Bayreuther Finanzexperte fordert: „Versorgungs- und Finanzierungsstrukturen der sozialen Sicherung müssen den langfristigen Erfordernissen angepasst werden“
Die Finanzierung von Rente, Pflege und gesetzlichen Krankenkassen sind nur durch Geld vom Staat noch möglich: Damit auch in Zukunft die sozialen Systeme finanzierbar bleiben, müssen der Finanzierungsmix überarbeitet und Leistungsübernahmen genau definiert werden, erläutern Prof. Dr. Volker Ulrich von der Universität Bayreuth und Prof. em. Dr. Eberhard Wille von der Universität Mannheim in einem kürzlich erschienenen gemeinsamen Gutachten.
Die beiden Wirtschaftswissenschaftler haben im Auftrag des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein Gutachten mit dem Titel „Haushalts- und wirtschaftspolitische Illusionen und Gefahren der Steuerfinanzierung von Sozialversicherungssystemen“ veröffentlicht. Das Problem, um das sich der Beitrag dreht, ist die Finanzierung der sozialen Sicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung.
„Der Beitrag diskutiert die Ansatzpunkte für eine zielorientierte Beitrags-, Steuer- oder Kreditfinanzierung kommender Ausgabensteigerungen“, erklärt Prof. Ulrich, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft (VWL III) an der Universität Bayreuth. „Die Auswirkungen des demografischen Wandels, des medizinisch-technischen Fortschritts und der Leistungsausweitungen sowie die Folgen der Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass mehr Steuermittel in die Systeme der sozialen Sicherung fließen.“
Besonders weil die Möglichkeiten der Erhöhung der Beitragssätze begrenzt sind – hier will die Politik die 40-Prozent-Grenze der Sozialgarantie auch künftig einhalten – muss aus Sicht der Gutachter davon ausgegangen werden, dass die gestiegenen Kosten durch Steuergelder finanziert werden müssen.
Daraus ergibt sich eine Konkurrenz-Situation. Der Bundeshaushalt müsste mehr Geld für Rente, Pflege oder Gesundheit aufbringen, gleichzeitig wird das Geld aber auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Bildung, Infrastrukturausbau und Digitales benötigt. „Schon heute ist absehbar, dass bei Gültigkeit von Schuldenbremse und Sozialgarantie die Bundeszuschüsse in den nächsten zwei Legislaturperioden und darüber hinaus eine erhebliche Dynamik erfahren werden“, heißt es in dem Beitrag, der in der Ausgabe Nr. 2/21 der Zeitschrift „Gesellschaftspolitische Kommentare“ erschienen ist. „Die nächste Legislaturperiode wird für die künftige Finanzarchitektur der gesetzlichen Krankenkassen von großer Bedeutung sein.“
Ulrich und Wille kommen in ihrem Beitrag zu dem Schluss, dass es in der Gesundheitspolitik widersprüchliche Einschätzungen zum Finanzierungsmix aus Beiträgen, Steuern und neuen Schulden gibt, da es bisher keine verbindliche Festlegung für die Finanzierungsmixe der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt. „In einem betragsfinanzierten GKV-System sollte sich die Steuerfinanzierung auf versicherungsfremde Leistungen beschränken, sonst wird sie zum Spielball der Politik“, sagt Ulrich. Daher sei eine klare Definition von versicherungsfremden Leistungen sehr wichtig. Diese müsse für eine transparente Finanzierung unbedingt vorgenommen werden.
Der Artikel empfiehlt schließlich: „Insgesamt sollten die Versorgungs- und Finanzierungsstrukturen stärker an die langfristigen Erfordernisse einer nachhaltigen Entwicklung der Systeme der sozialen Sicherung angepasst werden.“
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