Sonntagsgedanken
Sie trieben ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war und wollten ihn hinabstürzen. Er aber schritt mitten durch die Menge und ging weg.
Umbringen wollten sie ihn, aber kurz vorher waren sie noch begeistert. Doch seine Worte trafen sie, die Oberen, die das Sagen hatten, sein Worte, die ihnen sagten: „Gott will das Heil für alle, nicht nur für Israel.“
Das konnte nicht sein, das ging doch nicht. Er wurde verurteilt, weil er der Unterdrückung ein Ende machen wollte.
Auch heute verurteilt unsere Kirche, und im Moment schäme ich mich für sie, weil sie verurteilt, weil sie mit dem Finger auf andere zeigt, weil sie nicht vergibt und nicht um Verzeihung bittet. Ich schäme mich, weil meine Kirche, die mir so lieb und teuer ist, die Würde von Gottes Ebenbildern mit den Füssen tritt und missachtet und das Ganze vertuscht oder abtut; mit Beten für die Opfer. Damit wird aber mit keinem Wort Reue gezeigt.
Dennoch ist mir Kirche sehr wichtig! Ich mag meine Kirche!
Deswegen habe ich noch Hoffnung und träume
- von einer Kirche, in der wirklich die Starken die Schwachen beschützen und nicht missbrauchen.
- von einer Kirche, in der jeder Mensch geachtet wird und die Würde jedes einzelnen nicht mit Füßen getreten wird.
- von einer Kirche, in der traumatisierte Menschen ernst genommen werden, in der ihnen Glaube geschenkt wird und die sich ganz bewusst auf deren Seite stellt.
- von einer Kirche, in der aufeinander geachtet wird und Menschen Unterstützung erfahren, die sich gegen Unrecht auflehnen und so den vielen, die schweigen oder schweigen müssen, wieder eine Stimme geben.
- Ich träume von einer Kirche, in der gerade die, die ein Amt ausüben und Fehler gemacht haben, zu Ihren Fehlern stehen und sich entschuldigen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen und immer wieder anderen die Schuld zuweisen.
- von einer Kirche, der die Wahrheit immer wichtig ist und nicht das Vertuschen von Wahrheiten, und in der die Schuldigen auch die Konsequenzen ihres Handelns tragen.
- von einer Kirche, in der die unterschiedlichen Menschen ihren Platz haben und willkommen sind, in der diese Menschen nicht ausgeschlossen, sondern aufgenommen werden, ganz gleich wer oder wie sie auch immer sind.
- von einer Kirche, in der andere Meinungen akzeptiert werden und sich keiner mehr verbiegen und Angst haben muss.
- von einer Kirche, in der Macht und Arroganz keinen Platz haben, sondern Menschen sich gegenseitig annehmen, helfen und unterstützen: in der alle gleich sind.
- von einer Kirche, die eine „Kirche vor Ort“ ist, in der Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten alle miteinander Kirche sind, so wie es in den Urgemeinden noch gewesen ist.
Ich träume, ja, ich bin ein Träumer, aber ohne diesen Traum stirbt meine Hoffnung, dass er sich erfüllen wird.
Leider ist es nur ein Traum, aber ich will ihn träumen und die Hoffnung nicht aufgeben. Denn ich weiß: Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum, aber wenn viele gemeinsam träumen, dann ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit: einer neuen Kirche.
„Herr, gib mir den Mut, immer in deinen Spuren zu gehen, deine Botschaft mutig den Menschen zu verkünden, selbst wenn sich Widerstände auftun: Dann, Herr, steh mir bei und gib mir Kraft.
Herr, gib mir den Mut, meine Stimme zu erheben, gegen Unrecht und Ungerechtigkeit, selbst dann, wenn ich der einzige bin, weil du es auch getan hast.
Herr, gib mir den Mut immer wieder neu zu versuchen, eine Kirche zu verkünden und zu leben, die in deinem Sinne ist, selbst dann, wenn keiner mitmachen will, weil ich deine Kirche schätze und liebe.
Und Herr, bitte gib auch anderen Mut, denn nur wenn viele gemeinsam träumen und handeln, wird deine Kirche wieder neu.“
Klaus Weigand
Weitere Sonntagsgedanken
Infos zu Pfarrer Klaus Weigand
- Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
- Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
- Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
- Priesterweihe 1998
- Tätigkeiten:
- Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
- Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
- seit 2015 in Heroldsbach und Hausen
Lieber Herr Pfarrer Weigand!
Es gibt sie, die Kirche, von der Sie träumen. Denn Kirche ist nicht nur die Institution, die durch (zu viele) „amtliche“ Repräsentanten in Verruf geraten ist. Kirche sind wir alle, die wir unter dem Dach dieser Institution versuchen, unseren Glauben wahrhaft zu leben. Und ich bin geneigt, auch die zur Kirche zu zählen, die der Institution aus Enttäuschung über unglaubliches Fehlverhalten, die Versuche der Vertuschung, aber auch die Beispiele offiziell gezeigter Intoleranz, Kaltherzigkeit und Ausgrenzung den Rücken gekehrt, ihren Glauben selbst aber nicht verloren haben.
Es gibt die Kirche als Gemeinschaft der gläubigen Christen, die im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten die Nächstenliebe, eines der beiden laut Jesus höchsten Gebote, in all ihren Ausprägungen leben.
Lassen Sie uns also gemeinsam dafür beten und arbeiten, daß diese Kirche künftig das Bild des Christentums prägt – nicht durch Unter-den Teppich-Kehren der Mißstände, sondern unter aufrichtiger Offenlegung, Aufarbeitung und Umkehr!