Freunde der Plassenburg erwerben Wappenbiber von 1721

Freunde der Plassenburg erstehen 300 Jahre alten, kunstvoll gestalteten Feierabendziegel

Kein Kunstwerk eines berühmten Malers oder Juwelier, sondern ein beredtes Zeugnis Kulmbacher Handarbeit des 18. Jahrhunderts erwarben die Freunde der Plassenburg vor wenigen Wochen von einem privaten Sammler: Einen sogenannten Feierabendziegel. Genau 300 Jahre alt ist der aus rotbraunem Ton bestehende ehemalige Dachschutz, den in kunstvollen barocken Lettern der Schriftzug “Culmbach 1721” ziert. Der für die Dacheindeckung genutzte Biberschwanz ist ein Flachziegel und an der Unterkante meist halbrund geformt, was an die Kelle des in Flusslandschaften lebenden Nagetiers erinnert. Auf der Rückseite besitzt der Biberschwanz an der oberen Kante eine tönerne Nase, mit dem er an der Dachlatte eingehängt werden kann. Er ist 38 cm lang, 19,5 cm breit und 1,5 cm dick; er wiegt zwei Kilogramm.

Vor der Dachlandschaft Kulmbachs, die seit dem Mittelalter in vielen Fällen mittels Ziegeln gedeckt war, präsentiert Peter Weith, der Vorsitzende der Freunde der Plassenburg, einen Wappenbiber von 1721, den der Verein jüngst von einem Sammler erworben hat. Foto: Peilnsteiner

Vor der Dachlandschaft Kulmbachs, die seit dem Mittelalter in vielen Fällen mittels Ziegeln gedeckt war, präsentiert Peter Weith, der Vorsitzende der Freunde der Plassenburg, einen Wappenbiber von 1721, den der Verein jüngst von einem Sammler erworben hat. Foto: Peilnsteiner

Die Freunde der Plassenburg erwarben eine außergewöhnliche Version dieses Ziegels, die unten in einer Spitze ausläuft. Der Vereinsvorsitzende Peter Weith stellte ihn am Schießgraben im Angesicht der variantenreichen Kulmbacher Dachlandschaft vor: „Die Form dieses gebrannten Decksteins wird Wappenbiber genannt, das ist ein Biberschwanzziegel mit Kielbogenschnitt und abgerundeter Spitze“. Diese Form bewirkt eine andere, charakteristische Strukturierung der Dachfläche.

Biberschwanzziegel ergänzten am Ende des Mittelalters die Dachlandschaft. Zuvor war meist mit gewölbten hohlen Ziegeln, die Mönch und Nonne genannt wurden, gedeckt worden. Mit Biberschwanzziegeln konnte deutlich schneller gedeckt werden. Eine stärkere Verbreitung fand der Biberschwanz allerdings erst ab dem 16. Jahrhundert, als er wegen der Brandgefahr der bis dahin üblichen Stroh-, Reet- und Holzschindeldeckungen in immer mehr Städten vorgeschrieben wurde. Auch heute spielen sie im Denkmalschutz noch eine große Rolle. Weith zeigt sich begeistert von dem intakten 300 Jahre alten Deckstein und von der Kulmbacher Handwerkskunst: „Diesen Ziegel könnte man ohne Probleme sofort noch einmal auf ein Dach legen. Der würde noch Jahrzehnte halten“.

Mit einem Griffel wurde kunstvoll in barocker Schrift der Ortsname Culmbach vor dem Brennvorgang in den noch feuchten Ton des 300 Jahre alten „Wappenbiber“ genannten Dachziegels eingeritzt. Die Jahreszahl 1721 wurde mit einem Stempel eingedrückt. Teilumrisse zweier weitere Dachziegel beweisen, dass der Feierabendziegel tatsächlich ein Dach bedeckte. Foto: Peilnsteiner

Mit einem Griffel wurde kunstvoll in barocker Schrift der Ortsname Culmbach vor dem Brennvorgang in den noch feuchten Ton des 300 Jahre alten „Wappenbiber“ genannten Dachziegels eingeritzt. Die Jahreszahl 1721 wurde mit einem Stempel eingedrückt. Teilumrisse zweier weitere Dachziegel beweisen, dass der Feierabendziegel tatsächlich ein Dach bedeckte. Foto: Peilnsteiner

