Universität Bayreuth: Ein Meilenstein für neue Quantentechnologien
Exakte Simulationen von Umgebungseinflüssen auf Quantensysteme
Quantensysteme gewinnen heute eine immer stärkere Bedeutung für technologische Innovationen in der Informationsverarbeitung, der Kryptographie, der Photonik, der Spintronik oder im Hochleistungsrechnen. Sie stehen in ständiger Wechselwirkung mit ihrer Umgebung, die ihre Funktionsweisen in vieler Hinsicht beeinflussen. Physikern der Universität Bayreuth ist es jetzt in Kooperation mit Partnern an den Universitäten Edinburgh und St. Andrews gelungen, einen neuartigen Algorithmus zur Simulation und Berechnung dieser Einflüsse zu entwickeln. In „Nature Physics“ stellen sie ihre für das Verständnis von offenen Quantensystemen wegweisende Entdeckung vor.
Die Forscher bezeichnen ihren Algorithmus als „Automated Compression of Environments (ACE)“. „Mit dieser Entwicklung ist uns ein Durchbruch in der Simulation von Quantensystemen gelungen. Denn für High-Tech-Anwendungen von Quantensystemen ist es von außerordentlich hoher Relevanz, die Umgebungseinflüsse realistisch simulieren zu können. Wir können davon ausgehen, dass unsere neue Methode zu vielen wertvollen Einsichten in technologisch relevante Quantensysteme führen wird. Sie wird sicher auch für die Entwicklung weiterer Quantenalgorithmen und für die Steuerung von Quantensystemen neue Wege ebnen“, erklärt Prof. Dr. Vollrath Martin Axt, der die Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth geleitet hat.
Der neue Algorithmus zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus. Er ist, anders als viele andere Methoden, in der Lage, mehrere unterschiedliche Umgebungseinwirkungen gemeinsam auf mikroskopischer Stufe zu beschreiben – und zwar numerisch vollständig, ohne auf die bei Simulationen von Vielteilchenmodellen üblichen Näherungen am Modell zurückgreifen zu müssen. Der neue Algorithmus überwindet zudem eine Reihe von Einschränkungen, denen die bisherigen Verfahren zur Simulation und Berechnung der externen Einflüsse auf Quantensysteme unterliegen. „ACE ermöglicht ein geradezu unbegrenztes Spektrum von Anwendungen: Er lässt sich gleichermaßen auf bosonische, fermionische oder Spin-Umgebungen anwenden. Die Einflüsse von Gaußischen und Nicht-Gaußischen Umgebungen, linearen und nicht-linearen Umgebungen, diagonalen und nicht-diagonalen Umgebungen können jetzt gleichermaßen mit hoher Präzision simuliert werden“, erklärt Axt.
Quantentechnologien in der Lehre: Neue Förderung durch das Bayerische Wissenschaftsministerium
Nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre rücken quantentechnologische Anwendungen und ihre physikalischen Grundlagen an der Universität Bayreuth künftig stärker in den Fokus. Wie das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vor wenigen Tagen bekannt gab, erhält die Fakultät für Mathematik, Physik und Informatik aus Mitteln der High-Tech Agenda Bayern eine Förderung von 144.000 Euro, um die Lehre auf dem Gebiet der Quantentechnologien auszubauen und zu intensivieren. Gleich hohe Förderbeträge gehen an die Universitäten in Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg.
„Geld in Forschung und Technik zu investieren ist das eine, Talente fördern das andere. Wir bringen beides zusammen: die schlauen Köpfe an Bayerns Universitäten für die Quantenforschung gewinnen und sie schnell fit für die Zukunft machen“, erklärte Wissenschaftsminister Markus Blume. „Über die Entscheidung des Bayerischen Wissenschaftsministeriums freuen wir uns sehr. Sie ist ein wichtiger Impuls für die weitere Stärkung der Quantenphysik in Bayern. In Bayreuth werden wir die Fördermittel insbesondere dafür einsetzen, moderne Praktikumsversuche aufzubauen, die es Studierenden erlauben, selbstständig Experimente der aktuellen Forschung durchzuführen. Diese Experimente haben einen direkten Bezug zu innovativen Konzepten, die die Grundlage von Quantentechnologien bilden“, sagt Prof. Dr. Vollrath Martin Axt, Geschäftsführer des Physikalischen Instituts der Universität Bayreuth.
Veröffentlichung:
Moritz Cygorek et al.: Simulation of open quantum systems by automated compression of arbitrary environments. Nature Physics (2022), DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41567-022-01544-9
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