Bamberg: „Mehr gesellschaftliches Gleichgewicht durch Steuerumverteilung und Eigentum auf Zeit“
Die Zahlen, die Dr. Manfred Böhm, Theologe und Leiter der Arbeitnehmerpastoral im Erzbistum Bamberg, nennt, übersteigen nahezu die Vorstellungskraft: Innerhalb der vergangenen zwei Jahre wuchs das Vermögen der zehn Reichsten in Deutschland von 144 Milliarden auf 256 Milliarden an. „Die zwei reichsten Familien in Deutschland besitzen so viel, wie die Hälfte der Bevölkerung,“ zitiert er Statistikdaten der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation „Oxfam“. „Im Gegensatz dazu sind im gleichen Zeitraum 164 Millionen Menschen weltweit in Armut abgerutscht,“ macht er deutlich. Die Gesichter der Männer und Frauen, die der Einladung von KAB Bildungswerk Bamberg und KAB Kreisverband Bamberg Stadt zum Vortrag „Umverteilung über Steuern – oder geht das auch anders?“ am vergangenen Dienstagabend gefolgt sind, sehen angesichts dieser Ausmaße betroffen aus.
Böhm macht die seit Jahrzehnten entstehende Kluft zwischen Arm und Reich, die sich während der Coronakrise noch vergrößert hat, an Beispielen deutlich: Herstellerfirmen des Impfstoffes gegen Corona haben ihre Marktmacht ausgenutzt, indem sie das 24-fache des Produktionspreises als Verkaufspreis verlangen, so Böhm. „80 Prozent des Impfstoffes landen in der ‚Ersten Welt‘.“ Ziel solle vielmehr sein, dass alle Menschen weltweit mindestens einmal geimpft würden, meint Böhm. Der Patentschutz müsse aussetzen, damit Unternehmen in der so genannten „Dritten Welt“ in die Produktion gehen können: „130 Firmen wären sofort fähig, das Patent in Impfstoff umzusetzen.“
Das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich wird auch am Klimawandel deutlich: So sparte Deutschland seit 1990 zwar 25 Prozent an CO2-Ausstoß ein, doch nur „indem die Mittelschicht den Gürtel enger schnallte bzw. auch schneller musste, da ihr Einkommen sank“. In der Oberschicht hingegen erhöhte sich der CO2-Ausstoß um 5 Prozent.
Eigentumsverhältnisse sind seit Anbeginn der Geschichte ein Gradmesser für das Gleichgewicht beziehungsweise das Ungleichgewicht von Vermögensverteilung und spiegeln seit Menschengedenken das Verhältnis von Armut und Reichtum in der Gesellschaft wieder. Die geistige Haltung „wer hat, dem wird gegeben – wer nichts hat, dem wird genommen“ sei typisch kapitalistisch, sie „zementiere die Unwucht in unserer Gesellschaft“.
Als Lösungsmöglichkeiten identifiziert Böhm unter anderem die Wiedereinführung der progressiven Einkommenssteuer, in Anlehnung an den französischen Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, die Einführung einer Eigentumssteuer und darüber hinaus das Prinzip „Eigentum auf Zeit“: Alle 50 Jahre erfolge laut der Bibel eine Neuordnung der Besitzverhältnisse.
„Dieser Gedanke stammt aus der Bibel, aus dem Buch Levitikus, Kapitel 25, Vers 23: ‚Besitz an Grund und Boden darf nicht endgültig verkauft werden, weil das Land nicht euer, sondern mein Eigentum ist. Ihr lebt bei mir wie Fremde oder Gäste, denen das Land nur zur Nutzung überlassen ist.‘“ Böhm bedauert, dass niemand, der dieses Prinzip fordert, ernst genommen wird: „Die Befürworter werden bagatellisiert, sprich: sie finden kein Gehör, werden pathologisiert, also als krank bezeichnet, oder kriminalisiert, als gefährlich eingestuft.“ Dabei wurde diese Idee über die Geschichte hinweg immer wieder aufgegriffen, unter anderem von Thomas von Aquin und von Karl Marx in einem seiner Hauptwerke „Das Kapital“.
Mehr Gleichheit von Arm und Reich könnten auch Steuern bewirken: Böhm nennt die Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer, die unter Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl 1997 abgeschafft wurde, die Vermögensabgabe und die Finanztransaktionssteuer. „Es gäbe viel zu verteilen. Aber es gibt in Deutschland immer Verhinderungsparteien,“ fasst der Theologe zusammen, der bereits als Jugendlicher an der Bamberger Friedensbewegung der 80er Jahre aktiv teilnahm. „Damals waren wir ganz klar gegen den Einsatz von Waffen.“ Böhm schlägt an dieser Stelle die Brücke zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine und in Russland: „Selbst dieser unsägliche Krieg macht Reiche noch reicher, zum Beispiel die Waffenindustrie.“
Bild-Unterschrift: „Alle 50 Jahre werden die Eigentumsverhältnisse neu geordnet, so das biblische Zeugnis,“ erklärt Böhm. „Der schöpferische Quellcode würde dann sozusagen auf Null gesetzt werden und die Vermögensverteilung würde von Neuem beginnen.“
Bild-Quelle: KAB Bildungswerk Bamberg e.V.
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