Roman „Sonntagsschüsse II“ von Jonas Philipps: „Trainingsauftakt“

Sonntagsschüsse II

Ächzend tastete ich nach dem Handy, das nervtötend auf dem Nachttisch vor sich hin vibrierte. Mein verschlafener Blick streifte den Radiowecker. 03.40? Was zum Teufel …

„Ja?“, grummelte ich heiser in das Telefon.

Niklas … Na toll. Auch das noch!

„Alter, hast du schon mal auf die Uhr geschaut?“

Beinahe fielen mir die Augen zu. Aber Max’ Grölen im Hintergrund weckte mich wieder auf.

„Ihr Deppen seid doch nicht ganz dicht!“

Gähnend wälzte ich mich aus dem Bett und schlüpfte mit halbgeöffneten Augen in meine Jeans. Was mach’ ich hier eigentlich?

„Marco? Ist was passiert?“, flüsterte Annika mit einem nervösen Seitenblick zu unserem zwischen uns schlummernden Sohn Timo.

„Wie man’s nimmt.“

„Was bedeutet das?“

„Niklas und Max stehen in Grunzenbach vor der verschlossenen Disco und kommen nicht heim.“

Ihr süßes, schlaftrunkenes Gesicht starrte mich ungläubig an. „Und was machst du jetzt bitte?“

„Na was wohl? Ich hol die beiden Chaoten ab!“

Seufzend drehte sie sich auf die andere Seite. „Fußballer!“

Mit einem wissenden Augenrollen streifte ich mir ein T-Shirt über und schlich Richtung Tür.

„Richte Niklas aus, dass ich ihn wie in der sechsten Klasse verhaue, wenn er uns nochmal mitten in der Nacht aus dem Bett klingelt!“

Ungläubig hielt ich inne. „Du hast Niklas verhauen?“

„Er hatte es verdient.“

Daran hegte ich keinen Zweifel.

In dem Augenblick, als ich die Türklinke erreicht hatte, zerriss ein herzzerreißendes Schluchzen die Stille.

Fluchend drückte Annika Timo an sich. „Ich korrigiere: Richte Niklas bitte aus, dass ich ihn eigenhändig umbringe!“

Als ich eine halbe Stunde später auf dem Parkplatz in Grunzenbach vorfuhr, waren die beiden vereinsamten Gestalten nicht schwer zu finden. Niklas saß mit knallroten Augen wie ein Häuflein Elend auf einer Treppe. Max lag zusammengekauert auf seinem Schoß und schnarchte mit zwei Straßenpfosten im Arm vor sich hin.

„Na endlich. Warum hast du so lange gebraucht?“, raunte Niklas schläfrig. Was für eine freundliche Begrüßung …

„Du weißt schon, dass ein Kind neben mir im Bett schläft, wenn du mich mitten in der Nacht anrufst, oder?“, fauchte ich meinen Kumpel an.

Niklas druckste unschuldig herum, nickte aber schließlich mit dem Kopf.

„Und warum rufst du dann ausgerechnet einen Familienvater an?“

„Alle anderen haben nicht gehört.“

Na prima! Ich war also wieder mal der Depp vom Dienst.

„Also, auf geht’s: Einsteigen!“

Erschöpft rappelte sich Niklas auf und schleifte Max unsanft hinter sich her.

„Ich soll dir übrigens von Annika ausrichten, dass sie dich entweder wie in alten Schulzeiten verhaut oder umbringt.“

Bildete ich mir das nur ein, oder sah Niklas plötzlich noch ein wenig blasser aus?

Nachdem wir Max mitsamt den beiden Straßenpfosten, an denen er sich vehement festklammerte, auf dem Rücksitz angeschnallt hatten, konnte ich endlich losfahren. Ich stellte mich auf eine langweilige Fahrt durch die sternenklare Nacht ein. Aber Niklas erwies sich selbst im Vollrausch noch gesprächiger als mein Radio.

