres Wehrdienstes bei der Bundeswehr erworben haben.
Situation spitzt sich durch Krieg in der Ukraine spürbar zu
Bereits vor dem Krieg in der Ukraine spitzte sich die Fachkräftesituation immer mehr zu. IHK-Verkehrsreferent Stephan Jarmer verdeutlicht, dass durch das Ausreiseverbot für wehrfähige ukrainische Männer in der EU eine erhebliche Zahl an Fahrern nicht zur Verfügung steht. Gerade bei osteuropäischen Speditionen sind neben vielen Ukrainern auch Fahrende aus Russland und Weißrussland beschäftigt.
Fahrermangel braucht höheren Stellenwert in der Politik
„Die Lage wird sich in den kommenden Jahren dramatisch zuspitzen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen“, so Hohenner. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist aktuell gut ein Drittel der Fahrer älter als 55 Jahre. „Die“ Lösung gibt es nicht, macht Hohenner deutlich. „Klar ist aber, dass das Thema in der Politik einen ganz anderen Stellenwert bekommen muss. Fehlende Fahrer können sich in den mittelfristig zum Haupthindernis für die deutsche Wirtschaft entwickeln.“
Mehrsprachige Prüfungen als Chance
Um als Berufskraftfahrer tätig sein zu dürfen, muss eine sogenannte „beschleunigte Grundqualifikation“ erworben werden, eine IHK-Prüfung, die bisher ausschließlich in deutscher Sprache abgelegt werden kann. Zuletzt wurde der Anteil der Multiple Choise-Fragen von 50 Prozent auf 70 Prozent erhöht. Gleichzeitig erfolgte eine Umstellung auf die sogenannte „leichte Sprache“. Die Durchfallquote sank daraufhin von 17 auf 5 Prozent. macht Frieder Hink vom IHK-Prüfungswesen deutlich. „Bis 2023 soll der Anteil der Multiple Choise-Fragen auf 100 Prozent angehoben werden“, so Hink. „Damit wäre der Grundstein gelegt, dass die Prüfung auch in anderen Sprachen abgelegt werden kann.“
Nach einem Beschluss des zuständigen Bund-Länder-Arbeitskreises ist eine entsprechende Durchführung von Weiterbildungen oder Prüfungen in anderen Sprachen aber bisher nicht zulässig. Hink: „Voraussetzung für Prüfungen in einer anderen Sprache ist, dass der Gesetzgeber mit einem Gesetz die entsprechende Grundlage schafft.“ Dann wären Weiterbildungsangebote und Prüfungen auch in anderen Sprachen möglich.
Ohne Fachkräfte aus dem Ausland geht es nicht
Mit diesen Maßnahmen allein lasse sich die immer größer werdende Lücke an Kraftfahrern aber nicht auffangen, so IHK-Fachkräftereferent Gerd Sandler. „Ohne Fachkräfte aus dem Ausland lässt sich die Lücke bei den Kraftfahrern nicht bewältigen.“ Deutschland müsse bei der Anerkennung von Nachweisen aus Drittstaaten flexibler werden. Dort, wo Nachqualifikationen erforderlich sind, müsse die Fördermittelkulisse angepasst werden, die aktuell zu stark auf die Ausbildung ausgerichtet ist. „Außerdem wird bei Kraftfahrern aus dem Ausland mit zweierlei Maß gemessen. Es gibt hier eine klare Ungleichbehandlung „, so Hink. „So darf ein Berufskraftfahrer aus Drittstaaten mit einem Lkw durch Deutschland fahren. Die gleiche Person darf aber mit genau derselben Qualifikation ohne zusätzliche Prüfungen keine Fahrten für eine Spedition im Inland durchführen.“ Auch hier ist wieder der Gesetzgeber gefordert.
„Wollen wir sicherstellen, dass die Versorgung von Unternehmen und Verbrauchern auch sichergestellt ist, bleibt viel zu tun“, so Hohenner. „Und das muss bald geschehen!“
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