Erlangen/Nürnberg: „Kassensturz an der FAU“ – Studierende beklagen erneut starke Einschnitte in Studium und Lehre nach Mittelverteilung für 2022

Symbolbild Bildung

„Das Geld reicht hinten und vorne nicht“, das stellten die studentischen Mitglieder des zentralen Gremiums zur Vergabe der Studienzuschüsse (ZGS) an der FAU Erlangen-Nürnberg auf ihrer Sitzung am 6. Juli fest. Das aus Studierenden, Mitarbeitenden und Lehrenden paritätisch besetzte Gremium stand wie in jedem Jahr vor der großen Herausforderung zahlreiche innovative und kreative Anträge zur Verbesserung der Studienbedingungen gegen dringend notwendige Basisausstattung abzuwägen. Die Situation in diesem Jahr war allerdings besonders angespannt, da seit vergangenem Jahr auf viele Haushaltsposten nicht mehr Einfluss genommen werden kann. Insgesamt übersteigt die Anfrage das begrenzte Budget um ca. 2 Millionen Euro.

Die Studienzuschüsse sind eine jährliche Zahlung der bayerischen Landesregierung an die Universitäten und Hochschulen, die seit 2013/14 den Wegfall der Studiengebühren ausgleicht. Geregelt sind sie in Artikel 5a des aktuellen Hochschulgesetzes, wo sie auch sehr deutlich als zweckgebunden „zur Verbesserung der Studienbedingungen“ beschrieben werden [1]. „Jetzt kann man sich fragen, ob es eine wirkliche ‚Verbesserung‘ der Studienbedingungen ist, wenn wir mit diesen Mitteln eine Kürzung der Öffnungszeiten der Bibliothek verhindern oder Seminarräume mit WLAN-Zugang ausstatten. Sollte es sich dabei nicht eher um die
Basisausstattung einer Hochschule des 21. Jahrhunderts handeln?“, kritisiert David Filgertshofer, einer der studentischen Vertreter im Gremium.

Trotz einer Gesamtinflation von 11,4% und einer Steigerung der Studierendenzahlen in Bayern um 14% ist die Summe der Studienzuschüsse seit 2014 gleich geblieben – sie beläuft sich auf 189 Millionen Euro. An der FAU Erlangen-Nürnberg kommen seitdem ca. 22 Millionen Euro an. Nach einem Vorabzug werden davon 25 % im uniweiten Gremium verteilt, der Rest wird innerhalb der einzelnen Fakultäten verteilt. David Filgertshofer erklärt: „Das große Problem ist: Es wird immer mehr beantragt, weil der Bedarf durch mehr Studierende und höhere Anforderungen an die Lehre steigt. Gleichzeitig stagniert das Budget und wir können über immer weniger Geld wirklich verfügen“. Beispielsweise werden seit dem letzten Jahr mit drei Millionen Euro mehr als die Hälfte der Mittel durch entfristete Stellen belegt. Diese Stellen
wurden in den Jahren zuvor pro Haushaltsjahr finanziert, nun sind sie aber dauerhaft im Haushalt eingeplant. „Die Mittel dieses Personals laufen allerdings trotzdem aus demselben Finanzierungstopf – den Studienzuschüssen, die eigentlich nicht für die dauerhafte Personalfinanzierung gedacht sind“, erläutert David Filgertshofer. Das restliche Geld geht aktuell zu großen Teilen an die Universitätsbibliothek (zum Beispiel zum Beschaffen neuer Literatur) und den Betrieb der digitalen Lernplattform – eigentlich Basisausstattung einer Bildungsstätte. Letztendlich bleiben von den ca. fünf Millionen Euro nur noch ein Bruchteil für tatsächliche Verbesserungen und neue Ideen.

Aufgrund der schwierigen Budgetlage mussten deshalb in diesem Jahr an mehreren Stellen wichtige Programme gekürzt werden: „Wir haben uns die Frage gestellt: Was ist wirklich eine Verbesserung und was sollte eigentlich Grundausstattung sein? Und dann haben wir ganz klar Anträge zu letzterem abgelehnt, das war hart! „, berichtet Luisa Weyers, ebenfalls studentische Vertreterin im Gremium. Das Kursangebot des Sprachenzentrums muss voraussichtlich im nächsten Semester massiv eingeschränkt werden. Deutschkurse für ankommende internationale Wissenschaftler*innen und Studierende sind keine Verbesserung, sondern notwendig, um ihnen das Lernen und Lehren hier zu ermöglichen. Wer für den Bachelorabschluss ein Semester im Ausland verbringen muss, braucht dafür auch einen passenden Sprachkurs als Vorbereitung – das ist quasi Lehre, die der Lehrplan vorschreibt. Die Weiterentwicklung der digitalen Lernplattformen, die gerade in der hybriden (Nach-)Pandemielehre so dringend erwartet wird, muss weiterhin mit einer sehr dünnen Personaldecke bearbeitet werden. Ein kleiner Trost ist, dass die Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek im Vergleich zum aktuellen Jahr voraussichtlich verlängert werden können. Vom Traum vieler Studierenden – die Öffnung der zentralen Lern- und Arbeitsräume
rund um die Uhr, was an anderen Universitäten normal ist – ist die FAU Erlangen-Nürnberg allerdings noch weit entfernt.

„Wir sollen in den Fächern der Zukunft für die Zukunft ausgebildet werden, mit den Mitteln und der Ausstattung von gestern, in den Gebäuden von vorvorgestern. Wie stellt ihr euch das vor, liebe Regierung?“, fragte Lisa Heger von der Studierendenvertretung bereits vor mehreren Wochen auf einer Demonstration gegen die Unterfinanzierung der Universitäten. Trotz der großen Summen, die die Regierung im Rahmen der Hightech Agenda (HTA) an die Universitäten verteilen will, zeichnet sich für die Studierenden ein düsteres Bild der Zukunft. Bereits im Dezember 2020 liefen die Projektmittel „Qualität in Studium und Lehre 2“ aus und mit ihnen viele Stellenverträge, die Digitalisierung und Betreuungssituation an der Universität deutlich verbessert haben. Die Novellierung des bayerischen Hochschulgesetzes sieht die
Studienzuschüsse in Zukunft nicht mehr vor, zumindest findet sich im ersten Gesetzestextentwurf kein Hinweis dazu (siehe unsere PM 04-21). „An der Basis der Universität betreiben wir bereits jetzt Mangel- und Mängelverwaltung“, stellt Luisa Weyers fest. Darüber mag der glanzvolle Bau eines Hochleistungsrechenzentrums kurz hinwegtäuschen aber langfristig werden die Folgen unübersehbar. Dass sich die Lage in Zukunft weiter zuspitzen wird, da sind sich die studentischen Mitglieder im ZGS sicher. „Bei der nächsten ZGS-Sitzung in einem Jahr beginnt das Spiel wieder von vorne: Wenn wir kein Geld haben, können wir auch nichts verteilen“, so Luisa Weyers.

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayHSchG-5a