Kronach: Künstler initiiert internationales Mail-Art-Projekt zum Cranach- und Bibel-Jubiläum
Cesaros Post-Moderne
Kronach Ein doppeltes Cranach-Jubiläum begeht in diesem Jahr die Stadt Kronach. Zum einen wurde Lucas Cranach der Ältere vor 550 Jahren geboren, zum anderen ist das sogenannte September-Testament Martin Luthers vor 500 Jahren entstanden. Unter anderem in den Cranach-Werkstätten und mit Illustrationen des Meisters. Gefeiert werden die beiden denkwürdigen Ereignisse in diesem Jahr mit einem umfangreichen Programm, das – so die Planungen der Stadt –am 13. März im Rahmen eines Festaktes im Beisein zahlreicher Gäste aus Politik, Kunst und Kultur vorgestellt werden soll.
Das Septembertestament war, so Wikipedia, der Urdruck von Martin Luthers Übersetzung des griechischen Neuen Testaments in die frühneuhochdeutsche Sprache, die er während seines Aufenthalts auf der Wartburg anfertigt hatte. Die Offizin von Melchior Lotter dem Jüngeren in Wittenberg druckte den mit Holzschnitten versehenen Folioband in einer Auflage von etwa 3000 Exemplaren. Er kam am 21. September 1522 ohne Verfassernamen in den Handel; der Titel lautete: Das Newe Testament Deůtzsch.
Bereits jetzt hat Ingo Cesaro, Kronacher Schriftsteller, ideenreicher Kulturvermittler und Organisator zahlreicher Kunst-Events, aus Anlass der beiden Jubiläen zu einem internationalen Mail-Art-Projekt eingeladen. Künstler aus allen Kontinenten sind ebenso wie Schulklassen und alle die sich angesprochen fühlen aufgefordert, maximal vier Arbeiten im Postkartenformat bis spätestens 30. Juli 2022 im Original an Ingo Cesaro (Joseph-Haydn-Straße 4, 96317 Kronach) zu senden. Die Werke, die nicht zurückgesandt werden, sollen dann im Rahmen einer großen Ausstellung gezeigt werden. Unterstützung erhält Cesaro bei dem Projekt durch den mail-art-Spezialisten Lutz Anders aus Berlin.
Mit dieser Aktion des Kronacher Künstlers bekommt in Zeiten einer digitalen Welt der Begriff „mail-art“ eine völlig neue Bedeutung. Cesaro schafft damit eine „Post Moderne“, verschafft den Briefträgern sicherlich eine Menge Arbeit. Die gute alte Brief-Kunst erlebt so ein überraschendes Comeback. In der internationalen Kunstszene ist es freilich schon lange kein Geheimnis, dass mit der guten alten Post verschickte Worte oder Bilder ihren eigenen Reiz haben, einen eigenen Zauber entwickeln können, Gefühle wecken und teils unvergessen sind. Man denke nur an glühende Liebesbriefe, die noch über Jahre aufbewahrt werden. Oder an den Reiz des Vergangenen, den Sammler von Post- und Ansichtskarten verspüren.
Als Erfinder der Mail Art gilt der US-Künstler Ray Johnson. Er war es, der Anfang der 1960er-Jahre mit seiner „New York School of Correspondance“ einen regen Briefwechsel innerhalb der experimentierfreudigen Konzeptkunstszene im Umfeld von Neo Dada, Fluxus und Pop Art initiierte. Unvergessen übrigens auch – sofern man ein gewisses Alter erreicht hat – der Werbeslogan der Post, die ab 1985 mit Plakaten und Stickern aufforderte: „Schreib mal wieder“.
Ja, natürlich geht das in der Zeit von sogenannten sozialen Medien alles schneller und einfacher. Aber ist es nicht auch vergänglicher? So kommt einem Mail-Art-Projekt, wie es Ingo Cesaro jetzt anstößt, irgendwie schon einer Emanzipation von WhatsApp und Konsorten gleich.
Mathias H. Walther
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