Zettels Reflexionen: Verstehen allein genügt nicht
Man muss es auch begreifen. Etwa warum der Regen zur Erde fällt, während die Wolken am Himmel bleiben? Warum brennt Feuer? Warum sind Pflanzen grün und woher kommt der Mensch?
Die Welt ist voller Rätsel und die Antworten der „heiligen Männer“ stellen die wenigsten zufrieden; sie spüren, dass irgendetwas diese Welt regiert. Doch was ist es? Heute wissen wir, dass die Welt von physikalischen Gesetzen bestimmt wird und der Mensch beherrscht sie soweit, dass er beeindruckende Technologien entwickeln kann.
Dank der Erkenntnisse der Quantenphysiker können wir mittlerweile sehr viele Ereignisse in der Welt verstehen, ja sogar der Antwort auf die Frage, wie der Koskos entstanden ist, nähern wir uns. Die unbeantwortete Frage ist nur, ob wir Menschen als Gesellschaft das überhaupt begriffen haben.
Es ist eine Sache, Komplexität zu verstehen, eine ganz andere ist es jedoch, sie auch tatsächlich zu leben; wirklich zu leben. Wir schaffen es zwar, auf den Mond zu fliegen oder Quantencomputer zu bauen, doch mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit reden wir über Krieg, Ausbeutung und Gewalt, so als wäre das das Natürlichste und Selbstverständlichste auf der Welt.
Dabei könnten wie wissen, dass die Welt und der ganze Kosmos das in sich differenzierte Eine ist, wie Hans-Peter Dürr es einmal genannt hat. Nur weshalb handeln wir nicht entsprechend? Ganz einfach, weil wir offensichtlich nicht zwischen explizitem und implizitem Wissen unterscheiden.
Ein Beispiel: Da ich ein technikinteressierter Mensch bin, wusste ich im Grunde, wie man Motorrad fährt, bevor ich je auf einem gesessen habe. Das bedeutete jedoch nicht, das ich auch hätte fahren können. Das habe ich dann gleich zu Anfang gemerkt, Ich fahre jetzt 6 Jahre und würde noch lange nicht behaupten, dass ich wirklich Motorrad fahren kann, allenfalls nähere ich mich dem an. Es ist nun einmal ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
Nicht anders ist es beim Denken, das uns naturgemäß ganz selbstverständlich ist. Von klein auf habe ich gelernt, mein Gehirn zu benutzen und habe das auch recht gut hinbekommen, jedenfalls finde ich das. Bis ich mir eingestand (lange nachdem ich es bemerkte), dass in meinem Leben irgendetwas nicht passte, nicht stimmig war.
Wie beim Motorradfahren merkt man jedoch seine Defizite nicht, wenn man nicht an die Grenze des (für einen selbst) „eigentlich“ Möglichen geht, auch ohne die Sicherheitsgrenzen anzugreifen. Aber wie beim Motorradfahren kann man auch im Denken einen Flow erleben, wenn man es tut und sich an der Grenze des einem Möglichen bewegt.
Doch wie beim Motorradfahren muss man erst einmal die Gesetzmäßigkeiten kennen. Und da unterscheiden sich Denken und Motorradfahren gewaltig. Beim Motorrad merke ich meine Grenzen schnell, aber nicht im Denken. Da fühlt sich unstimmiges Denken vollkommen korrekt an. Ich kann defragmentiert denken und trotzdem fühlt sich das vollkommen stimmig an – ist es aber oft nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn ich nicht die Struktur des Kosmos, also die Gesetzmäßigkeiten des Kosmos, in meinem Denken abbilde.
Solange ich all das nicht akzeptiere, dass es so ist, so lange bleibt mir der Weg in die wirkliche Selbstbestimmtheit verschlossen. Man kann das sehr gut an dem Beispiel der Physik verstehen. Ich muss mir nur vor Augen halten, was mir mit dem Wissen der klassischen Physik möglich war und was jetzt mit dem Wissen der Quantenmechanik möglich ist.
Wie aber bilde ich die Gesetzmäßigkeiten des Kosmos in meinem Denken ab? Ganz einfach, indem ich die physikalischen Effekte auch für mich selbst gleichermaßen für gegeben halte.
Der wesentliche Unterschied zwischen klassischer Physik und Quantenphysik ist, dass sich die Phänomene wahrnehmen lassen, wenn sie der klassischen Physik folgen – aber nicht mehr, wenn es sich um Quantenphänomene handeln. Die können nicht wahrgenommen, nur gedacht werden. Wohl auch ein Kriterium für das Denken. Und genau das macht es tückisch, denn das verleitet schnell zum Mystifizieren.
Da bleibt einem nur die Dinge konsequent zu untersuchen und zu verifizieren. Nur was ich letztlich verifizieren kann, kann ich auch als gegeben annehmen. Dabei geht es ja auch nicht darum, dass ich etwa das Phänomen des Doppelspaltversuchs in meinen Nervenzellen festzustellen suche, sondern erst einmal die Tatsache zu untersuchen – bei sich selbst –, dass der Beobachter eine Rolle spielt. Das wird dabei in der Regel übersehen, dabei lässt es sich leicht verifizieren.
Geht erstaunlich einfach, man muss sich nur fragen, wie das Auto, das man sieht, in den eigenen Kopf kommt. Dann kann man sich auch fragen, wie die Annahme, jemand sei traurig oder sonst was in den eigenen Kopf kommt. Es ist schon schwer vorstellbar, aber wir sehen immer nur die eigenen Gedanken, wenn wir etwas über andere denken.
Daher reduziert man sich erst einmal auf Fakten, wobei man klären muss, was Fakten überhaupt sind. Dann, aber erst dann, darf man irgendwelche Schlüsse ziehen – natürlich immer nur im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos. Die sind sehr einfach, im Grunde sind es zwei wesentliche Dinge: Alles ist Geist und alles ist miteinander in Beziehung. Alles weitere baut darauf auf.
Peter Zettel
ist pensionierter Anwalt. Seit ein paar Jahren ist er begeisterter Motorradfahrer – sein persönlicher Weg der Selbsterkenntnis. Er interessiert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt darüber in seinem Blog zettel.biz.
Alle bisher im Wiesentboten erschienen „Zettels Reflexionen„
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