Das Wort Feierabendziegel ist als Sammelbegriff für unterschiedliche mit Ornamenten, Inschriften und Abdrücken versehene Ton ziegeln zu verstehen. Früher wurde angenommen, sie seien jeweils die letzten Ziegel, die vor einem Brennvorgang aus Ton entstanden und besonders gekennzeichnet wurden. Doch wurden „Feierabendziegel“ in Franken nicht unbedingt am Ende eines Arbeitstages gefertigt. Stattdessen gestaltete man sie zu anderen Anlässen, etwa zu Saisonbeginn, für die Deckung außergewöhnlicher Gebäude oder auf Bestellung. Auf ihnen finden sich seit Jahrhunderten Striche, Sonnensymbole, Tiere, Kreuze und teilweise auch Inschriften und Handabdrücke. Im 18. Jahrhundert wurden besondere Ziegel mit Jahreszahl und dem Herstellungsort zum Abschluss einer Produktionseinheit oder am Ende der Ziegelsaison gefertigt. Bei einfachen Ziegeln wurde mit einem Spatel oder Stäbchen eine Zahl, ein Ortsname und eventuell weitere Symbole eingeritzt. Aufwändiger waren für das jeweilige Jahr gestaltete Stempel. Die Beschriftung des neu erworbenen Ziegels wurde auf zwei unterschiedliche Arten angebracht. Mit dem einem Stäbchen oder Griffel wurde das vielfach geschwungene und spiralförmig unterstrichene Wort „Culmbach“ in den noch feuchten Lehm geschrieben. Der Schriftzug imitiert denjenigen einer breiten Feder auf Papier. Ein Stempel diente dann dazu, die in einen rechteckigen Rahmen gefasste Jahreszahl 1721 darunterzusetzen.

Der Ziegel von 1721 war lange Zeit auf einem Dach bei Wind und Wetter im Einsatz, wie die Umrisse zweier weiterer Biberschwänze auf seiner Oberseite belegen. Ihre Lage etwas oberhalb des Schriftzugs lässt den Schluss zu, dass das Dach einst in sogenannter Doppeldeckung eingedeckt war. Daraus und mit den Spitzen des Wappenbibers ergibt sich eine charakteristische Musterung im Dach. „Der Ziegel war Teil einer recht teuren Dacheindeckung die 1721 oder in den Jahren danach vorgenommen wurde. Vielleicht kann aus Bau- oder Reparaturakten in den Archiven oder Bauinschriften an Gebäuden aus dieser Zeit entnommen werden, um welches Bauwerk es sich handelt“, erläutert Weith zu den Hintergründen dieses Ankaufs. Es ist nicht bekannt, für welches Gebäude in Kulmbach er Verwendung fand. Der für einen niedrigen dreistelligen Eurobetrag erworbene Ziegel soll daher nicht nur als Ausstellungs- sondern auch als Forschungsobjekt dienen. Ob herausgefunden werden kann, in welcher Ziegelei, von wem und für welches Bauwerk oder welchen Auftraggeber er geschaffen wurde, soll dem Eifer und von Heimatforschern, Historikern oder Bauforschern überlassen bleiben. Das Artefakt soll auch für Ausstellungen und eventuell als Bereicherung eines Kulmbacher Museums verliehen werden.

Der Beruf des Ziegler war im Mittelalter und der frühen Neuzeit in vielen Teilen Frankens ein nicht-zünftiger Beruf. Zwar gab es örtliche Zusammenschlüsse der Ziegelhersteller und sie finden sich in Berufsbeschreibungen des 16. und 17. Jahrhunderts, doch in vielen Fällen war Ziegelherstellung auch ein saisonaler Nebenerwerb von Handwerkern und Bauern, der meist von Ende März bis November ausgeführt werden konnte. Zum einen gefror Tonerde und Lehmboden im Winter und war kaum abzubauen, zum anderen sollte das verwendete Material vor dem trocknen und Brennen wenigstens einmal während eines Winters durchgefroren sein. Demnach dauerte die Herstellung solcher Ziegel weit über ein Jahr. Bis ins 20. Jahrhundert wurden viele Orte der Herstellung nach dem Produkt benannt, so etwa der Ortsteil Ziegelhütten und der Ziegeleiweg oder auch der Zieglerweg in Kulmbach sowie die Ziegelhütte, die es in Himmelkron in Mainleus und Stadtsteinach gibt.

Ziegel wie der Kulmbacher von 1721 finden sich auch in den Sammlungen großer Museen wie dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, dem Museum Europäischer Kulturen in Berlin oder in Spezialsammlungen in Bad Herrenalb, im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim und im Wiener Ziegel- und Baukeramikmuseum. Und nun auch in der Sammlung der Freunde der Plassenburg.

Holger Peilnsteiner


Quellen:

www.dachziegelarchiv.de

Bender, Willi und Schrader, Mila: „ Dachziegel als historisches Baumaterial“. Edition Anderweit GmbH, Suderburg-Hösseringen 1999.