Als Ebermannstadt zum Eckpfeiler wurde
2023 kann die Wiesentmetropole das 700-jährige Jubiläum ihrer Stadterhebung feiern – Ein Baier und ein Franke standen Pate
Der alten Kreisstadt stehen, wenn die sechste oder achte Corona-Welle mehr oder weniger glücklich über das Tal der Wiesent weggeschwappt sein wird, nächstes Jahr große Tage ins Haus. Genau siebenhundert Jahre werden es 2023 her sein, dass die damalige Inselsiedlung „ebermarestad“ durch königlichen Erlass zur Stadt erhoben wurde. Damals schon müssen die Perspektiven für den zum Amt Neideck gehörenden Ort günstig gewesen sein, so günstig, dass der deutsche König Ludwig IV. aus dem Hause Wittelsbach, später „der Bayer“ genannt, seinem Freund Konrad von Schlüsselberg gerne diesen Wunsch erfüllte. Die Entwicklung durch die Jahrhunderte hat diesem Akt der mittelalterlichen Regionalplanung sicherlich recht gegeben.
Hinzu kommt, dass der Wittelsbacher allen Grund hatte, dem Schlüsselberger, einem Edelfreien im Grafenrang, dankbar zu sein. Immerhin hatte der ihm noch kein Jahr zuvor, im Herbst 1322, in der Schlacht bei Mühldorf am Inn die Königskrone bewahrt, die sein Rivale Friedrich der Schöne, ein Habsburger, ihm schon länger streitig machte. Als es darüber zum Kampf kam, führte Konrad die „Reichssturmfahne“ und Ludwigs Streiter zum Sieg. Belohnt wurde er unter anderem mit dem Reichsgut Grüningen nördlich von Stuttgart am Neckar, das dem jeweiligen Träger des Reichsbanners zustand. Dort wird der verwitwete Schlüsselberger wohl auch seine zweite Frau Beatrix von Württemberg kennengelernt und danach den größeren Teil seiner Zeit verbracht haben; zumindest nannte er sich selbst in der Folge gerne „Konrad von Schlüsselberg zu Grüningen“. Sein Titel verschaffte ihm Zugang zum Hochadel und gewiss auch den damit verbundenen Einfluss.
Was aber nicht heißt, dass er seine heimischen Güter vernachlässigt hätte. Im Gegenteil: Wie schon seine Vorfahren, denen die Fürstbischöfe von Bamberg für deren Unterstützung im Meranischen Erfolgekrieg nach 1248 die Ämter Neideck und Senftenberg überlassen hatten, sah wohl auch Konrad das Entwicklungspotenzial im Wiesenttal. Das hatte er schon einmal gesehen, nach der Schlacht von Gammelsdorf, bei der Konrad zehn Jahre zuvor ebenso erfolgreich auf Seiten Ludwigs für dessen Krone gegen die Habsburger gekämpft hatte: Damals hatte der König und spätere Kaiser Waischenfeld zur Stadt erhoben. Der Ort zu Füßen der Schlüsselburg war ureigenster Besitz der Schlüsselberger, die rund hundert Jahre zuvor das reiche Waischenfelder Erbe angetreten hatten. Mit dem Erlöschen der beiden Schlüsselberger Nebenlinien der Otlohesdorf (nach Dr. Kunstmann Adelsdorf oder Attelsdorf) und Greifenstein war für Konrad ein zusammenhängendes Herrschaftsgebilde entstanden, das sich in seinem Kern ausgehend vom Tal der Reichen Ebrach südlich und östlich des Fürstbistums Bamberg erstreckte. Ebermannstadt, an der Schnittstelle gelegen, wurde mit seiner Stadterhebung zum Zentrum, um nicht zu sagen: zum Eckpfeiler dieses kleinen „Reiches“.
