Neue Studie der Universität Bayreuth zur globalen Verbreitung von Flechten
Klima und Evolution
Flechten besiedeln alle Regionen der Erde, von den Polen bis zum Äquator. Es handelt sich um Lebensgemeinschaften von Pilzen und Algen zum beiderseitigen Vorteil. Dabei spielen die von den Pilzpartnern erzeugten Flechtenstoffe eine zentrale Rolle. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Bayreuth, der Universität Hohenheim und der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns hat jetzt herausgefunden, wie unterschiedliche Klimaverhältnisse die Eigenschaften von Flechtenstoffen und dadurch die Evolution sowie die globale Verbreitung von Flechten beeinflussen. In den „Ecology Letters“ stellen sie ihre Forschungsergebnisse vor.
Die in den Flechten miteinander verbundenen Pilze und Algen stehen in engen Austauschbeziehungen. Die Pilzpartner (Mykobionten) bilden mit ihren Hyphen meistens den Hauptanteil des Flechtenkörpers. Auf diese Weise schützen sie die Algen (Photobionten) vor den UV-Strahlen des Sonnenlichts und anderen schädlichen Umwelteinflüssen. Im Gegenzug verschaffen sich die Pilze lebensnotwendige Kohlenstoffverbindungen, welche die Algen durch Photosynthese produzieren. Wie die Forscher*innen festgestellt haben, betreiben einige Flechtenpilze für diese Selbstversorgung mit Kohlenstoff einen hohen Aufwand: Sie schützen die gegen UV-Strahlung besonders empfindlichen Grünalgen, indem sie sogenannte „Flechtenstoffe“ produzieren, welche die UV-Strahlung absorbieren. Zugleich erleichtern diese Flechtenstoffe – sie werden in der Forschung als Sekundärmetaboliten bezeichnet – den Kohlenstoff-Transfer von den Algen zu den Pilzen.
Die in verschiedenen Regionen der Erde von den Pilzpartnern produzierten Flechtenstoffe unterscheiden sich dabei deutlich hinsichtlich ihrer chemischen Eigenschaften. Die Fähigkeit zur Absorption von UV-Strahlung ist unterschiedlich stark ausgeprägt, und ebenso auch ihre Wasserlöslichkeit. Je löslicher die Flechtenstoffe sind, desto größer ist in Regionen mit hohem Niederschlag und hohen Temperaturen die Gefahr, dass die Flechtenstoffe ausgewaschen werden. Die Forscher*innen aus Bayreuth, Hohenheim und München haben diese weltweit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der Flechtenstoffe in aufwändigen Berechnungen identifiziert. Parallel dazu haben sie bereits vorhandene große Datenbestände zum globalen Vorkommen sowie zu den ökologisch relevanten Merkmalen von mehr als 10.000 Flechtenarten analysiert. Bei der gemeinsamen Analyse dieser Daten fanden sie heraus: Die UV-Absorptionsfähigkeit und die Wasserlöslichkeit der Flechtenstoffe haben einen klar erkennbaren Einfluss auf die Evolution und die globale Verbreitung von Flechten. So sind Flechtenstoffe in tropischen Regionen mit starken Niederschlägen und hohen Temperaturen weniger gut wasserlöslich als in kühleren und trockenen Regionen, wo die Gefahr der Auswaschung erheblich geringer ist.
Die in „Ecology Letters“ veröffentlichten Forschungsergebnisse sind aus einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit der drei Partnereinrichtungen in Bayreuth, Hohenheim und München hervorgegangen. Expert*innen aus der Pflanzenökologie, Mykologie/Lichenologie, Naturstoffchemie, Phylogenetik, Bioinformatik, Ökoinformatik und den Datenwissenschaften haben an der Studie mitgewirkt. Die Ergebnisse der gemeinsamen Untersuchungen sind nicht allein für die Erforschung globaler Biodiversität und klimabedingter Einflüsse auf die Evolution von großem Interesse. Flechtenstoffe haben, wie sich im Zuge von chemischen Analysen bestätigt hat, antibiotische Wirkungen und spielen zudem eine große Rolle bei der Gesteinsverwitterung. Daher ist die neue Studie auch aus der Sicht der Naturstoff-Forschung und der Biogeochemie von großem Interesse.
Veröffentlichung:
Andreas H. Schweiger, G. Matthias Ullmann, Nicolai M. Nürk, Dagmar Triebel, Rainer Schobert, Gerhard Rambold: Chemical properties of key metabolites determine the global distribution of lichens. Ecology Letters (2021), DOI: https://dx.doi.org/10.1111/ele.13930
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