Kinderklinik in Coburg: Neuartige Erkrankung von Kindern nach einer Corona-Infektion
Immer mehr Kinder und Jugendliche mit schweren Ganzkörperentzündungsreaktionen nach einer SARS-CoV-2 Infektion werden in der Kinderklinik des REGIOMED Klinikums Coburg behandelt
Viele Aspekte der Corona-Infektion sind nach gut zwei Jahren Pandemie gut erforscht und nachgewiesen. Andere Punkte sind noch nicht erforscht, sind aber aus dem direkten Zusammenhang mit der Infektion abzuleiten. So wie die Ganzkörperentzündungsreaktionen, die nun vermehrt Kinder- und Jugendliche nach einer Corona-Infektion erleiden. Dabei scheint es irrelevant zu sein, ob die Kinder eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Erreger aktiv und mit den typischen Symptomen durchmachen oder ob die Viruserkrankung symptomlos abläuft. Nach mehreren Wochen oder Monaten erleiden immer mehr dieser Kinder eine schwere Entzündungsreaktion, die den gesamten Körper betrifft. Im medizinischen Sprachgebrauch wird diese Krankheit Multisystem Inflammatory Syndrom in Children (MIS – C) oder Pediatric Multisystem Inflammatory Syndrom (PIMS) genannt.
Bekannt ist bisher, dass im Anschluss an eine Coronainfektion das Immunsystem der betroffenen Kinder plötzlich verrücktspielt. Es findet eine überschießende Immunantwort statt. Nach dem Abwehrkampf gegen das Coronavirus greift das körpereigene Immunsystem in der Folge fast alle Organe des kindlichen Körpers an. Die Kinder klagen plötzlich über Fieber, bekommen Hautausschläge, haben sehr oft starke Bauchschmerzen, die an eine Blinddarmentzündung denken lassen, die Bindehaut der Augen ist gerötet und die Lymphknoten sind geschwollen. Nach Einweisung in die Kinderklinik ergeben die Untersuchungen dann stark erhöhte Entzündungswerte im Blut, Zeichen einer Herzmuskelentzündung und Leberentzündung. Regelmäßig treten leider auch schwere Komplikationen wie totales Kreislauf und Nierenversagen auf. Auch Wasseransammlung im Bauchraum, in der Brusthöhle oder im Herzbeutel werden oft diagnostiziert. Ein Viertel dieser Kinder muss sogar auf der Intensivstation behandelt werden.
Glücklicherweise wirkt die Behandlung gegen die Entzündungsreaktion mit aggressiven Medikamenten wie zum Beispiel Cortison sehr gut und die Kinder erholen sich rasch. Bisher wurden erfreulicherweise nur vereinzelt Langzeitfolgen bei Kindern gemeldet, jedoch ist die Datenlage bisher noch nicht ausreichend und weitere wissenschaftliche Untersuchungen müssen folgen.
Aktuelle Forschungsergebnisse aus den USA (CDC Atlanta) machen große Hoffnung, dass man diese lebensbedrohliche Ganzkörperentzündung (MIS-C, PIMS) bzw. die schwerwiegenden Auswirkungen durch eine Impfung verhindern kann. Betroffene Kinder müssen nicht mehr unbedingt im Krankenhaus oder auf einer Intensivstation behandelt werden. Von einer Impfung profitieren der Studie zufolge vor allem Kinder im Alter von 5-18 Jahren, mit chronischen Erkrankungen und einer vorhergehenden Lungenentzündung, die in einer Kinderklinik behandelt werden mussten.
Fragen an den Chefarzt der Coburger Kinderklinik Ass. Prof. Dr. med. Dahlem und Frau Kristina Hoffmann, Kinderärztin am REGIOMED Klinikum Coburg
Haben Sie in der Kinderklinik in Coburg auch schon Kinder mit COVID 19 und dieser schlimmen Ganzkörperentzündung behandelt?
Ass. Prof. Dr. med. Peter Dahlem: Ja. Tatsächlich behandeln wir immer mehr Kinder, die mit SARS- CoV-2 infiziert sind, sei es, dass sie wegen COVID-19 stationär behandelt werden müssen, oder dass die Infektion als Zufallsbefund im Aufnahmetestscreening festgestellt wird. Die Erkrankung verläuft bei Kindern in der Regel aber sehr mild. Stationäre Aufnahmen wegen einer schweren Infektion sind weniger häufig als bei Erwachsenen und die Erkrankung lässt sich bei ihnen gut behandeln. Jedoch können auch bei Kindern und Jugendlichen nach der Infektion Long-Covid-Symptome auftreten. Daneben sehen wir in unserer Klinik leider auch zunehmend das MIS-C, oder PIMS, die Ganzkörperentzündung; im Moment fast wöchentlich. Es erschreckt einen, wie schwer krank die Kinder sind und wie lange sie intensiv medizinisch behandelt werden müssen. Trotz des guten Anschlagens der Medikamente haben die Kinder eine schwere Leidenszeit und wir wissen noch nicht, wie dauerhaft die Organschäden wirklich sind.
Frau Hoffmann, Sie arbeiten auf der Kinderintensivstation und impfen in Ihrer Freizeit Kinder im Coburger Impfzentrum. Wie erleben Sie persönlich diese Folgeerkrankung?
Frau Hoffmann: Wenn man als Intensivarzt auf der Kinderintensivstation diese Kinder betreut erlebt man wie sehr Kinder, Eltern und die ganze Familie darunter leiden. Auch für die Pflegenden und uns Stationsärzte stellt die Behandlung von Kindern mit MIS-C eine große emotionale Herausforderung dar, wenn z.B. der Kreislauf total versagt und stärkste Medikamente wie Adrenalin zur Besserung der Symptome eingesetzt werden müssen.
Was raten Sie den Eltern?
Frau Hoffmann: Auch wenn es inzwischen abgedroschen klingt: Impfen, Impfen, Impfen. Es ist erwiesen, dass eine Impfung mit dem zugelassenen Impfstoff diese schwere Erkrankung bei Kindern verhindern kann. Im Impfzentrum macht es mir sehr viel Spaß dazu beizutragen, dass die Kinder davor verschont bleiben. Gemeinsam mit den Eltern werden im Aufklärungsgespräch Risiken besprochen und abgewogen. Ich kann für meine Impfeinsätze sagen, dass die Kinder sich sehr vorbildlich verhalten und sich durchaus der Wichtigkeit der Impfung bewusst sind. Sie wollen mit ihrer Impfung sich aber auch andere schützen. Bisher sind mir auch keine Impfreaktionen bekannt, die über die bereits bekannten Reaktionen hinausgehen.
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