Aber nicht nur zur Stadt nach Nürnberger Recht wurde „Ebermarestad“ anno 1323 erhoben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es bis heute in Ebermannstadt einen „Bayerischen Weg“ gibt. Wenn der auch bedauerlicherweise seiner Bedeutung beraubt und zur „Bayerischen Gasse“ herabgestuft ist, so scheint dieser „bayerische Weg“ in früheren Zeiten doch nicht unbedeutend gewesen zu sein. Immerhin stand bis in unsere Zeit in der ehemaligen Nachbargemeinde und heutigem Stadtteil ein Gasthaus, das gleichzeitig als Wegweiser gedient haben mochte: das Gasthaus „Zum Bayerischen“. Hier musste abbiegen, wer nicht weiter in Richtung Süden auf der Fernstraße ins Schwäbische (heute B 470) reisen, sondern eben ins (damals) „Bairische“ wollte. Ein Kuriosum dürfte dabei gewesen sein, dass dieser „Bairische Weg“ in beiden Richtungen in König Ludwig bairisches Stammland führte: durch das Ramstertal in Richtung Oberpfalz und in Richtung Süden zur Bundesstraße 2 nach Nieder- und Oberbayern. Hat also ein wohlmeinender König Ebermannstadt nicht nur zur Stadt erhoben, sondern ihr auch Anschluss an sein Baiernland gegeben? Ein repräsentativer Rest des „Bayerischen Weges“ östlich von Ebermannstadt spricht dafür, dass hier lange vor dem neuzeitlichen Königreich Bayern eine engere Verbindung zwischen Altbaiern und Franken zumindest ins Auge gefasst war. Doch das wäre wohl ein Kapitel für sich.
Allerdings währte die Erfolgsgeschichte zwischen König Ludwig (seit 1328 Kaiser) und seinem „guten Freund und Rathgeber“ Konrad von Schlüsselberg nicht ewig. Die Habsburger und andere wollten sich mit ihrer Niederlange nicht abfinden und nutzten ihren Einfluss bei Papst und Kirche, um am Kaiser vorbei Politik in ihrem Sinne zumachen. Die Wittelsbacher nahmen dies nicht hin und es kam zu Spannungen zwischen Kaiser und Papst, der damals in Avignon residierte. Mit der Folge, dass Ludwig (von der katholischen Propaganda erhielt er den Beinamen „der Baier“, um ihn im übrigen Reich zu isolieren) und seine Getreuen mit dem Kirchenbann schon 1326 belegt wurden. Das sollte Folgen haben auch für das Schlüsselberger Land.
Den ersten Pulverdampf gerochen
Zu einem militärischen Ausbruch kam der Konflikt zwischen Kaiser und Papst schließlich im Jahr 1334, als die kirchliche Seite bei der Neubesetzung des Konstanzer Bischofsstuhles an König und Kaiser vorbei ihren Favoriten installierte. Der „Bavarus“ wollte das nicht hinnehmen und belagerte Stadt und (Bistums-)Festung Meersburg am Nordufer des Bodensees, wohin sich der neue Bischof und sein Gefolge zurückgezogen hatten. Allerdings endete hier das Kriegsglück der Jugendfreunde Ludwig und Konrad, die sich vermutlich in jungen Jahren auf der Nürnberger Kaiserburg kennen und schätzen gelernt hatten. Den kaiserlichen Truppen gelang es nicht, die Versorgung der Meersburg – einer Festungsanlage am Steilufer des Bodensees, die auf die Merowingerzeit zurückgeht – über See zu unterbinden, so dass man unverrichteter Dinge wieder anziehen musste. Vielleicht als Folge davon quittierte Konrad von Schlüsselberg den Dienst als Träger des Reichsbanners. Dass er in Meersburg nicht dabei gewesen sei könnte, ist schwer vorstellbar – schließlich hatte der Träger der „Reichssturmfahne“ auch das „Vorstreitrecht“, will heißen: Bevor nicht der Herr von Schlüsselberg blankzog, hatte im kaiserlichen Heer überhaupt niemand die Waffe zu erheben. Gegen die Zahlung von 6000 Talern und weitere Zugeständnisse – unter anderem die Aufrichtung der Stadt Schlüsselfeld – verzichtete Konrad anno 1336 auf seine Rechte an Grüningen, tauschte den Neckar mit der Wiesent und lebte fortan wieder auf der Neideck. Der „Kontesweg“, des Herrn Konrads Weg, hoch über dem Tal von der Neideck nach Ebermannstadt kündet heute noch davon, dass es ihn nicht selten in seine Stadt gezogen haben mag.
