Bamberg: Bürgerinitiativen entsetzt über Vorgehen der Stadt

Bei einem Treffen Anfang vergangener Woche mit den Anwohnern der Erlichstraße und der Bürgerinitiative Bamberg.Gemeinsam.Mobil wird erneut auf die Folgen des Umbaus aufmerksam gemacht. “Nicht nur wird es zu einer Verschärfung der Parksituation kommen – es wird hier bewusst ohne Not eine Gefahrenstelle geschaffen”, fasst Florian Köhn, Sprecher von Bamberg.Gemeinsam.Mobil, die Situation in der Erlichstraße zusammen. Und Anwohner Robert Pawelczak klagt an: “Alle Bemühungen aus der Bürgerschaft und einzelner Stadtratsfraktionen waren umsonst! Das wurde mir klar, als es am Montag hier einen Ortstermin der Stadtverwaltung und der Stadtwerke gab. Es ist erschreckend, wie mit den Bedenken der Anwohner umgegangen wird.” Was im Mai in der Sitzung des Mobilitätssenats beschlossen wurde, klingt zunächst wenig
spektakulär: Öffnung der Erlichstraße für den Radverkehr in beide Richtungen.

Dieser Beschluss wurde herbeigeführt, da in der Sitzungsvorlage erklärt wurde, es sei das Ergebnis einer Unterschriftensammlung im Umfeld der Erlichstraße. Dass dieses Umfeld die Erlichstraße selbst ausgespart hat und die Liste an einem stadtteilbekannten Kiosk auslag, wurde erst Tage nach der Sitzung bekannt. Doch was bedeutet dieser Beschluss nun in der Praxis? Radfahrer dürfen die Erlichstraße nun in beiden Richtungen befahren. “Das ist so lange kein Problem, bis der Bus entgegenkommt!
Dann wird es schnell sehr eng und gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer. Dass wir in einem Gebiet mit hohem Parkdruck auch noch Parkplätze dafür opfern, ist ein weiteres Problem”, erklärt Pawelczak. Und Köhn ergänzt: “Hält man sich an die vorgeschriebenen Abstände, ist dieses Befahren in die entgegengesetzte Richtung bei Gegenverkehr nicht mal mehr mit dem Lastenrad möglich!“. Betrachtet man sich die gesamte Verkehrssituation in diesem Gebiet kann man schon mal nachfragen, warum diese Maßnahme überhaupt notwendig war. Unweit und parallel zur Erlichstraße führt ein hervorragend ausgebauter Radweg am Kunigundendamm von der
Gereuth in Richtung Innenstadt und auch die direkten Parallelstraßen sind für den Radverkehr freigegeben. Werden hier persönliche Interessen einiger weniger Personen umgesetzt und dabei der Wille der Anwohner missachtet?

Zeitgleich flatterte bei verschiedenen Fraktionen Post in den Briefkasten: Die verschiedenen Anträge wurden abgelehnt, der Beschluss sei getroffen und werde umgesetzt, lässt das Rathaus unmissverständlich verkünden. Auch bleibt ungeklärt, wie viele direkte Anwohner denn nun wirklich für die Öffnung der Erlichstraße unterschrieben haben: “Unser Antrag zur Klärung dieser Frage wurde mit der Begründung abgelehnt, es sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, die Unterschriften mit dem Melderegister abzugleichen. Da stellt sich schon die Frage, warum dies bei der Beteiligungsplattform bamberg-gestalten.de ohne Probleme möglich war”, wundert sich Stadträtin Claudia John (FW) und ergänzt: “Wir hätten niemals zugestimmt, hätte man hier mit offenen Karten gespielt!“ “So schnell geben wir nicht auf. Immerhin soll es nach 9 Monaten zu einer Evaluation der neuen Verkehrsführung kommen. Vielleicht werden wir dann auch befragt“, fragt Pawelczak zynisch. “Betrachtet man sich die Erlichstraße, ist es ein weiteres Beispiel völlig verfehlter Verkehrspolitik und Bürgerbeteiligung in dieser Stadt. Mal wieder wurde der Radverkehr über den Willen der Anwohner gestellt. Das darf nicht mehr passieren”, stellt Köhn abschließend klar.

1 Antwort

  1. Ferenc sagt:

    Daß „Bamberg.Gemeinsam.Mobil“ lediglich ein euphemistischer Tarnname für die Verteidigung der bisherigen Auto-Vorrang-Politik ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Daß verkehrsrechtliche Anordnungen nicht politischer Willkür, ob von Seiten gewählter Gremien, ob von Seiten organisierter Einwohner/innen, sondern allein rechtlichen Vorgaben zu folgen haben, scheint hingegen weniger geläufig zu sein.

    Beschränkungen des fließenden Verkehrs dürfen, von erschöpfend in der StVO aufgezählten Ausnahmen abgesehen, nur angeordnet werden, wenn sie aus Gründen der Sicherheit zwingend erforderlich sind und mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen. Die Einbahnregelung stellt eine solche Beschränkung dar und ist daher, wenn erforderlich, nur auf die Verkehrsarten anzuwenden, die eine entsprechende Gefährdung verursachen.

    Nahezu alle Erfahrungen belegen, daß die Unfälle bei Freigabe für den Radverkehr in beiden Richtungen nicht zunehmen, vielfach sogar zurückgehen. Begegnungsverkehr stellt kein Problem dar, wenn die Beteiligten ihre Geschwindigkeit regelkonform anpassen (die zulässige Höchst- ist nicht die jederzeit erlaubte Fahr- oder gar die vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit!) und bei beengten Verhältnissen zumindest gelegentliche Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind.

    Den Radweg am Kunigundendamm als sichere Alternative anzupreisen, zeugt von erheblicher Realitätsferne. Nicht umsonst ist die allgemeine Radwegbenutzungspflicht im Jahr 1997 aus der StVO gestrichen worden. Denn die Benutzung von Radwegen stellt das höchste Unfallrisiko für den Radverkehr dar (Konflikte mit dem fußläufigen Verkehr und mit parkenden Kraftfahrzeugen im Streckenverlauf, mit dem fließenden Kfz-Verkehr an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten). Daß viele Verkehrsbehörden, auch in und um Bamberg, die strengen Anforderungen, welche an die Anordnung der Benutzungspflicht im Einzelfall gestellt werden, ignorieren, ändert nicht die Tatsachen. Unzureichende Ausbaustandards wie in Bamberg üblich vergrößern die Risiken spürbar.

    Den Radverkehr in der Erlichstraße in beiden Richtungen freizugeben, ist somit nichts anderes als die Umsetzung von Recht und Gesetz und entspricht den Erkenntnissen der Unfallforschung.