„Euch ist schon klar, dass wir morgen um 10 Trainingsauftakt haben, oder?“, erkundigte ich mich vorwurfsvoll.

„Na und?“

„Naja, ich mein ja nur. Neuer Trainer, erster Eindruck und so …“

„Der Karl wird schon noch lernen, dass es in der Kreisklasse anders zugeht als in der Landesliga“, fand Niklas leichthin.

„Kennst du ihn denn näher?“

„Wer kennt den Karl nicht. Eine echte Legende in Weiherfelden!“

Ich selbst hatte unseren neuen Coach Karl Adler noch nie getroffen. Aber ich hatte viel von ihm gehört und war zum Zerreißen gespannt. Er war erst 33 und vergangene Saison noch als Kapitän in der Landesliga aufgelaufen. Keine Frage, der neue Spielertrainer war mit Sicherheit eine große Verstärkung für unsere Mannschaft.

„Und die anderen Neuzugänge?“

„Der Schorsch ist auch eine Granate. Und ein oder zwei der Jugendspieler haben schon auch was drauf.“

Konnten wir diesmal also endlich um den Aufstieg mitspielen? Die erfahrenen Verstärkungen machten definitiv Hoffnung! Unser eingespieltes Team musste in den vergangenen Jahren kaum Abgänge verkraften. Natürlich hatte sich der eine oder andere Spieler aus Altersgründen in den wohlverdienten Ruhestand in die Altherrenmannschaft verabschiedet. Allen voran der altgediente Libero Klaus Meier. Aber ansonsten war es der Vereinsführung gelungen, den Kern unserer Elf zusammenzuhalten.

Ich ließ meine Gedanken schweifen und blendete Niklas’ immer sinnloser werdendes Geplapper aus. Ich freute mich auf die nächste Saison beim TSV Weiherfelden. Trotzdem wäre ich in der Sommerpause beinahe in Versuchung geraten. Neben attraktiven Angeboten aus der Bezirksliga war Annikas Vater mir unablässig in den Ohren gelegen.

Unser Start war besser gewesen, als ich es erwartet hatte. Beim ersten Treffen hatte ich geschlottert vor Angst. Ein Weiherfeldener Fußballer, der bei einem One-Night-Stand die Tochter eines eingefleischten Obsthofeners geschwängert hatte, war so ziemlich der größtmögliche Affront, den man sich in Franken leisten konnte. Aber vermutlich hatte es ihm doch imponiert, dass ich mich um das gemeinsame Kind kümmerte, dass ich seine Tochter nicht im Stich ließ. Nach anfänglicher Skepsis hatte er mich als Schwiegersohn in spe akzeptiert. Und es funktionierte gar nicht schlecht. Zumindest solange kein Fußballspiel zwischen Weiherfelden und Obsthofen auf dem Programm stand.

Doch das hatte sich nun erstmal erledigt. Während wir im sicheren Mittelfeld gelandet waren, war der SV Obsthofen in der Vorsaison ruhmreich in die Kreisliga aufgestiegen. Eine passende Gelegenheit für Annikas Vater, mir wieder mit seinem Anliegen auf die Nerven zu gehen, doch endlich nach Obsthofen zu wechseln. Kreisliga … Das hörte sich schon attraktiv an. Raus aus dieser rustikalen Kreisklasse Nord. Einen sauberen, gepflegten Fußball spielen. Sie hatten mir sogar ein monatliches Handgeld geboten, das ich während meinem Studium gewiss gebrauchen konnte. Ein kleines Kind war teuer. Annika und ich waren stets knapp bei Kasse.

Aber es war faszinierend, was drei schöne Jahre im Herzen Oberfrankens aus einem Menschen machten. Ich fühlte mich wie ein waschechter Weiherfeldener, ein Hamburger Jung, der in seinem Herzen schon immer Oberfranke gewesen war. Ein Wechsel zum SV Obsthofen käme einem Hochverrat gleich. Ich wollte meine Mannschaft nicht im Stich lassen. Und gute Freunde wie Stefan, Niklas und Max nicht vor den Kopf stoßen, indem ich zum Erzfeind überlief.