Der Kampf um Meersburg ist allerdings auch militärgeschichtlich von nicht geringer Bedeutung. Erstmals auf deutschem Boden fielen dabei „schütz aus ainer büchs“, wie in verschiedenen Quellen berichtet wird. Unklar ist dabei nur, auf welcher Seite die neue Waffentechnik zum Einsatz kam – ob von Seiten der Verteidiger oder der Belagerer. Die Rede ist allerdings von „etlichen maistern“, die die neuartige Waffe bedienten, was die Möglichkeit eröffnet, dass sich beide Seiten daran versuchten. Sie luden wohl ein hinten abgeschlossenes Rohr – daher die Bezeichnung „Büchs(e)“ – mit Schwarzpulver und einer Steinkugel und brachten diese Ladung in der im Boden verankerten Vorrichtung zur Explosion. Die Wirkung von Schall und Rauch soll dabei größer gewesen sein als die Schäden durch Treffer. Konrad von Schlüsselberg hat hier wohl den „Sound“ einer neuen militärischen Epoche noch gehört, wenn nicht sogar die Kommandos dazu gegeben. Innovativ, wie er veranlagt war, könnte man vielleicht den Schluss wagen, dass er – wieder daheim – versucht hat, die neue Kriegsdimension weiter zu entwickeln. Gibt es eigentlich eine andere Erklärung dafür, dass sich etwas außerhalb von Waischenfeld, zu Füßen der Schlüsselburg, in Konrads ureigenstem Herrschaftsbereich, heute noch eine Pulvermühle findet?
Bei allen seinen Qualitäten und Fähigkeiten – eine Sorge sollte dem letzten Schlüsselberger bleiben. Aus seinen beiden Ehen gingen zwar fünf Töchter hervor, der ersehnte männliche Erbe aber blieb ihm versagt. In den 1340er Jahren wird sich der „Sechziger“ gewiss Gedanken gemacht haben, wie es mit seinem reichen und wohlgeordneten Besitz weitergehen könnte. Und er fand auch dafür eine Lösung die ihm gefallen haben dürfte: Eine Generation früher hatte eine schlüsselbergische Tochter einen Landgrafen von Leuchtenberg geehelicht. Also kam Konrad mit dem nachbarlichen Landgrafen überein, dass nach seinem Tod die beiden Grafschaften vereinigt von der Familie der Leuchtenberg weitergeführt werden sollten. Neue „Hauptstadt“ sollte Pegnitz werden, für dessen Erweiterung und Ausbau im Frühjahr 1347 Konrad von Schlüsselberg den nötigen Grund und Boden zur Verfügung stellte. Nach Waischenfeld, Ebermannstadt und Schlüsselfeld war es seine vierte Stadtgründung in der Region. Damit allerdings wäre – im heutigen Sprachgebrauch – eine „Gebietskörperschaft“ entstanden, die dem Fürstbistum Bamberg ebenso im Wege war wie den Hohenzollern zwischen Nürnberg und ihren Besitzungen am Obermain. Noch im Spätsommer des gleichen Jahres kam es zum Angriff der verbündeten Feinde Konrads, der bei der Belagerung seiner Burg Neideck den Tod fand. Sein reicher Besitz wurde unter den Siegern aufgeteilt.
Ein Bild des Schlüsselbergers?
Sucht man heute nach Spuren des letzten Schlüsselbergers, findet man allenfalls noch einen Schützenverein, der die Erinnerung hochhält. Ein Grab war dem letzten und Bedeutendsten seines Geschlechts nicht beschieden. Zwar hatte die Familie eine Grablege im eine Generation zuvor gestifteten Kloster Schlüsselau, doch in der Kirche der Zisterzienserinnen dürfte der Ketzer Konrad, der doch in Wirklichkeit ein frommer Mann war, nicht bestattet werden. Da half es auch nicht, dass Konrads Schwester(?) Anna hier Äbtissin war. An der Außenmauer der früheren Kloster- und heutigen Wallfahrtskirche wurde der letzte Schlüsselberger angeblich bei Nacht und Nebel unter die Erde gebracht, sein Name teilweise in den Sandstein geritzt. Immerhin: Über der Stelle, wo man sein Grab vermuten darf, ließen die frommen Schwestern eine bildliche Darstellung des Jüngsten Gerichts anbringen. Das Relief zeigt einen knieenden Mann mit langen hellen (grauen) Haaren, also wohl einen Freien, der im Büßergewand, aber in sehr aufrechter Haltung Gnade von den himmlischen Mächten erfleht. Die Gesichtszüge sind zwar kaum mehr zu erkennen, man darf aber davon ausgehen, dass die Darstellung Konrad von Schlüsselberg zumindest nachempfunden ist. Zum Schutz vor der Witterung wird das geschnitzte Bildnis heute in der Kirche aufbewahrt, an der Außenwand zeugen nur die Reste eines Regenschutzes davon, wo es gut sechshundert Jahre lang hing.
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