Appell der Landräte und Bürgermeister: „Eigene Überzeugung nicht instrumenalisieren lassen“
Liebe Mitbürgerinnen,
liebe Mitbürger,
uns allen bleibt es nicht verborgen, dass die Corona-Lage derzeit kontroverser diskutiert wird denn je. Fast zwei Jahre nach Pandemiebeginn haben sowohl die aktuellen Kontaktbeschränkungen als auch zum Beispiel eine mögliche Impfpflicht das Potenzial, unsere Gesellschaft schwerwiegend und nachhaltig zu spalten. Das darf nicht geschehen.
Wir haben sehr viel Verständnis dafür, dass es unterschiedliche Auffassungen zu all den brennenden Themen gibt, die uns derzeit rund um die Pandemie bewegen. Unsere Demokratie lebt davon, dass wir uns dazu austauschen. Unsere Demokratie braucht vielfältige Meinungen, die auch auf der Straße zum Ausdruck gebracht werden. Unsere Demokratie nimmt jedoch Schaden, wenn dabei auch nur der kleinste Platz geschaffen wird für extremistisches Gedankengut.
Exakt diese Gefahr sehen wir aktuell auch bei uns: Extremistische Gruppen rufen aktiv zu Protestkundgebungen auf. Sie schließen sich deutlich erkennbar anderen Demonstrationen an und missbrauchen diese ganz gezielt für ihre Propaganda.
Wir appellieren deshalb an Sie, liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger: Treten Sie offen und transparent für Ihre Überzeugung ein. Lassen Sie es jedoch nicht zu, dass Ihre berechtigten Sorgen von extremistischen Gruppen für deren Zwecke instrumentalisiert werden.Lassen Sie sich nicht vereinnahmen. Setzen wir uns gemeinsam ein für eine wehrhafte, für eine streitbare, für eine lebendige Demokratie.
Johann Kalb, Landrat
Andreas Starke, Oberbürgermeister
Bruno Kellner, Stellvertretender Landrat
Jonas Glüsenkamp, Bürgermeister
Vorab:
Ich bin geimpft, werde mich auch boostern lassen. Ich weiß, daß dies keinen absoluten Schutz bietet, gehe aber von deutlich gemindertem Risiko aus.
Obgleich ich im Grundsatz Maßnahmen gegen eine (schnelle) Ausbreitung der Pandemie befürworte, muß ich konstatieren: Die Politik hat durch ihr Verhalten viel Glaubwürdigkeit verspielt und somit Unmengen Wassers auf die Mühlen der Leugner und Gegner geleitet. Leichtfertige Versprechen, widersprüchliche Maßnahmen, vorzeitige Lockerungen und überzogene Einschränkungen – wiederholt wurde der Eindruck erweckt, die Bevölkerung sollte beruhigt werden, andererseits von Seiten mancher Spitzenpolitiker geradezu gockelhaftes Aufmerksamkeitsgeheische registriert.
So haben es Extremisten leicht, ihre Netze auszuwerfen und selbst die widersinnigsten Behauptungen in die Welt zu setzen. Eine sachliche Debatte ist aus beiderseitigem Verschulden kaum noch möglich – und damit sinken die Chancen, irgendjemanden zu überzeugen. Die Positionen zur Pandemie und den entsprechenden Maßnahmen entwickeln sich zunehmend zur Glaubensfrage. Hierin liegt die größte Gefahr für unsere Demokratie, nicht in vorübergehenden Einschränkungen von Freiheitsrechten, wenngleich hier in jedem Einzelfall natürlich über die Sinnhaftigkeit debattiert werden kann und soll – aber bitte in der Sache, notfalls auch auf dem Rechtsweg!!!