Hundemüde half ich Niklas, den völlig weggetretenen Max Hölzelein in seine kleine Wohnung zu schleppen. Wir legten ihn fürsorglich auf dem Schuhschränkchen in der Garderobe ab, wo er sich schmatzend an die beiden Straßenpfosten klammerte und selig weiterschlief.

Endlich war ich auch Niklas und seine nimmermüde Klappe los und konnte mich wieder neben Annika und Timo ins warme Bett kuscheln. Ein harter Tag erwartete mich. Der Wetterbericht hatte für den Trainingsauftakt einen glühend heißen Sonntagvormittag vorhergesagt. Ich brauchte dringend Schlaf! Und den sollte ich bekommen. Zumindest eine halbe Stunde lang. Dann hüpfte plötzlich ein quietschfideler kleiner Mann auf mir herum und rief: „Papi! Aufstehen! Timo wach.“

Und in Annikas schadenfroher Miene erkannte ich alles, nur kein Mitleid.

Wenige Stunden später stand ich verschlafen vor dem Weiherfeldener Sportgelände, betrachte lächelnd den stolzen Schriftzug über der Eingangstür des Sportheims, in dem wir so viele lustige Momente erlebt hatten. Ja, hier war ich zu Hause. Hier wollte ich spielen. Mit dieser Truppe musste ich den Aufstieg in die Kreisliga schaffen.

Ich öffnete die Tür. Ein kleingewachsener Mann Mitte 30 mit einem mächtigen Brustkorb wie ein Bär trat gerade aus dem Wirtschaftsraum und schlenderte die Treppe hinab. Mit einem schelmischen Schmunzeln musterte er mich. Plötzlich stürzte er. Mir stockte der Atem. Kopfüber fiel er die Treppe herunter. Zwei Stufen, drei Stufen, vier Stufen. Er überschlug sich. Oh mein Gott!

Als er mit mehreren Purzelbäumen die komplette Treppe hinabgestürzt war, blieb er regungslos am Boden liegen. Kreidebleich starrte ich ihn an. War er tot? Oder schwer verletzt? Voller Panik rannte ich zu ihm. Niklas und Harald lugten mit fragenden Blicken aus der Toilette, wo sie ihren „Angstwiss“ vor dem Trainingsauftakt hinter sich gebracht hatten. Stirnrunzelnd schüttelten sie den Kopf und machten keinerlei Anstalten, dem Mann zu helfen. Was war nur los mit ihnen? Sie konnten ihn doch nicht einfach so liegen lassen! Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mein Erste-Hilfe-Kurs aus dem Zivildienst war vor Schreck vergessen. Aufgeregt sprach ich den Mann an: „Hallo? Ist alles in Ordnung? Können Sie mich hören?“

Das Herz hämmerte in meiner Brust. Da, er bewegte sich! Verwegen grinsend blickte er mich an: „Na klar. Alles in Ordnung.“

Lachend stand er auf, schnappte sich seine Sporttasche und eilte prustend in die Umkleidekabine, um sich dort für das Training fertigzumachen.

Wie vom Blitz getroffen blieb ich zurück. Was war das denn jetzt gewesen? Ich kannte den Mann nicht, hatte aber von einem zweiten renommierten Neuzugang gehört: Georg Weiler. Auch er war ein Eigengewächs aus der Weiherfeldener Jugend, der es bis in die Zweite Bundesliga geschafft hatte. Zuletzt hatte er mit unserem neuen Trainer Karl Adler in der Landesliga gespielt und war seinem Ruf gefolgt, gemeinsam zum Heimatverein zurückzukehren. Endlich löste ich mich aus meiner Schreckensstarre, griff kopfschüttelnd nach meiner Sporttasche und folgte unserem durchgeknallten Neuzugang in die Kabine.

