„Bamberger Stadtgeschichte auf Schildern“ – Straßennamenkommission legt Kriterien fest
Bamberg hat 827 Straßen die unter anderem nach historischen Persönlichkeiten, Orten oder alten Flurnamen benannt wurden. Eine erste Auswahl von 62 wurde nun in der zweiten Sitzung der Straßennamenkommission der Stadt Bamberg unter der Leitung des Stadtarchivleiters Horst Gehringer zur Überprüfung vorgelegt. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Arbeit der Straßennamenkommission in Bamberg stehen Personen als Straßennamenpatinnen und -paten, deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fiel und die daraufhin untersucht werden, ob und inwiefern sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen. Die Zusammenstellung der ermittelten Namen soll als Diskussionsgrundlage für die weiteren Gespräche in der Kommission, Stadtgesellschaft und in den unterschiedlichsten Gremien dienen. Rein formal geht es um eine Auflistung der für die Straßenbenennung ausgewählten Personen, die vor 1928 geboren wurden und in der NS-Zeit lebten. Das Stichjahr 1928 orientiert sich an den rechtlichen Einreisebestimmungen Israels für deutsche Staatsangehörige.
Über den NS-Bezug hinaus bestand in der Straßennamenkommission Einigkeit, dass ein Großteil der Bamberger Straßenschilder einer Kontextualisierung und inhaltlichen Erläuterung bedarf. Dies kann durch ein Zusatzschild geleistet werden, wie es sich bereits bei einigen Straßenschildern findet und in der Regel die namengebende Person mit der Vermittlung von Basisinformationen näher erläutert. Aber auch bei Straßennamen mit bestimmten Ortsbezeichnungen, Flurnamen oder Begriffen aus der Rechtsgeschichte sind derartige Schilder zur Erklärung des Straßennamens ein sinnvoller Beitrag im Sinne der „Stadtgeschichte auf Schildern“. Ein Beispiel für solche Erläuterungsschilder aus jüngster Zeit findet sich im Fritz-Bayerlein-Weg.
Bei der Bewertung von Straßennamen in der Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen, ihrer Kontextualisierung oder gar ihrer Veränderung gibt es verschiedene Kriterien. Hier stellen nach Ansicht der Straßennamenkommission die in Freiburg angestellten Überlegungen eine mögliche Grundlage dar: Aktive Förderung des Nationalsozialismus bzw. des NS-Unrechtstaates von führender Position aus; Aggressiver Antisemitismus bei solchen Personen, die Multiplikatoren darstellten und über entsprechenden Einfluss verfügten; Extremer Rassismus in Theorie und/oder Praxis; Militarismus in Form der Glorifizierung des Ersten Weltkrieges (Dolchstoßlegende); Extreme, unzeitgemäße Frauenfeindlichkeit; Kolonialismus. Eine hier fehlende Kategorie bezüglich des Verhaltens von Personen zu Zeiten der SED-Diktatur gilt es darüber hinaus ebenso zu berücksichtigen, da sie zumindest in den ehedem neuen Bundesländern, möglicherweise aber nicht nur dort, eine Rolle spielt.
Aus Sicht des Stadtarchivs Bamberg als der städtischen Fachdienststelle für alle Fragen der Stadtgeschichte geht es vor allem um die Erfassung möglichst aller Straßennamen – aktueller wie nicht mehr aktueller – umso eine Veröffentlichung als Straßennamenbuch mit kurzen Beiträgen zur Geschichte der Straße mit den wesentlichen Literatur- und Quellenangaben vorzulegen. Im Stadtarchiv wird unter anderem seit geraumer Zeit zu diesem Zweck in einer Datenbank die Gesamtheit der Straßen, Plätze und Brücken erfasst, um eine Publikation in Buchform und danach gegebenenfalls als digitale Veröffentlichung zu erstellen. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit ist diese Datenbank als Recherchetool zu aktuellen Fragestellungen. Zurzeit umfasst sie 958 Datensätze (einschließlich aufgelassener und umbenannter Straßen und Plätze) und wird sukzessive mit Beschreibungsdaten ergänzt. Dabei werden in jedem Fall zentrale Aspekte des Verwaltungsverfahrens „Straßenbenennung“ erfasst, wie zum Beispiel die Rechtsgrundlage der Straßenbenennung (Stadtratsbeschluss), die angegebenen Gründe für die Straßenbenennung oder die Vorgeschichte. Diese Arbeiten erfolgen mit der systematischen Durchsicht der vorhandenen Unterlagen, insbesondere der seit Beginn der amtlichen Straßenbenennung in Bamberg (1878) vorliegenden Protokolle des Stadtmagistrats bzw. des Stadtrats. „Eine solche Beschäftigung mit den einzelnen Personen macht zeitintensive Recherchen mit entsprechender Einsicht in Archivgut bzw. in Reproduktionen von Unterlagen in anderen Archivstandorten außerhalb Bambergs wie Coburg, München und Berlin etc. erforderlich“, betont Stadtarchivsleiter Horst Gehringer.
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