HC Erlangen weiter im Höhenflug: Beim Spitzenteam in Wetzlar feierte der Club den vierten Sieg aus den vergangenen fünf Spielen
Schlagartig herrschte Stille. Die Halle, in der in dieser Saison schon der große THW Kiel verlor und auch die SG Flensburg-Handewitt nicht über ein 29:29 hinauskam, wo sie an guten Tagen eine gewalige Energie entwickeln und die HSG Wetzlar weit über sich hinaus wachsen lassen können – es schien plötzlich, als hätte jemand die Lautstärke einfach abgedreht. Die 2853 Menschen, sie waren sprachlos: Eben hatte Johannes Sellin das 20:10 für die Gäste erzielt, 36 Minuten waren gerade einmal gespielt – und die HSG Wetzlar, sie drohte sang- und klanglos gegen den HC Erlangen unterzugehen. 26:30 (9:15) stand es am Ende, der HC Erlangen feierte damit den vierten Sieg im fünften Spiel in Folge – zwei davon auswärts.
„Es war eine große Hürde, die vor uns stand“, sagte Trainer und Sportdirektor Raul Alonso, „aber die Art und Weise, wie wir diese gemeistert haben, das war beeindruckend.“Weit über 40 Spielminuten lang beherrschte der HC Erlangen die Partie beim Tabellensiebten, einer Mannschaft, die sich in dieser Saison bis an die Spitzengruppe der Bundesliga herangearbeitet hatte. Ja, die Gäste aus Erlangen, sie bestimmten den Takt gegen den großen Favoriten derart, dass sie auf jeder einzelnen Position an diesem Donnerstagabend klar überlegen waren. Das schlug sich genau so auch im Ergebnis nieder. Ob im Tor, im Gegenstoß, ob bei den Siebenmetertoren, aus dem Feld oder vom Kreis – überall schlug das Pendel deutlich zu Gunsten des HCE aus. „Völlig verdient“, wie Wetzlars Coach Benjamin Matschke später geknickt, aber anerkennend resümierte.Fast alles hatte Erlangen richtig gemacht an diesem Tag, so viel, dass sogar der eigene Trainer, Raul Alonso, ein wenig staunte. „Ich bin unheimlich glücklich – und unglaublich stolz auf meine Mannschaft“, sagte er und strahlte. Einer beeindruckenden Entwicklung in den vergangenen Wochen setzte der HCE in Wetzlar so gleich die nächste Krone auf. Ausgehend von einer enorm starken Deckung, in der Sebastian Firnhaber ersetzt werden musste, nahm ein perfekt eingestelltes Erlangen von Beginn an Wetzlar alle Optionen. Rasend schnell stand es 3:0 für die Gäste, nach über acht Minuten erst gelang den Gastgebern ihr erstes Tor. Sie wirkten teils hilflos und ideenlos gegen so viel Beinarbeit und Aggressivität. Beim 6:2 musste man sich höchstens ärgern, dass der HCE nicht noch höher führte – ein paar gute Chancen waren obendrein noch vergeben worden. Und bei den wenigen Würfen, die bis zur Pause irgendwie doch den Weg durch die fast luftdichte Deckung fanden, war Klemen Ferlin zwischen den Pfosten zur Stelle. Am Ende parierte der slowenische Nationaltorwart über 30 Prozent aller Versuche. So zog Matschke fast schon panisch Auszeit nach Auszeit, formierte seine Deckung immer wieder neu – doch Erlangen marschierte unbeeindruckt einfach weiter, welche Aufgabe Wetzlar auch immer stellte. „Wir sind hervorragend mit all den Herausforderungen umgegangen“, lobte Alonso. Mit 15:9 ging es in die Pause – und die staunenden Menschen in der Halle, sie mussten sich wirklich die Augen wischen.
Das durften sie nach der Halbzeit zunächst fortsetzen: Der überragende Tim Zechel steuerte vorn, immer wieder herrlich freigespielt von Antonio Metzner, Steffen Fäth oder Simon Jeppsson, Treffer um Treffer bei, am Ende waren es zwölf von zwölf Versuchen. Jeppsson mit viel Geduld und dann enormer Wurfkraft hielt die Gefahr aus dem Rückraum aufrecht. „Es kommt nicht oft vor, dass man in so einer Halle gegen eine so starke Mannschaft mit zehn Toren führt“, versuchte Alonso zu erklären, was in der Folge noch geschehen sollte. All die Eindrücke der letzten Wochen, so der Trainer und Sportdirektor, zeigten nun ein wenig ihre Wirkung: Das FinalFour in Hamburg, der erste Sieg überhaupt in Lemgo, die BlackNight vor erstmals wieder über 5000 Zuschauern seit Pandemiebeginn, nun die hohe Führung in Wetzlar: „Es ging nun darum, das noch übers Ziel zu bringen.“Denn nun kroch Wetzlar noch einmal mit der Kraft der Verzweiflung heran: 13:20, 17:24, 21:26 (52.), 23:26 (54.) – für mehr aber reichte es nicht mehr, weil Erlangen rechtzeitig die Souveränität zurückfand und mit 30:26 letztlich überglücklich die Ziellinie überquerte. „Wir sind in diesen Wochen und Monaten als Mannschaft noch einmal enger zusammengerückt, jeder kämpft für jeden – es macht unglaublich viel Spaß“, freute sich Tim Zechel nur wenige Minuten nach Spielschluss. Da hatten die meisten Wetzlarer Fans die Halle schon entgeistert wieder verlassen.
Wetzlar: T. Klimpke, Komok;
Nyfjall 1, O. Klimpke 1, Mirkulovsky, Danner 1, Weissgerber 3, Holst 2/2, Frederiksen 1, Forsell 4, Mellegard 2, Rubin 6, Novak, Cavor 5.
Erlangen: Ferlin, Sonne;
Sellin 6, Overby, Fäth, Büdel, Metzner 1, Link, Jeppsson 4, Steinert 5/4, Leban, Zechel 12, Bissel 1.
Schiedsrichter: Zupanovic/Thone. Zuschauer: 2853. Zeitstrafen: 2 – 4.
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