Innung für Elektro- und Informationstechnik Bayreuth: JHV mit Vorträgen über Elektroautos und Energiekosten
Die Diskussion um das Für und Wider von Elektromobilität treibt manche Blüten. Skeptiker führen gerne an, dass das Stromnetz überhaupt nicht für diese zusätzliche Belastung ausgelegt sei.
Die Bayreuther Innung für Elektro- und Informationstechnik drehte bei ihrer jüngsten Jahreshauptversammlung in Oberobsang den Spieß einfach herum. Ein aktuelles Forschungsprojekt zum „bidirektionalen Laden“ zeigt deutlich: Sobald aus einem Elektrofahrzeug auch Energie zurückgespeist werden kann, verfügt das Stromnetz über eine immense Speicherkapazität. Diese „Batterie auf vier Rädern“ kann nicht nur den Überschuss aus erneuerbaren Energien puffern, sondern in Zeiten großer Nachfrage auch wieder ins Netz abgeben und das Gesamtsystem dadurch stabilisieren. Elektroautos werden so zum idealen Partner einer schwankenden Erzeugung aus Sonne und Wind.
Innungsobermeister Bernd Zeilmann bemühte sich, die Angst vorm drohenden Blackout durch Elektromobilität gleich am Anfang zu relativieren: Auch das deutsche Tankstellennetz würde kollabieren, wenn alle Verbrenner gleichzeitig an die Zapfsäule wollten. Genauso unsinnig sei die Annahme, alle Elektroautofahrer würden gleichzeitig laden wollen. Beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge habe man aber sehr wohl die Möglichkeit, durch intelligente Mess- und Regelungstechnik für eine möglichst gleichmäßige Verteilung und Entlastung der Netze zu sorgen. Große Hoffnungen setzen die Mitglieder der Bayreuther Elektroinnung in diesem Zusammenhang auf das sogenannte „bidirektionale Laden“. Daher hatten Sie Erdem Uzun vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT und seinen Kollegen Wolfgang Duschl von der Bayernwerk Netz GmbH eingeladen, um von einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Autohersteller BMW zu berichten.
Mit 65 speziell umgerüsteten Fahrzeugen vom Typ BMW i3 haben die Projektpartner in den letzten Jahren verschiedene Anwendungsfälle bei Privathaushalten und Gewerbebetrieben untersucht, die allesamt mit einer Stromentnahme aus dem Speicher realisiert werden können. In der Praxis zeigte sich, dass die gefundenen Lösungen für alle Beteiligten von Vorteil sind: Der Fahrzeughersteller profitiert, weil sein Auto einen Zusatznutzen bietet. Das Stromnetz wird entlastet, weil über den Akku Stromschwankungen ausgeglichen werden können. Und auch der Kunde freut sich, weil er flexible Stromtarife oder die Energie vom eigenen Dach besser nutzen und dadurch Geld sparen kann.
Dass man aus einem Fahrzeugakku auch Strom entnehmen kann, ist keine neue Idee. Einige Hersteller bieten bereits die Möglichkeit, 230-Volt-Elektrogeräte über eine fest installierte Steckdose am Auto zu betreiben. Doch der eigentliche Nutzen einer Elektroauto-Flotte kann deutlich größer sein als der gelegentliche Betrieb einer Handkreissäge in der Wildnis. Schon 2035, so die aktuellen Schätzungen, könnten in Deutschland rund 20 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Bei einer durchschnittlichen Akkugröße von rund 50 Kilowattstunden pro Fahrzeug steht dann ein Speicher von rund 1.000 Gigawattstunden zur Verfügung, das ist etwa die 25-fache Kapazität aller deutschen
Pumpspeicherkraftwerke. Die Experten gehen fest davon aus, dass sich diese riesige Speicherkapazität auch nutzen lässt, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen und Überschüsse aus erneuerbaren Energien zu puffern. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Fahrzeug am Netz angeschlossen ist. Dies dürfte allerdings das kleinere Problem sein, denn üblicherweise wird ein Fahrzeug in Deutschland nur ein bis eineinhalb Stunden am Tag bewegt. Den Rest verbringt es in der Garage, auf dem Firmenparkplatz oder sonst wo, oft in Reichweite eines Netzanschlusses.
Dass die Umsetzung auch technisch funktioniert, konnte das vor drei Jahren ins Leben gerufene Forschungsprojekt inzwischen eindrücklich beweisen. Im Zusammenspiel mit intelligenten Messsystemen und eigens entwickelter Software lassen sich laut Erdem Uzun eine ganze Reihe neuer Anwendungsfälle für den Elektroauto-Speicher realisieren. Auf Kundenseite sei natürlich die optimale Ausnutzung der günstigen Energie aus der eigenen PV-Anlage ganz oben auf der Wunschliste. Doch neben dieser Eigenverbrauchs-Optimierung könne ein Fahrzeugakku zum Beispiel auch eingesetzt werden, um Leistungsspitzen abzufangen. Diese Anwendung berge gerade für Unternehmen erhebliche Potenziale zur Kosteneinsparung. Außerdem habe man gezeigt, dass man die Speicher zukünftig auch gewinnbringend für den Stromhandel an der Börse nutzen könne. Genauso ließen sich die Fahrzeugbatterien einsetzen, um Netzschwankungen zu stabilisieren oder eine Notstromversorgung bereitzustellen. Bereits 2030, so TenneTs Vision, werde bidirektionales Laden ein fester Bestandteil des Energiesystems ein.
