Coburg: Alte Kirschbäume gesucht
Nur wenige können bei reifen süßen Kirschen widerstehen, denn die kleinen Früchte können zu verschiedenen Speisen weiterverarbeitet oder direkt vom Baum genascht werden. „Die Kirsche kam um 50 n.Chr. mit den Römern vom schwarzen Meer über Italien nach Deutschland“, erklärt Janine Ilge, Biodiversitätsberaterin am Landratsamt Coburg. Und sie weiß auch: Kirsche ist nicht gleich Kirsche. Das erkannte schon vor über 200 Jahren Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen zu Bettenburg. Dieser Adlige wohnte auf der Bettenburg im heutigen Landkreis Hassberge und hatte eine Vorliebe für die süße Frucht. Er sammelte auf seinen Reisen eine Vielzahl von verschieden Kirschensorten und schuf damit an seiner Burg einen Kirschgarten. Dieser Sortengarten existiert heute leider nicht mehr. Es wird aber vermutet, dass sich die Kirschsorten des Freiherrn durch gute Beziehungen zum Fürstenhaus Coburg bis in das Coburger Land verbreitet haben. Obstbaumkundige könnten „gute“ Sorten über Edelreiser immer weiter vermehrt haben. Somit könnte die eine oder andere historische, ganz besondere Kirschsorte im Landkreis noch anzutreffen sein, hofft die Biodiversitätsberaterin.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch eine große Vielfalt an Kirschen, die aber mit zunehmenden Möglichkeiten zum Import von Früchten in Vergessenheit geriet, weil ihnen fälschlicherweise kein besonderer Wert beigemessen wurde. Im Handel sind heute leider nur vergleichbar wenige Sorten erhältlich, dabei sind mehr als 400 Kirschsorten bekannt. „Der Rückgang der Sorten ist ein Verlust der biologischen Vielfalt, denn alte Sorten tragen genetische Merkmale, die zum Beispiel Klimaveränderungen besser widerstehen und deshalb eines Tages wertvoll für Züchtungen seien können. Während sich heute gehandelte Kirschsorten am Massenmarkt orientieren, ermöglichte die frühere Vielfalt an Sorten und Züchtungen die Anpassung an Standorte, besondere Geschmacksrichtungen oder auch eine Abstimmung der Blütezeit im Obstgarten über die sogenannten Kirschwochen“, weiß Ilge.
Weil ein kultivierter Kirschbaum in der Regel 80 bis 90 Jahre, selten auch einmal 100 Jahre alt werden kann, sucht die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Coburg Kirschbäume, die vor 1960 gepflanzt worden sind: „Unter diesen alten Exemplaren kann man davon ausgehen, dass noch eine gewisse Sortenvielfalt anzutreffen ist“, ist Janine Ilge zuversichtlich. Wer einen so alten Kirschbaum kennt, kann sich bei der Biodiversitätsberaterin Janine Ilge mit einem Foto des Baumes und dem Standort melden. So können zunächst besonders interessante Exemplare erfasst und später, bei passender Jahreszeit, im Rahmen eines Projektes bestimmt und über Edelreiser kultiviert werden, um sie im Landkreis für die Zukunft zu erhalten.
Kontakt: Landratsamt Coburg, Lauterer Straße 60, 96450 Coburg
Janine Ilge, Biodiversitätsberaterin, Untere Naturschutzbehörde
E-Mail: janine.ilge@landkreis-coburg.de
Vor einigen Jahren verlangte ein Kleingartenverein, daß der bisherige Pächter bei Übergabe des Gartens einen gesunden jungen, herrlich leckere Früchte tragenden Süßkirschbaum abholzt. Begründung: Es handelte sich um einen Zufallssämling, der dort aufgekommen war, keine anerkannte Sorte.
Die Qualität der relativ großen Kirschen interessierte den Vereinsvorstand nicht. Für ihn waren allein bürokratische Vorgaben relevant. Auch so kann Vielfalt reduziert werden.