Sonntagsgedanken: Egoismus

Symbolbild Religion

Liebe Freunde,

mir geht einfach die chinesische Parabel nicht aus dem Kopf, die Sie bestimmt auch kennen:

Zwei Menschen wollten Hochzeit halten. Die Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass viele Menschen mitfeiern sollten. „Geteilte Freude ist doppelte Freude“, dachten sie. Es sollte ein großes Fest werden, beschlossen sie; mit vielen Gästen. „Denn warum sollte unsere Freude nicht ansteckend sein?“ fragten sie sich. „Es herrscht unter den Menschen ohnehin mehr Leid als Freude.“ Also baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass stehen, in das sie ihren Wein gießen könnten. – Und so sollte jeder die Gabe des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein.

Als nun das große Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass es Wasser war. Versteinert saßen oder standen sie da, als ihnen allen bewusst wurde, dass eben jeder gedacht hatte: „Die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wird niemand merken oder schmecken.“ Nun aber wussten sie, dass jeder so wie sie selbst gedacht hatte: „Heute will ich einmal auf Kosten anderer feiern.“ Unruhe, Scham und Unsicherheit erfasste alle, nicht nur, weil es lediglich Wasser zu trinken gab. Und als um Mitternacht das Flötenspiel verstummte, gingen alle schweigend nach Hause, und jeder wusste: Das Fest hatte nicht stattgefunden.

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel …

Ich glaube, dass in dieser chinesischen Parabel sehr viel Wahrheit steckt. Geht es bei uns nicht auch oft so? Leben viele von uns nicht auch auf Kosten anderer? Wer sorgt sich heute denn noch um das Wohl von anderen? Die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, das zählt, ja das zählt immer mehr und immer noch mehr; und das eben oft auf Kosten der Kleinen: Das hat heutzutage leider bei vielen keine Bedeutung.

Einer war da anders, einer, der nie auf Kosten anderer gelebt hat: Jesus. Und im Gegensatz zu unserer Parabel hat er bei der Hochzeit von Kana sogar dafür gesorgt, dass das Fest nicht ausfallen musste und das Hochzeitspaar vor einer großen Blamage bewahrt.

Und so wie Er damals die Krüge angefüllt hat, so möchte er auch unsere Krüge anfüllen;

  • anfüllen mit Liebe, die wir in einer oft lieblosen Welt brauchen.
  • anfüllen mit neuer Hoffnung, dass irgendwie doch alles zum Guten wird.
  • anfüllen mit neuem Lebensmut, wenn wir am Boden liegen.

Ob uns sein Leben nicht ein Beispiel sein könnte für ein gelungenes Leben? Ich träume oft von einer Welt, Gesellschaft und Kirche, die geprägt ist von Menschlichkeit und in der niemand mehr auf Kosten anderer lebt.

Wir könnten es doch einmal versuchen, den anderen mehr in den Blick zu nehmen, aufeinander Rücksicht zu nehmen und nicht mehr nur auf Kosten anderer zu leben.

Nein, in der großen Politik und Welt können wir nicht viel verändern, aber bei uns vor Ort.

Und vielleicht könnte das ja immer weitere Kreise ziehen. Viele großen Ereignisse in der Welt haben im Kleinen begonnen. Ich bin mir sicher, so manches Leid könnte verhindert werden, wenn Menschen mehr Rücksicht aufeinander nähmen und nicht mit gespreizten Ellenbogen umhergingen.

Ich wünsche Ihnen und mir Menschen, die für uns da sind, die nicht auf unsere Kosten leben, sondern denen unser Wohl am Herzen liegt, und ich wünsche mir für uns alle, für unsere Kirche und Welt, dass es uns gelingen möge, auch in diesem Sinne zu handeln.

Ihnen einen guten Sonntag und passen Sie gut auf sich auf.

Klaus Weigand


Weitere Sonntagsgedanken

Infos zu Pfarrer Klaus Weigand

  • Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
  • Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
  • Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
  • Priesterweihe 1998
  • Tätigkeiten:
  • Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
  • Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
  • seit 2015 in Heroldsbach und Hausen