Aus der Gaustadter Leserpost: „Die Klimaskeptiker (sehr frei nach Lukas 24)“

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Zwei Freunde befanden sich auf dem Rückweg, erschöpft von den Aufräumarbeiten in dem etwa 60 km von ihren Wohnort entfernt liegenden Dorf, das entsetzlich von der Überschwemmung gezeichnet war. Ihr Gespräch drehte sich, wie sollte es anders sein, um das, was sie dort gesehen und erlebt hatten. Auf halber Strecke hatten sie eine Rast eingelegt. Durch ihre Unterhaltung aufmerksam geworden, sprach ein Mann sie an – ein prominenter Wissenschaftler, den sie jedoch, mit ihren Gedanken noch ganz bei ihrem Hilfseinsatz, nicht erkannten. Was sie denn dermaßen aufwühle, erkundigte er sich. Sie hielten inne und blickten ihn an. Der eine, mit Namen Markus, antwortete: Sei er etwa der einzige, der nicht wisse, was in diesen Tagen geschehen sei? „Was meinen Sie denn?“ Und sie berichteten ihm von der Welle, die den halben Ort zerstört habe, so mächtig, daß ganze Häuser mitgerissen wurden. Straßen, Plätze, aber auch die Wiesen und Äcker vor dem Dorf hätten nach tagelangem Starkregen meterhoch unter Wasser gestanden und seien nach dem Rückgang der Fluten von einer dicken Schlammschicht bedeckt.

Einige Frauen aus dem Dorf hätten ihnen berichtet, selbst der höher gelegene Friedhof sei durch das den Hang hinabströmende Regenwasser zerstört worden. Viele Gräber seien nur noch an den – zum Teil umgestürzten – Grabsteinen zu erkennen. Der meist liebevoll gestaltete Grabschmuck, die dekorativen Bepflanzungen – nichts mehr vorhanden. So etwas sei abzusehen gewesen, entgegnete er ihnen. Seit Jahrzehnten warnten doch Meteorologen und Klimaforscher vor den Folgen der Erderwärmung – doch wer habe ihre Mahnungen tatsächlich beachtet? Mußten nicht derartige Extremwetterlagen eintreten und die selbstherrliche Ignoranz der Menschen bestrafen? Und er fing an beim Club of Rome, der – nicht einmal als erster – bereits vor einem halben Jahrhundert die „Grenzen des Wachstums“ aufgezeigt habe. Daß selbst nach den Hochwasserkatastrophen der jüngeren Vergangenheit noch immer in Flußauen gebaut werde, überhaupt die Flächenversiegelung ungebremst weitergehe, sei nicht erklärbar. Er erläuterte, wie bereits in den achtziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts die Verbrennung fossiler Rohstoffe als eine wesentliche Ursache des steigenden Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre – und des resultierenden Treibhauseffekts – bekannt gewesen sei. Namhafte Stimmen aus Wirtschaft und Politik, letztere vielfach mit Lobbyinteressen verflochten, hätten die Erkenntnisse der Wissenschaft schon seinerzeit in Abrede gestellt. Bis heute seien sie nicht verstummt.

Es wurde Zeit, den Weg fortzusetzen. Der Fremde wollte sich verabschieden, doch sie nötigten ihn und sprachen: „Stoßen wir noch einmal an!“ Und während sie zu Ende aßen und den Gedankenaustausch fortsetzten, konstatierte ihr Gesprächspartner nach einigen weiteren Sätzen: „Das sind die Fakten; da gibt es nichts zu interpretieren.“ Plötzlich erkannten sie, wer bei ihnen am Tisch saß. Er aber erhob sich, dankte ihnen für ihre Aufmerksamkeit, verabschiedete sich und brach auf. Die beiden Freunde sahen sich an und sprachen zueinander: „Waren wir nicht zutiefst betroffen, als er uns verdeutlichte, was wir längst hätten wissen müssen, ja, was wir eigentlich gewußt haben, aber nicht wirklich zur Kenntnis nehmen wollten? Er hat doch recht, es war alles lange bekannt. Aber die, die das Ergebnis unser aller Blindheit jetzt zuvorderst auszubaden haben, sind nicht die, welche es verantworten.“ Und noch zur selben Stunde eilten sie nach Hause, griffen zum Telefon, kontaktierten die Kreisgruppe eines bekannten Umwelt- und Naturschutzverbandes, berichteten von ihrer Begegnung und schlossen sich den Aktiven an.

Wolfgang Bönig
Gaustadt