Dort herrschte wie immer reges Treiben. Die Spieler, allen voran Niklas Dinger, plapperten wie die Wasserfälle. Ein großgewachsener, schlaksiger dunkelhaariger Mann mit einem auffälligen Schnurrbart stand in angespannter Erwartung in kurzer Hose und Trikot an der Eingangstür. Das musste unser neuer Trainer sein.

Hastig zog ich mich um. Ich konnte den Trainingsauftakt kaum erwarten. War der Jugendspieler Kevin Mai wirklich so gut, wie es seine 50 Saisontore in der A-Jugend vermuten ließen? Konnte ich mit den beiden neuen Landesligaspielern mithalten? Würde es der ebenfalls aus der eigenen Jugend zu uns gestoßene Torwart Alfred Escher schaffen, dem etablierten Stammtorwart „Rumpelstilzchen“ Andreas die Hölle heiß zu machen? Bei so vielen hoffnungsvollen Neuzugängen musste sich jeder von uns neu beweisen, vor allem bei einem neuen Trainer, bei dem jeder wieder bei Null begann.

Ich schnürte meine Fußballschuhe zu, griff nach einem Ball und eilte die Treppe hinauf. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Der Platz war in einem guten Zustand. Zufrieden sog ich die warme, sanft nach Gras duftende Luft in meine Nase. Alles war angerichtet für einen großartigen Trainingsauftakt.

Alle Spieler waren bis in die Haarspitzen motiviert. Nach dem obligatorischen lockeren Fünf-gegen-Zwei Aufwärmspiel, in Franken „Eckla“ genannt, drehten wir ein paar Runden um den Platz und dehnten uns. Dann ging es los.

Im Trainingsspiel war gehörig Feuer! Ein neuer Trainer. Eine neue Saison. Das beflügelte. Jeder wollte sich zeigen. Insbesondere die jüngeren Spieler und die nicht in Weiherfelden geborenen wie Stefan Schmidt oder ich, die der neue Coach heute zum ersten Mal spielen sah. Der erste Eindruck zählte. Und wir alle wollten Karl Adler zeigen, was wir drauf hatten.

Es spielte die etablierte erste Mannschaft aus der Vorsaison gegen die zweite Mannschaft, in der sich alle Neuzugänge wiederfanden. Und das machte es zu einem ausgeglichenen Duell.

Auch Perspektivspieler Max Hölzelein war im Training für gewöhnlich auf dem Niveau eines gestandenen Erstmannschaftsspielers. Sein Problem war, wie bereits vor drei Jahren, sein ausschweifender Lebenswandel am Wochenende. An Sonntagen war er generell nicht zu gebrauchen. In diesem Spiel aber machte er uns im defensiven Mittelfeld das Leben schwer. Georg Weiler entpuppte sich als bissige Kampfmaschine auf dem Flügel. Er gewann nahezu jeden Zweikampf. Mein Freund Niklas hatte einen harten Vormittag gegen diesen erfahrenen Gegenspieler. Mit unbändiger Kraft, einer beeindruckenden Schnelligkeit für einen Mann Mitte 30 und einem feinen Fuß für Flanken und Freistöße, war Georg ein ständiger Unruheherd. Sein martialischer Sturz an der Sportheimtreppe schien ihn in keiner Weise zu beeinträchtigen.

Und Karl Adler war die erwartete Granate. Er zog hinter den Spitzen die Fäden, zeigte sich als spielstarker und torgefährlicher Anführer. Ein Spielertrainer, wie ihn sich jede Kreisklassen-Mannschaft wünschte. Doch am meisten zu schaffen machte uns der junge Kevin Mai auf dem linken Flügel. Der ging dort ab wie eine Rakete. Sein Antritt war der Wahnsinn. Und mit seinem starken linken Fuß feuerte er aus allen Rohren.