Pionierarbeit leisteten die Partner des Forschungsprojekts bei der Entwicklung der notwendigen Soft- und Hardware-Komponenten. Für das Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und Stromnetz mussten neue Schnittstellen und Kommunikationsprofile geschaffen werden. In Verbindung mit den neuen, intelligenten Stromzählern seien Lösungen entstanden, die wesentlich komplexere Aufgaben erfüllen könnten als das bloße Ein- oder Ausschalten, so Wolfgang Duschl von der Bayernwerk Netz GmbH, der live aus Regensburg zugeschaltet war.
Auch wenn renommierte Hersteller wie VW bereits angekündigt haben, ihre Fahrzeuge bald mit der entsprechenden Fähigkeit auszustatten, ist es immer noch ein weiter Weg, bis bidirektionales Laden tatsächlich in der Breite genutzt werden kann. Bislang hat der Bund nämlich noch nicht den nötigen Rahmen geschaffen, um die teils komplizierten Vorgänge beim Laden und Einspeisen von Strom rechtssicher abzubilden. Aber auch dazu konnten aus dem Forschungsprojekt eine ganze Reihe von Empfehlungen abgeleitet werden, die nun in den Fachgremien mit der Bundesregierung diskutiert werden müssen. Schon in ein bis zwei Jahren, so die optimistische Einschätzung der Experten, dürften die Regeln feststehen. Dann könnte aus der Vision vom rollenden Batteriespeicher, der die Energiewende beschleunigt, endlich Realität werden.
Digitales Planen und Bauen
Zuvor hatte der Forchheimer Fachplaner Peter Kaiser vor den Innungsmitgliedern über die gravierenden Veränderungen bei Planung und Bau von Gebäuden gesprochen. Durch das sogenannte „Building Information Modeling“ (BIM), eine neue, sehr detaillierte Stufe der digitalisierten Planung, werde sich der gesamte Entstehungsprozess eines Gebäudes radikal verändern. Dies werde auch die Elektro- und IT-Branche betreffen, mahnte Kaiser, und zwar nicht erst in einer fernen Zukunft, sondern im Grunde ab sofort.
Beim Planungsprozess mit Hilfe von BIM wird eine digitale Kopie des Gebäudes in einer nie gekannten Detailschärfe erstellt. Dies geht weit über die bisher bekannten 3D-Modelle hinaus, die man schon seit Jahren Bereich der Architektur verwendet. Auch alle Ebenen der Fachplanung für die Gebäudetechnik, inklusive Leitungsführung und exakter Position einzelner Komponenten, sind digital und mehrdimensional erfasst. Selbst Fabrikat und Farbe eines Lichtschalters können im Plan hinterlegt werden.
Im Grunde, so Kaiser, werde das gesamte Gebäude am Computer nachgebaut. Sogar die Funktion der einzelnen Komponenten könne nachgestellt werden, so dass man zum Beispiel Schalter betätigen und Handlungen auslösen könne. Durch die detaillierte Darstellung mit echten Bauteilen, so die Hoffnung des Fachplaners, könnten Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Fehlplanungen beim Brandschutz oder Platzprobleme bei der Leitungsführung – im Grunde klassische Fehler, die heute noch auf fast jeder Baustelle für Ärger und Mehraufwand sorgen – könnten künftig vermieden werden, weil das digitale Gebäudemodell diese Fehler bereits im Planungsprozess sichtbar mache.
Große Erleichterungen durch BIM prognostizierte Kaiser für Ausschreibungen und Angebote. Ein detailliertes Leistungsverzeichnis könne durch den digitalisierten Planungsprozess quasi auf Knopfdruck ausgegeben werden. Das bringe sowohl für den Bauherren als auch für die Handwerksbetriebe eine enorme Zeitersparnis. Auch der Freistaat Bayern setzt laut Kaiser stark auf die Vorteile der volldigitalen Planung. Jedes Staatliche Bauamt sei angehalten, schon in diesem Jahr drei BIM-Projekte durchzuführen. Ab 2025 solle „Building Information Modeling“ dann bei staatlichen Planungen zum Standard werden.
Ehrungen der Prüfungsbesten
Im Rahmen der Versammlung wurden mit Michael Schübel (Schwender Energie- und Gebäudetechnik GmbH), Marvin Markhof (Elektro-Markhof) und Maxim Leonhardt (Fränkische Baugesellschaft, Freileitungsbau und Elektroinstallation GmbH) die Prüfungsbesten der Gesellenprüfung ausgezeichnet. Sie erhielten ihren Gesellenbrief zusammen mit einem kleinen Geschenk.
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