Bamberger „Zentralstelle Cybercrime“: Erneuter Schlag gegen illegales „Cybertrading“
Gemeinsame Pressemitteilung der Zentralstelle Cybercrime Bayern und des Polizeipräsidiums Oberfranken
International agierende Callcenter-Betrugsbande in Albanien ausgehoben
BAMBERG/BAYREUTH/TIRANA (ALBANIEN). Nach intensiver und monatelanger Ermittlungsarbeit gelang der Kriminalpolizei Bayreuth, der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Oberfranken – KPI(Z) – und der Zentralstelle Cybercrime Bayern ein empfindlicher Schlag gegen europaweit tätige Anlagebetrüger. In einer gemeinsamen Operation mit albanischen Behörden wurden Mitte März mehrere Objekte durchsucht und zahlreiche Personen festgenommen.
Einer reibungslosen behörden- und länderübergreifenden Zusammenarbeit ist es zu verdanken, dass Teile einer international operierenden Tätergruppierung in Albanien festgenommen werden konnten. Die mutmaßlichen Callcenter-Betrüger haben seit jedenfalls 2018 fiktive Finanzinstrumente an unzählige Kunden in verschiedenen europäischen Ländern vertrieben und vermeintliche Gewinne niemals ausgezahlt. Es entstand ein Gesamtschaden im hohen Millionenbereich.
Beginn der Ermittlungen im Jahr 2019
Den Stein ins Rollen brachte im April 2019 ein Mann aus dem Raum Bayreuth mit der Anzeige eines mutmaßlichen Anlagebetruges im Internet. Der Geschädigte hatte ab Ende 2018 über Monate hinweg mehr als 20.000 Euro auf der vermeintlichen Trading-Plattform „BrokerZ“ investiert. In seinem virtuellen Account waren ihm zuletzt Gewinne in Höhe von mehreren zehntausend Euro suggeriert worden. Als sein wiederholter Versuch, sich die angeblichen Gewinne ausbezahlen zu lassen, ohne Erfolg blieb, wurde dem Mann bewusst, dass er Cyberkriminellen zum Opfer gefallen war.
Die ersten polizeilichen Recherchen ergaben schnell, dass in Bayern bereits weitere Verfahren mit Bezug zu der Plattform aktenkundig waren. Zudem offenbarten sich Zusammenhänge mit der weiteren betrügerischen Plattform „Globalix“, die der gleichen Tätergruppierung zuzurechnen ist. Aus diesen Gründen bündelte die Zentralstelle Cybercrime Bayern die Anzeigen in einem Sammelverfahren. Die Kriminalpolizei Bayreuth richtete daraufhin die sechsköpfige Ermittlungsgruppe „Broker“ ein. Es zeigte sich, dass allein in Bayern – bei erheblichem Dunkelfeld – ein Gesamtschaden von mehr als 2 Millionen Euro angezeigt worden war. Ein Ehepaar aus dem Raum Aschaffenburg hatte einen Schaden von fast einer Millionen Euro erlitten.
Die weiteren Ermittlungen zeigten, dass sich die betrügerischen Investment-Plattformen auch an die Kunden in anderen Staaten richteten, z. B. Griechenland, und dass die Tätergruppierung gleichzeitig aus mehreren Callcentern im europäischen Ausland heraus agierte. Aus diesem Grund wurde mit den Ermittlungsbehörden in Bulgarien, Serbien und Griechenland auf justizieller Ebene ein „Joint Investigation Team“ (JIT) zur Förderung und Koordinierung der internationalen Ermittlungen gegründet. Bereits Ende Januar 2022 wurden in diesem Rahmen in Bulgarien durch die dortigen Ermittler mit Unterstützung von Europol mehrere Objekte durchsucht.