Aber wir steckten nicht auf. Harald Gepard rannte sich die Pferdelunge aus dem Leib. Niemand von uns wollte sich die Blöße geben, gegen die zweite Mannschaft den Kürzeren zu ziehen. Ich selbst warf mich wie ein Berserker in jeden Zweikampf und stand dem neuen Coach giftig auf den Füßen. Unsere Bahnen auf dem Feld kreuzten sich nicht selten. Ich wollte ihn höchstpersönlich spüren lassen, dass es kein Vergnügen war, gegen mich spielen zu müssen. Dominik Prien warf sich todesmutig in Kevins Schüsse. Michael Meister setzte sich gewohnt kantig gegen die überforderte Abwehr unserer zweiten Mannschaft durch. Es war ein offener Schlagabtausch. Und die beiden Torhüter nahmen sich nichts. Nachdem Alfred Escher einen fulminanten Schuss von Stefan Schmidt entschärft hatte, konnte Andreas Stieler diese Herausforderung nicht auf sich sitzen lassen. Zum ersten Mal seit Jahren schien er einen gleichwertigen Konkurrenten zu haben. Rumpelstilzchen war in Weiherfelden eine Legende. Doch er wusste um seine gelegentlichen Aussetzer. Ein ebenso reaktionsstarker Torwart, der sich nicht so viele Leichtsinnsfehler leistete, konnte eine ernste Bedrohung für ihn darstellen. Andreas hechtete sich nach jedem noch so aussichtslosen Ball. Und nach jeder Wahnsinnsparade blickte er mit gefletschten Zähnen zu seinem Kontrahenten Alfred.

Das Spiel endete 4-4. Karl Adler war zufrieden. „Starke Leistung, Männer. Ich habe mich nicht in euch getäuscht. Ihr bringt alles mit, um diese Saison endlich oben mitzuspielen. Wir werden die nächsten Wochen hart trainieren. Wenn ihr alle mitzieht, sind wir am Ende der Vorbereitung topfit. Und dann muss uns in dieser Klasse erstmal jemand schlagen!“

Das Ziel war klar. Die Ambitionen hoch. Ich dachte an mein allererstes Training in Weiherfelden zurück, vor exakt drei Jahren. Damals hatte ich auch damit gerechnet, dass wir mit etwas Glück um den Aufstieg mitspielten. Am Ende schrammten wir nur ein Haar am Abstieg vorbei. Die Kreisklasse Nord hatte ihre eigenen Gesetze. Das hatte ich inzwischen schmerzlich gelernt. Aber mit diesen Neuzugängen war mehr drin als nur ein Platz im gesicherten Mittelfeld. Ich war euphorisch. Und an den leuchtenden Augen meiner Mitspieler erkannte ich, dass es ihnen genauso ging.

„Ich hatte wirklich gedacht, dass ich einen Notarzt rufen muss“, sagte ich in der Dusche zu Georg Weiler.

„Jaja, bei neuen Leuten funktioniert das immer wieder.“

Ich verstand nicht recht, was er meinte. Offensichtlich hatte er die vielen Fragezeichen in meinem Gesicht gesehen.

„Ich arbeite als Stuntman. Und Treppen runterpurzeln, um Leute zu erschrecken, die mich noch nicht kennen, ist sozusagen ein Hobby von mir.“

Am liebsten hätte ich ihn in der Dusche umgegrätscht. Ich hatte mir ernsthaft Sorgen um ihn gemacht! Meine Kollegen grinsten schadenfroh. Die spinnen, die Franken!

Nach dem Training gab es ein Mittagessen für die Mannschaft. Anschließend setzten wir uns zusammen und tranken noch ein oder zwei Bier. Bis auf Max Hölzelein schüttete keiner einen halben Kasten in sich hinein. Schließlich wollte man beim neuen Trainer nicht gleich zu Beginn der Saison einen schlechten Eindruck hinterlassen. Max waren solche Überlegungen wie immer fremd. Er lallte fröhlich durch die Gegend und stellte von Beginn an klar, dass er keine Ambitionen auf einen Stammplatz in der ersten Mannschaft hegte.

