Landgericht Bayreuth startet Forschungsprojekt „Sondergericht und Volksgerichtshof in Bayreuth“
Mit Wirkung vom 20.06.1942 war bei dem Landgericht Bayreuth (für die LG-Bezirke Bayreuth und Hof) ein sog. Sondergericht gebildet worden. Sondergerichte in der NS-Zeit wurden insbesondere zur „raschen Erledigung“ bestimmter politischer Straftaten errichtet, die Beschuldigtenrechte waren dort stark eingeschränkt und die Urteile in der Regel nicht anfechtbar.
Das Bayreuther Sondergericht unter dem Vorsitz von Dr. Johann (Hans Willy) Schmitt (bis 07.02.1943) und des Landgerichtspräsidenten Rudolf Brehm (08.02.1943 bis Kriegsende) tagte im Sitzungssaal 100 des Bayreuther Justizpalastes. Hier wurden Verfahren gegen 255 Angeklagte durchgeführt, die in 14 Fällen mit der Verhängung der Todesstrafe endeten.
Nachdem am 3. Februar 1945 das Gebäude des Volksgerichtshofs in Berlin durch Bombardements zerstört worden war, wurde er auf Anordnung Hitlers nach Potsdam ausgelagert und die für Hoch- und Landesverrat zuständigen Senate nach Bayreuth verlegt. Noch im Februar wurden deshalb mehrere hundert Häftlinge von Berlin nach Bayreuth transportiert, wo am 17. Februar die überlebenden 193 männlichen und 28 weiblichen Gefangenen ankamen und in der JVA Bayreuth inhaftiert wurden.
Die für den 14. April angesetzte Erschießung aller in Bayreuth inhaftierten politischen Gefangenen fand nicht mehr statt, da noch am selben Tag Soldaten der US-Army die Stadt erreichten. Auch die Gefangenen des Zuchthauses, darunter der spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, wurden am Vormittag jenes Tages befreit.
Dieser Teil der Geschichte des Volksgerichtshofs in Bayreuth ist bis heute weitgehend unbekannt, seine mögliche Tätigkeit in Bayreuth unerforscht geblieben.
Die vor dem Bayreuther Sondergericht verhandelten Verfahren sind zwar weitestgehend bekannt, allerdings hat sich ihre bisherige Bewertung vielfach an der ab Mitte der 1950er Jahre entwickelten Rechtsprechung des BGH orientiert, die Jahrzehnte später von ihm selbst als „fehlgeschlagene Verfolgung nationalsozialistischen Justizunrechts“ bezeichnet wurde.
Auch die Biographien der handelnden Richter und Staatsanwälte, die an Verfahren des Sondergerichts Bayreuth oder des in Bayreuth tagenden Volksgerichtshofs beteiligt waren, sind weitgehend unerforscht geblieben. Dies betrifft in besonderer Weise Rudolf Brehm, der seit Februar 1943 nicht nur Vorsitzender des Sondergerichts in Bayreuth, sondern ab August 1943 auch Präsident des Landgerichts war.
Auch im und am Justizgebäude selbst fehlt bislang jeder Hinweis und jede Information zu diesem dunkelsten Kapitel Bayreuther Justizgeschichte.
Ziel des Projekts des Landgerichts ist deshalb vor allem die Erforschung der vollständigen Biographien aller bei dem Sondergericht Bayreuth und dem in Bayreuth tagenden Volksgerichtshof handelnden Richter und Staatsanwälte und damit der Hintergründe dafür, dass sich so viele deutsche Richter und Staatsanwälte so schnell und so umfassend von dem menschenverachtenden NS Unrechtsregime vereinnahmen ließen und hieran aktiv mitwirkten. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob und welche Konsequenzen das Handeln der Justizjuristen nach 1945 hatte.
Die gewonnenen Forschungsergebnisse sollen zugleich Basis der künftigen Öffentlichkeits- und Erinnerungsarbeit der Bayreuther Justiz sein, die auch diesen Teil der Justizgeschichte wachhalten möchte.
Die Forschungsarbeit wird in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte, unter Leitung von Prof. Dr. Bernd Kannowski, erfolgen. Der Schwerpunkt der universitären Mitwirkung wird dabei vor allem auf der rechtlichen Bewertung der Sondergerichtsverfahren liegen.
An dem Projekt wird außerdem der Vorsitzende Richter am Landgericht a.D. Dr. Heinz Ponnath mitwirken, der sich bereits seit vielen Jahren umfassend mit der Nachkriegsrechtsprechung des BGH zum Justizunrecht der NS-Zeit befasst.
Auch das Bayerische Staatsministerium der Justiz und das Oberlandesgericht Bamberg begrüßen und unterstützen das Forschungsprojekt des Landgerichts, da es einen Beitrag dazu leisten könne, die NS-Vergangenheit der Justiz näher zu beleuchten.
Das Landgericht Bayreuth bittet alle Bürgerinnen und Bürger, die noch Dokumente oder Bildmaterial zur Bayreuther Justizgeschichte seit 1933 bis in die 1950er Jahre in ihren Privatarchiven verwahren, um freundliche Unterstützung seiner Forschungsarbeit.
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