Action Day in Tirana/Albanien
Durch die monatelangen akribischen Ermittlungen der bayerischen Kriminalbeamten konnte zudem ein Callcenter in der albanischen Hauptstadt Tirana lokalisiert werden. Am 16. März 2022 nahmen die länderübergreifenden Abstimmungen und Vorbereitungen, in die auch die EU-Agentur Eurojust eingebunden war, ein Ende. Unter dem Decknamen „SKEMA“ starteten Einsatzkräfte aus Albanien und Bayern die konzertierte Aktion. Rund 50 albanische Polizisten, 11 Beamte der Kriminalpolizei Bayreuth sowie der Kriminalpolizei mit Zentralaufgaben Oberfranken und ein Staatsanwalt der Zentralstelle Cybercrime Bayern führten, unter Federführung der albanischen Kollegen, die Durchsuchungsaktion in Tirana durch. Hierbei durchsuchten die Einsatzkräfte vier Räumlichkeiten mit mehr als 200 Arbeitsplätzen, die als Callcenter genutzt wurden, sowie eine IT-Firma. Sie kontrollierten dutzende Personen und überprüften deren Verbindung zur kriminellen Organisation. In vielen Fällen klickten dabei die Handschellen. Unter den insgesamt 15 Festnahmen befand sich auch ein führender Kopf der Internetbetrüger. Durch die albanischen Ermittler wurden zudem gegen zahlreiche weitere Personen Verfahren eingeleitet und auch Vermögensgegenstände und -werte eingefroren.
Einsatz des mobilen IT-Forensik-Labors „Paladin“
Aus Bayreuth waren eigens zur Umsetzung umfassender IT-forensischer Maßnahmen acht Spezialisten nach Albanien angereist. Die IT-Forensiker und „Cypercops“ beschlagnahmten Rechner, Server und elektronische Endgeräte wie Smartphones mit einem Speichervolumen von insgesamt knapp vier Terabyte. Bei den hierfür erforderlichen technischen Maßnahmen vor Ort konnte das mobile, mit drei Arbeitsplätzen ausgestattete IT-Forensik-Labor „Paladin“ seinen Nutzen für die oberfränkische Polizei erneut unter Beweis stellen. Es handelt sich um den ersten Auslandseinsatz des Paladins.
Gegenstand der weiteren Ermittlungen durch die KPI Bayreuth werden u.a. die Sichtung und Analyse des umfangreichen elektronischen Beweismaterials in diesem vielschichtigen Verfahrenskomplex sein. Von der Auswertung dieser Daten erwarten sich die Beamten weitere Erkenntnisse zu den Hauptverantwortlichen der Organisation.
Gelungene Kooperation der Ermittlungsbehörden in Bayern und Albanien
Der Erfolg des „Action Days“ ist maßgeblich auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Strafverfolgern aus Albanien und der engen Einbindung des in Tirana ansässigen Büros des Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamts zurückzuführen. Auf justizieller Ebene zeichnet auf albanischer Seite die Spezialstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption und organisierter Kriminalität verantwortlich, auf polizeilicher Ebene eine Einheit der staatlichen Polizei zur Bekämpfung von Cyberkriminalität.
Zusätzliche Informationen zur Zentralstelle Cybercrime Bayern:
Seit dem 1. Januar 2015 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Zentralstelle Cybercrime Bayern. Diese Zentralstelle ist bayernweit zuständig für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität. Sie ermittelt in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Spezialisten der Landes- und Bundespolizei, des Bundeskriminalamts, des Zollfahndungsdienstes und mit internationalen Partnern, z.B. bei Angriffen auf bedeutende Wirtschaftszweige oder bei Verfahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität.
Auch dann, wenn bei Verfahren der Allgemeinkriminalität ein hoher Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik abzuarbeiten ist, werden die Staatsanwälte der Zentralstelle tätig. Die bearbeiteten Fälle sind vielfältig. Sie reichen von Hackerangriffen über Fälle des Vorkasse-Betrugs im Internet, z. B. durch professionelle sog. Fake-Shops, und Fälle von Ransomware bis hin zum Handel mit Waffen, Drogen und Falschgeld im Darknet. Zudem ist die Zentralstelle Cybercrime Bayern für herausgehobene Fälle der Wirtschaftscyberkriminalität zuständig.
Derzeit sind 18 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und vier IT-Forensikerinnen und IT-Forensiker bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern tätig.
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