Ich selbst seilte mich relativ früh ab. Es war Sonntag, und ich wollte noch etwas Zeit mit meiner Familie verbringen. Annika und ich wohnten nun seit gut zwei Jahren zusammen. Und wir waren sehr glücklich miteinander. Unser Sohn Timo war beinahe zwei Jahre alt. Wie lebten übergangsweise in einer kleinen Kellerwohnung im Haus meiner Eltern. Es war gar nicht so einfach gewesen, Annika von einem Umzug nach Weiherfelden zu überzeugen. Doch es war die beste und vor allen Dingen kostengünstigste Variante. Und ein erster Meilenstein in meinem Geheimplan, dass Timo in jedem Falle ein Weiherfeldener Fußballtrikot tragen und kein abtrünniger Obsthofener werden sollte.

Ich war fertig vom anstrengenden Training, dessen Intensität ich nach der Sommerpause nicht mehr gewohnt war. Aber Kinder kennen keine Gnade. Zwei volle Stunden musste ich noch auf dem Fußboden herumkriechen und Eisenbahn spielen. Aber die Freude in Timos Augen war es allemal wert. Nachdem wir zu Abend gegessen hatten, brachte ich den kleinen Mann ins Bett. Ich las ihm eine Geschichte vor, kuschelte mich an ihn, bis er eingeschlafen war, und verließ anschließend mit dem Babyfon bewaffnet das Zimmer.

Annika war im Badezimmer. Sie hatte sich ein heißes Entspannungsbad eingelassen. Erwartungsvoll spitzte ich ins Bad. Und ich wurde nicht enttäuscht. Annika lag nackt im Badewasser und las ein Buch. Sie hatte mir vom ersten Tag an den Kopf verdreht. Wie sonst sollte man es sich erklären, dass ich mit einer Frau zusammen war, die mich bei unserem ersten Treffen halbnackt ans Bett gefesselt hatte und dann fluchtartig abgehauen war. Bei ihrem Anblick wurde mir ganz heiß. Ich stellte mich neben die Badewanne, zog mein T-Shirt über den Kopf und blickte sie gierig an. Annika lächelte kopfschüttelnd und rückte ein wenig zur Seite, um mir zu signalisieren, dass noch Platz für mich war. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich streifte die Hose ab und sprang zu meiner Süßen in die Badewanne. Dort gab ich Annika einen langen, innigen Kuss. Gerade als ich beginnen wollte, mit meiner Hand ihre Brüste zu streicheln, zischte ein knackendes Rauschen durch die elektrisierte Luft.

„Paaaaapiiiii!“, rief eine dünne Stimme, die so süß war, dass man ihr selbst in diesem ungünstigen Moment nicht böse sein konnte. „Nochmal kommen! Wieder wach!“


Sonntagsschüsse II – Das Bierdeckel-Dilemma

Sonntagsschüsse II – Das Bierdeckel-Dilemma

Sonntagsschüsse II – Das Bierdeckel-Dilemma

Nun beginnt also die zweite Reise des jungen Fußballers Marco Tanner über die zuweilen holprigen Fußballplätze der Fränkischen Schweiz. Die Leser erwarten urige Handwerker, ein wahnwitziger Heiratsantrag, ein verhängnisvoller Bierdeckel, ein folgenschwerer Anruf, legendäre Neuzugänge und vieles mehr. Wird dem TSV Weiherfelden der ersehnte Aufstieg gelingen?

Die 332 witzigen Seiten werden es beantworten.

Alle Sonntagsschüsse

Links zum Buch:

Über den Autor

Jonas Philipps lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen im Landkreis Bamberg. Er schreibt unterhaltsame Romane über Sport und Musik. Aus vielen Ideen und zahlreichen Gedanken zu seiner Vergangenheit als Amateurkicker und Bandmitglied entstehen witzige Romane, die Lesespaß garantieren.

Homepage: www.jonas-philipps.de