Höchstadter Forscher hat tatsächlich Affen-Art entdeckt

DNA-Vergleich entlastet Spix

Von 1817 bis 1820 dauerte die Brasilien-Expedition des Höchstadter Zoologen Johann Baptist Spix. Als erster Europäer erforschte er auf Geheiß des bayerischen Königs Max I. die Tiere im südamerikanischen Urwald. Für seinen Einsatz, bei dem er auch das Zwergseidenäffchen entdeckt zu haben glaubte, wurde er später in den Ritterstand erhoben. Doch dieser wissenschaftliche Erfolg war später in Frage gestellt, und damit die Expertise Spix‘. Nun, nach 200 Jahren, wurde Höchstadts berühmtester Sohn per DNA-Test endlich freigesprochen.

Herbert Fiederling mit dem im Museum befindlichen Affen

Herbert Fiederling mit dem im Museum befindlichen Affen

Die Brasilien-Expedition, die der Höchstadter Johann Baptist Spix gemeinsam mit dem Erlanger Carl Friedrich Philipp Martius absolvierte, ist heute in der Region sehr bekannt. Dafür sorgte das jahrzehntelange Wirken des Spix-Vereins. „Dass sich die beiden Forscher zum Ende der Reise getrennt hatten, wissen allerdings die wenigsten“, vermutet Herbert Fiederling. Nachdem die beiden Forscher die Stadt Tefé erreicht hatten, segelte Martius den Fluss Japurá hinauf. „Spix schlug sich dagegen am Ufer des Solimões bis nach Tabatinga durch“, so der Vereinsvorsitzende. Dort, nahe der Grenze zu Kolumbien, erhielt Spix einen winzigen, gerade 15 Zentimeter großen, bereits toten Affen.

„Weil Spix allein unterwegs war, gibt es leider keine genauen Aufzeichnungen. Aber es wird vermutet, dass dieses Äffchen ein Geschenk der Tikuna-Indianer war“, berichtet Fiederling. Zunächst eine unscheinbare Begebenheit. Denn immerhin sammelte Spix auf seiner Reise insgesamt 701 Tiere, 2.700 Insekten und 6.500 Pflanzen. Vermutlich wäre der gerade einmal 100 Gramm schwere Primat deshalb wohl einfach in der Asservatenkammer der Zoologischen Staatssammlung verschwunden. Doch kurz vor seinem Tod verfasste Spix für das Äffchen noch eine zoologische Erstbeschreibung und taufte die Art auf den Namen „Cebuella pygmaea“. Daran störte sich in den 1940-er Jahren Einar Lönnberg. Er bezichtigte Spix eines wissenschaftlichen Fehlers und behauptete, es handle sich bei dem bis heute erhaltenen Exponat um ein bereits lange vor Spix bekanntes Zwergseidenäffchen. Zudem zweifelte er den von Spix überlieferten Fundort nördlich des Amazonas an. Denn die Wissenschaft kannte die Seidenäffchen nur südlich des Amazonas. Damit unterstellte Lönnberg dem Urahn der deutschen Zoologie nicht weniger als Schlamperei oder zumindest mangelnde Sorgfalt und schlechte geografische Fähigkeiten. In einer von wissenschaftlichen Skandalen wie denen von Guttenberg, Schawan und Giffey geprägten Zeit ein ungeheurer Vorwurf gegenüber dem Begründer der modernen Zoologie – und der Beginn eines kleinen Wissenschafts-Krimis.

„Im Jahr 2018 sah es dann kurz so aus, als könnte der Cold Case geschlossen werden“, erinnert sich Herbert Fiederling. Jean Boubli, Primatenforscher der renommierten britischen Salford University, identifizierte damals in einem nördlichen Nebenfluss des Amazonas eine neue Affen-Gattung. „Es war schnell klar, dass sich die Seidenäffchen von den bekannten weißbäuchigen Tieren südlich des Amazonas unterschieden“, erläutert Herbert Fiederling. Neben dem unterschiedlichen Bauchfell trennten die beiden Rassen auch 2,5 Millionen Jahre Evolution. „Somit war die Hypothese, die betreffenden Seidenäffchen wären nur südlich des Amazonas anzutreffen, widerlegt.“ Entlastung für Spix war das jedoch nicht. Denn es blieb unklar ob es sich tatsächlich um Spix-Äffchen handelte. „Das Original ist in München zwar noch erhalten – aber das Fell hat sich farblich inzwischen so stark verändert, dass es keine Bestimmung mehr zuließ“, erläutert Fiederling. Also wurde den nun entdeckten Affen kurzerhand der Name Cebuella niveiventris zugewiesen. Gleichzeitig tauchte die Frage auf, ob Boubli nun auch der zeitgenössische Ruhm des Entdeckers einer neuen Art zuteilwerden darf. Die Welt, so sagt Fiederling leicht schmunzelnd, brauchte also endlich Klarheit. „Diese sollte, wie in jedem guten Krimi, nun ein DNA-Test liefern“.

Schweren Herzens stimmte die Zoologische Staatssammlung zu und gestattete dem auf antike DNA-Analysen spezialisierten Genetiker Christian Roos im letzten Jahr die Entnahme einer kleinen Gewebeprobe. „Das war insbesondere deshalb heikel, weil das einmalige historische Exponat nicht beschädigt werden durfte“, betont Fiederling. Roos stand deshalb nur eine winzige und zudem 200 Jahre alte Probe zur Verfügung. „Niemand konnte wissen, ob es für einen Vergleich mit den jetzt gefundenen Tieren reicht“, erläutert der Spix-Vorsitzende. Nun berichtet die weltweit beachtete Fachzeitschrift Zoological Research über das Ergebnis. „Wir sind sehr froh, dass es gereicht hat“, fasst Fiederling zusammen. Denn Jean Boubli kommt in seinem Aufsatz zu dem Ergebnis, dass nach einem Abgleich der Spixäffchen-DNA zweifelsfrei feststeht, dass die kleinen gelbäugigen Cebuella pygmaea eine eigenständige Rasse darstellen. Dazu wurde die Probe des von Spix präparierten Exponats mit 65 aktuellen amerikanischen Affen abgeglichen. „Wir sind sehr froh darüber, dass Spix‘ Expertise bis heute Maßstäbe setzt“, freut sich Herbert Fiederling. Gleichzeitig bedauert er, dass im Spix-Museum keines dieser Exemplare zu sehen ist. „Aber wir haben ein anderes Äffchen. Dieses läuft, anders als seine Verwandten im Nürnberger Tiergarten, auch nicht weg. Es kann aus nächster Nähe in Ruhe in mit all seinen Details betrachtet werden. Ein Besuch lohnt sich also allemal.“

Christian Enz