„Auf dem Weg zur künstlichen Produktion von Herzgewebe“: Bayreuther Forschungsarbeiten im Deutschen Museum Nürnberg
Im kürzlich eröffneten Deutschen Museum Nürnberg bietet die Universität Bayreuth Einblicke in ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Biofabrikation unter Einbeziehung einzigartiger Materialien, beispielsweise der Spinnenseide. Forschungsarbeiten unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Scheibel am Lehrstuhl Biomaterialien kombinieren natürliche Wachstumsprozesse und technische Systeme mit dem Ziel, zerstörtes Gewebe in Organen, Haut, Nerven oder Sehnen gezielt wiederaufzubauen. Im Ausstellungsbereich „Körper & Geist“ ist daher in einem der Exponate ein Bioreaktor vom Lehrstuhl Biomaterialien zu sehen, der die Züchtung von Herzmuskelgewebe simuliert.
Für die Regeneration von natürlichem Gewebe setzen die Bayreuther Forscher*innen Biotinte ein, mit der im 3D-Druck gewebeartige Strukturen gedruckt werden können. Diese bestehen aus zwei Komponenten: einem weltweit einzigartigen Gerüst („scaffold“) aus biotechnologisch hergestellten Spinnenseidenproteinen und eingekapselten lebenden Zellen. Diese sind imstande, sich entlang der Gerüststrukturen zu vermehren, sodass allmählich ein neues funktionsfähiges Gewebe entsteht.
In Kooperation mit einem Forschungsteam an der FAU Erlangen-Nürnberg unter der Leitung von Prof. Dr. Felix Engel arbeiten die Bayreuther Wissenschaftler*innen zurzeit an der Möglichkeit, funktionsfähiges Herzgewebe im 3D-Druck herzustellen. Ein 3D-Drucker, der die dafür nötigen Gerüststrukturen produziert, zählt daher ebenfalls zu den Exponaten. Das künstlich hergestellte Gewebe soll eines Tages in der klinischen Medizin unter anderem dazu dienen, den krankheitsbedingten Verlust von Herzmuskelzellen auszugleichen. Nach demselben Prinzip wird es dann auch möglich sein, künstliches Gewebe von Sehnen, Nerven oder Haut zu erzeugen. Begleitende Mikroskopaufnahmen von Muskelzellen und kurze Filmsequenzen, die kontrahierende Muskelzellen auf den Gerüststrukturen zeigen, verdeutlichen den Museumsbesuchern: Klinische Anwendungen dieser Forschungsarbeiten könnten schon bald in greifbare Nähe rücken. „Das neue Deutsche Museum Nürnberg versteht sich als ein Zukunftsmuseum, das der Öffentlichkeit besonders innovative, weit in die Zukunft reichende Technologien vor Augen führt. Es ist deshalb ein idealer Ort, um auf das enorme Potenzial der Biofabrikation hinzuweisen“, sagt Scheibel.
Die Universität Bayreuth hat als erster und einziger Anbieter das Thema „Biofabrikation“ auch auf die internationale Hochschulplattform edX gebracht. Der MOOC (Massive Open Online Course) „Biomaterials and Biofabrication: Design, Engineering and Innovation“ richtet sich an Personen, die sich gezielt für Materialforschung im medizinischen Bereich interessieren, aber auch an Interessierte ohne Vorkenntnisse, die ihr Wissen über Biomaterialien, Biomedizintechnik, additive Fertigung und Gewebekonstruktion erweitern und Einblicke in die Zukunft der Biofabrikation erhalten möchten.
Die Biofabrikationsforschung an der Universität Bayreuth ist interdisziplinär ausgerichtet: Biotechnologie, Ingenieurwissenschaften, Materialwissenschaften, Polymerchemie und Zellbiologie sind daran beteiligt. Das Keylab „Adaptive Biomanufacturing“ des Bayerischen Polymerinstituts (BPI) unterstützt diese Arbeiten mit hochmodernen 3D-Vearbeitungs- sowie analytischen Mikroskopie-Technologien. Im Transregio-Sonderforschungsbereich TRR225 „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“ haben sich die Universitäten Bayreuth, Erlangen-Nürnberg und Würzburg zu einem leistungsstarken Verbund zusammengeschlossen. In diese Kooperation sind auch die im Museum ausgestellten Forschungsarbeiten zum Herzmuskelgewebe eingebettet.
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